European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0150OS00157.18D.1212.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Albert G***** des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB schuldig erkannt.
Danach hat er am 22. März 2018 in I***** Deividas S***** vorsätzlich zu töten versucht, indem er ihm mit einem Klappmesser mit ca 7 cm Klingenlänge mehrere Stiche gegen den Oberkörper versetzte und zu versetzen versuchte, wodurch Genannter zwei Stichverletzungen an der Bauchvorderwand und zwei Stichverletzungen am linken Unterarm erlitt.
Die Geschworenen bejahten die anklagekonform nach versuchtem Mord gestellte Hauptfrage (1./) und verneinten die dazu (alternativ zusammengefasst; vgl RIS‑Justiz RS0102740) in Richtung Notwehr, Notwehrüberschreitung aus asthenischem Affekt, Putativnotwehr und Putativnotwehrexzess aus asthenischem Affekt gestellte Zusatzfrage (5./). Demgemäß entfiel die Beantwortung von Eventualfragen in Richtung absichtlicher schwerer Körperverletzung nach §§ 15, 87 Abs 1 StGB (2./), schwerer Körperverletzung nach §§ 15, 84 Abs 4 und Abs 5 Z 1 StGB (3./), Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (4./) und fahrlässiger Körperverletzung nach § 88 Abs 1 StGB (6./, 7./ und 8./).
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen erhobene, eine „Verletzung der Unschuldsvermutung“ monierende Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.
Sie lässt nämlich nicht erkennen, welcher der in § 345 StPO normierten Nichtigkeitsgründe überhaupt angesprochen sein soll.
Bemerkt sei, dass die im Schengener Informationssystem gespeicherten Fahndungsersuchen deutscher Strafverfolgungsbehörden und der Umstand, dass gegen den Angeklagten in einem Fall wegen gefährlicher Körperverletzung ermittelt werde, weil er mit einem Spaten auf einen Neuankömmling in einer Flüchtlingsunterkunft zugelaufen und diesen durch einen Schlag mit dem Spaten leicht am Körper verletzt und dessen Jacke zerrissen haben soll (US 2), bei der Strafbemessung jedenfalls nicht berücksichtigt wurden (US 5), sodass Nichtigkeit aus § 345 Abs 1 Z 13 zweiter Fall StPO (vgl RIS-Justiz RS0119271 zu § 281 Abs 1 Z 11 StPO) nicht in Betracht kommt.
Dass die – sogar mit Zustimmung des Angeklagten (ON 78 S 48) – in der Hauptverhandlung vorgetragenen und den Geschworenen während deren Beratung mit den Akten überlassenen (ON 78 S 50) Berichte über die laufenden Fahndungen in Deutschland den Ausschlag für die Bejahung der Hauptfrage gegeben hätten, ist außerdem reine Spekulation. Solche Schriftstücke sind im Übrigen nicht vom Verlesungsverbot des § 252 Abs 1 StPO erfasst, sodass sie dem Gebot des § 252 Abs 2 StPO entsprechend selbst ohne Zustimmung zu verlesen gewesen wären. Allfällige Nichtigkeit unter dem Aspekt eines Verstoßes gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz (§ 345 Abs 1 Z 4 iVm § 252 Abs 4 iVm § 252 Abs 1 StPO; vgl 14 Os 21/18x) steht somit gleichfalls nicht in Rede. Ebensowenig liegt ein – vom taxativen Katalog der Z 4 des § 345 Abs 1 StPO zudem nicht erfasster – Verstoß gegen den gesetzlichen Auftrag des § 322 zweiter Satz StPO vor, weil die Berichte in der Hauptverhandlung vorgetragen wurden, also im Sinn des § 258 Abs 1 StPO vorgekommen sind, und damit auch nicht ausgesondert werden mussten.
Bleibt weiters anzumerken, dass nach der Rechtsprechung des EGMR ein Verstoß gegen die in Art 6 Abs 2 MRK normierte Unschuldsvermutung (vgl dazu Grabenwarter/Pabel , EMRK 5 § 24 Rz 124 ff, 129) nur dann zu bejahen wäre, wenn im Verfahren oder der Entscheidung die Schuld der betroffenen Person behauptet worden wäre, nicht aber, wenn – wie hier – nach dem Sinngehalt bloß das Bestehen eines Tatverdachts geäußert wird (vgl RIS‑Justiz RS0120765, RS0128232, RS0074985).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits in nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 344, 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§§ 344, 285i StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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