Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Ausspruch, der Raub sei ohne Anwendung erheblicher Gewalt an einer Sache geringen Wertes begangen worden, und demgemäß in der rechtlichen Beurteilung als Verbrechen des Raubes (nach § 142 Abs 1) auch nach § 142 Abs 2 StGB sowie in der Entscheidung, daß der Ausspruch der Strafe für eine Probezeit vorbehalten wird, einschließlich des Beschlusses über die Weisungserteilung und die Anordnung der Bewährungshilfe aufgehoben.
Unter Neufassung des Urteilsspruches wird im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:
Adem C***** ist schuldig, er hat am 19.November 1995 in Innsbruck gemeinsam mit dem gesondert verfolgten Mesut D***** mit Gewalt gegen eine Person mit auf unrechtmäßiger Bereicherung gerichtetem Vorsatz Bruno G***** fremde bewegliche Sachen weggenommen, indem sie ihn festhielten, zu Boden rangen und ihm die Geldbörse samt einem Bargeldbetrag von 743 S wegnahmen.
Adem C***** hat hiedurch das Verbrechen des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB begangen und wird hiefür nach dieser Gesetzesstelle unter Anwendung des § 5 Z 4 JGG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 8 (acht) Monaten verurteilt.
Gemäß § 43 Abs 1 StGB wird die verhängte Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der zur Tatzeit Jugendliche Adem C***** (geboren am 18.April 1979) des Verbrechens des (minderschweren) Raubes nach § 142 Abs 1 und Abs 2 StGB schuldig erkannt, weil er am 19.November 1995 in Innsbruck zusammen mit dem gesondert verfolgten Mesut D***** "dem Bruno G***** mit Gewalt gegen dessen Person, indem sie ihn festhielten, zu Boden rangen und ihm die Geldtasche mit einem Geldbetrag von 743 S wegnahmen, fremde bewegliche Sachen mit unrechtmäßigem Bereicherungsvorsatz weggenommen hat, wobei der Raub ohne Anwendung erheblicher Gewalt an einer Sache geringen Wertes begangen wurde.
Rechtliche Beurteilung
Die Staatsanwaltschaft bekämpft diesen Schuldspruch mit einer auf die Z 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, die berechtigt ist. Indem sie sich gegen die Beurteilung der Tat als minderschweren Raub im Sinn des § 142 Abs 2 StGB wendet, zeigt sie in ihrem Rechtsmittel zutreffend auf, daß nach Lage des Falles nicht davon ausgegangen werden kann, der Angeklagte habe den Raub ohne Anwendung erheblicher Gewalt begangen.
Der privilegierte Fall des minderschweren Raubes setzt voraus, daß die ohne Anwendung erheblicher Gewalt an einer Sache geringen Wertes begangene Tat unbedeutende Folgen nach sich zog und es sich um keinen schweren Raub (§ 143 StGB) handelt, wobei diese Voraussetzungen kumulativ gegeben sein müssen (Leukauf/Steininger Komm3 § 142 RN 27; Zipf im WK § 142 Rz 46).
Erhebliche Gewalt (gegen eine Person) ist dann anzunehmen, wenn der Täter bei seinem Angriff beachtliche physische Kräfte in vehementer Weise einsetzt (Leukauf/Steininger aaO RN 28; Zipf aaO Rz 47;
Kienapfel BT II3 Rz 108 f; Bertel/Schwaighofer BT I4 Rz 16;
Mayerhofer/Rieder StGB4 E 39 a-47d je zu § 142 StGB) und demgemäß die Belastung des Opfers durch die räuberische Gewaltanwendung im Vergleich zu Durchschnittfällen nicht mehr geringfügig bleibt (13 Os 157/85), wobei unter Anlegung des objektiv-individualisierenden Maßstabes auch die jeweiligen Umstände des konkreten Einzelfalles (insbesondere der Zustand des Angegriffenen) zu berücksichtigen sind (11 Os 75/85 und die dort zitierte weitere Judikatur und Literatur, insbesondere Zipf aaO und Kienapfel aaO, 15 Os 111/96).
Dem Urteilssachverhalt zufolge haben der Angeklagte und der Mittäter den alkoholisierten Bruno G***** gewaltsam festgehalten und unter Ausnützung seiner Alkoholisierung "ohne beachtliche physische Kraft" zu Boden gerungen, wo ihm der Beschwerdeführer die Geldtasche aus der Gesäßtasche nahm (Bruno G***** wurde durch die Tat nicht verletzt). Das Festhalten und Zubodenringen eines erwachsenen Mannes erfordert - von Ausnahmefällen abgesehen - die Anwendung erheblicher Gewalt im Sinn der oben wiedergegebenen Begriffsdefinition. Wenn ausnahmsweise im vorliegenden Fall dafür beachtliche physische Kraft nicht erforderlich war, so ist dies nach den Feststellungen des Erstgerichtes nur auf den (alkoholbedingten) schlechten körperlichen Zustand des Opfers zurückzuführen. Im Vergleich zu gleichgehalterten Durchschnittsfällen nüchterner Opfer war daher die Belastung des infolge seiner mittelstarken Alkoholisierung (vgl S 68) in seiner Widerstandsfähigkeit stark herabgesetzten Bruno G***** (arg "unter Ausnützung seiner Alkoholisierung"), der den Angriffen zweier Täter ausgesetzt war, in ihrer Gesamtheit bei der gebotenen Anlegung eines strengen Maßstabes (Leukauf/Steininger aaO) nicht als geringfügig einzustufen. Letztlich sei noch bemerkt, daß die Beurteilung einer Gewaltanwendung als unerheblich nicht davon abhängt, ob damit Verletzungsfolgen einhergehen (Leukauf/Steininger aaO § 142 RN 28, EvBl 1992/79, 15 Os 48/95).
Angesichts des Fehlens einer der Kumulativvoraussetzungen für die Annahme der im § 142 Abs 2 StGB normierten Privilegierung war daher wie im Spruch zu erkennen.
Bei der demzufolge erforderlich gewordenen Strafneubemessung wertete der Oberste Gerichtshof als erschwerend die Begehung der Tat in Gesellschaft (vgl Bericht des JA zum StrafrechtsänderungsG BGBl 1987/605 359 BlgNR 17.GP S 18 f) als mildernd das Geständnis, den bisherigen ordentlichen Wandel und die Schadensgutmachung.
In Abwägung der Zahl und des Gewichtes der aufgezählten Strafzumessungsgründe sowie unter gebührender Berücksichtigung der allgemeinen Grundsätze der Strafbemessung (§ 32 StGB) erachtete der Oberste Gerichtshof die verhängte Freiheitsstrafe für tatschuldangemessen. Unter Berücksichtigung der Schuldeinsicht des Angeklagten sowie des bisherigen ordentlichen Wandels war auch unter entsprechender Wertung der Bedeutung generalpräventiver Erwägungen dem jugendlichen Rechtsbrecher die Möglichkeit zu gewähren, sich im Rahmen der bedingten Strafnachsicht zu bewähren.
Mit ihrer Berufung war die Staatsanwaltschaft auf die Strafneubemessung zu verweisen.
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