OGH 15Os146/23v

OGH15Os146/23v11.3.2024

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. März 2024 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Dr. Mann und Dr. Sadoghi sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Riffel in Gegenwart des Schriftführers Mag. Novak in der Strafsache gegen B* R* und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten * Z* und S* R* sowie über die Berufung des Angeklagten B* R* gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 21. September 2023, GZ 10 Hv 78/23h‑479, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0150OS00146.23V.0311.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

 

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, hinsichtlich des Angeklagten * W* in der Subsumtion der von B.1. erfassten Taten auch unter § 27 Abs 3 SMG, demgemäß in dem diesen Angeklagten betreffenden Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) aufgehoben, in diesem Umfang eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache an das Landesgericht für Strafsachen Graz verwiesen.

Die Entscheidung über die Berufungen der Angeklagten B* R*, * Z* und S* R* kommt dem Oberlandesgericht Graz zu.

Den Angeklagten * Z* und S* R* fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurden * Z* des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (A.II.1.) sowie des Vergehens der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 StGB (A.II.2.) und S* R* des Verbrechens des Raubes nach §§ 12 dritter Fall, 142 Abs 1 StGB (A.III.) schuldig erkannt.

[2] Danach haben in G* und andernorts

A.II. Z*, * W* und der abgesondert verfolgte * B* am 13. Dezember 2022

1. mit Gewalt * J* fremde bewegliche Sachen im Gesamtwert von zumindest 300.000 Euro, nämlich einen Standtresor mit darin befindlichem Bargeld in Höhe von 35.000 Euro, ein Armband im Wert von 33.000 Euro, Silber- und Goldmünzen, weiteren Schmuck, ein Mobiltelefon sowie zwei Laptops, mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem sie die Genannte in ihrem Haus überwältigten, sie mit Kabelbindern an Händen und Füßen und später mit Klebeband an einen Sessel fesselten, einen Tresor samt Beute sowie die Gold- und Silbermünzen aus einem Versteck im Hasenstall in das Fluchtfahrzeug verbrachten und flüchteten;

2. J* widerrechtlich gefangen gehalten, indem sie sie nach der unter Punkt II.1. beschriebenen Handlung gefesselt im Haus zurückließen;

III. S* R* zu der unter II.1. beschriebenen strafbaren Handlung beigetragen, indem er – unter anderem – * B* ein Brecheisen, Handschuhe, Schimasken, Klebeband, Kabelbinder, Müllsäcke, alkoholische Wischtücher und einen Metalldetektor zur Tatbegehung übergab.

[3] Soweit für das Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof relevant, wurde überdies der Angeklagte W* des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall, Abs 3 SMG schuldig erkannt (B.1.).

[4] Danach hat er von 8. Jänner bis 7. Februar 2023 in G* und andernorts vorschriftswidrig Suchtgift in vier Angriffen anderen überlassen, indem er insgesamt 18 Gramm Kokain an im Urteil namentlich genannte Personen gewinnbringend verkaufte, wobei er in der Absicht handelte, sich durch den wiederkehrenden Verkauf von Suchtgift in Form von Kokain längere Zeit hindurch ein nicht bloß geringfügiges fortlaufendes Einkommen zu verschaffen, und ab der dritten Verkaufshandlung bereits zwei solche Taten begangen hat.

Rechtliche Beurteilung

 

[5] Die gegen dieses Urteil vom Angeklagten Z* aus § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5a, 9 lit a und 10 StPO und vom Angeklagten S* R* aus § 281 Abs 1 Z 5 und 10 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden sind – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – nicht berechtigt.

 

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Z*:

[6] Die Verfahrensrüge (Z 4) bezieht sich auf die Abweisung des Antrags auf Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Bereich der Numismatik „zur objektiven Festlegung des Werts“ der erbeuteten Münzen und zum Beweis dafür, dass ein „Schaden in Höhe von 300.000 Euro nicht erreicht“ wurde. Angesichts des Schuldspruchs wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB ist der Wert der weggenommenen Sachen jedoch kein für die Lösung der Schuld- oder Subsumtionsfrage relevanter Umstand, weshalb durch die Antragsabweisung Verteidigungsrechte des Angeklagten – entgegen dem Beschwerdevorbringen – nicht verletzt wurden (RIS‑Justiz RS0099473).

[7] Dem Vorwurf offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) zu A.II.2. zuwider haben die Tatrichter die Konstatierung, wonach der Angeklagte Z* wusste, dass das Opfer vor Verlassen des Tatorts durch die Täter „noch besser gefesselt“ wurde (US 12), aus den Angaben des abgesondert verfolgten Mittäters * B* geschlossen und die diesen entgegenstehende leugnende Verantwortung des Angeklagten verworfen (US 24 f). Indem die Rüge aus diesen Beweisergebnissen für den Angeklagten günstigere Schlüsse ableitet als das Erstgericht, bekämpft sie bloß die tatrichterliche Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Schuldberufung.

[8] Die Feststellungen zur subjektiven Tatseite zu A.II.1. – einschließlich jener, dass der Angeklagte Z* die Gewaltausübung gegen J* erkannte und billigend in Kauf nahm (US 11 f und US 14) – erschloss das Schöffengericht aus den Angaben des Zeugen * B* (US 24 f) und dem äußeren Tatgeschehen (US 27 f). Entgegen dem neuerlichen Vorwurf der offenbar unzureichenden Begründung (Z 5 vierter Fall) ist diese Ableitung unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden. Dass die Begründung den Angeklagten nicht überzeugt und er aus den Beweisergebnissen andere Schlüsse zieht, stellt keine Nichtigkeit her (RIS‑Justiz RS0118317 [T9]).

[9] Das Vorbringen der Tatsachenrüge (Z 5a), es würden keinerlei für eine Verurteilung wegen Freiheitsentziehung verwertbare Beweisergebnisse existieren, verfehlt die gesetzmäßige Darstellung des angesprochenen Nichtigkeitsgrundes (RIS‑Justiz RS0128874).

[10] Mit der weiteren Argumentation der Tatsachenrüge (Z 5a), allein aus dem Umstand, dass der Angeklagte der Aufforderung eines Mittäters nachgekommen sei, ihm Klebeband zu bringen, könne nicht auf die subjektive Tatseite und die Tatbegehung durch den Angeklagten geschlossen werden, kritisiert der Beschwerdeführer erneut unzulässig die tatrichterliche Beweiswürdigung, ohne erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der Urteilsannahmen zu wecken.

[11] Die gesetzmäßige Ausführung eines materiell-rechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist, zur Voraussetzung (RIS‑Justiz RS0099810).

[12] Indem die Rechtsrüge zu A.II.2. (Z 9 lit a) nicht von den Urteilskonstatierungen ausgeht, wonach der Angeklagte wusste und es billigend in Kauf nahm, dass J* durch die weitere Fesselung mit dem Klebeband auf dem Stuhl widerrechtlich gefangen gehalten wurde (US 14 f), sondern diese in Frage stellt, verfehlt sie die prozessförmige Darstellung.

[13] Die zu A.II.1. erhobene Subsumtionsrüge (Z 10, nominell auch Z 9 lit a) zielt auf einen Schuldspruch „gemäß den Bestimmungen des § 129 StGB“ ab, argumentiert aber neuerlich nicht auf Basis der Sachverhaltsfeststellungen (US 11 ff) und verfehlt damit den Bezugspunkt materiell‑rechtlicher Nichtigkeit.

[14] Die von der Rüge zu A.II.1. (inhaltlich Z 10) und zu A.II.2. (inhaltlich Z 9 lit a) vermissten Feststellungen zur subjektiven Tatseite betreffend den Rechtsmittelwerber befinden sich auf US 14 f.

[15] Weshalb der Tatbestand des § 142 Abs 1 StGB Feststellungen zu Art und Anzahl der weggenommenen Münzen sowie zum „damit einhergehenden Schaden“ erfordern sollte, legt die Rüge (Z 9 lit a) nicht aus dem Gesetz abgeleitet dar (siehe aber RIS‑Justiz RS0116569).

[16] Mit dem Vorbringen, es könne keinesfalls von einem 300.000 Euro übersteigenden Schaden ausgegangen werden, weshalb kein Privatbeteiligtenzuspruch erfolgen könne und die Strafe geringer zu bemessen sei, wird nicht die unrichtige Lösung einer Rechtsfrage im Sinn des in Anspruch genommenen Nichtigkeitsgrundes (Z 9 lit a) zur Darstellung gebracht, sondern bloß ein Berufungsvorbringen erstattet (§ 283 Abs 1 StPO).

[17] Da die Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs 1 StPO voneinander wesensmäßig verschieden und daher gesondert auszuführen sind, entspricht das Vorbringen zu Z 5a und zu Z 10, es werde, „um Wiederholungen zu vermeiden“, auf die Ausführungen zu anderen Nichtigkeitsgründen verwiesen, nicht der Strafprozessordnung (RIS‑Justiz RS0115902).

 

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten S* R*:

[18] Entgegen dem Beschwerdevorbringen sind weder die Feststellungen zur objektiven (US 9 f) noch zur subjektiven Tatseite (US 15) zu A.III. undeutlich (Z 5 erster Fall). Die Kritik, es sei nicht zweifelsfrei erkennbar, ob der Rechtsmittelwerber von B* R* darüber aufgeklärt wurde, dass „nicht nur ein Einbruchsdiebstahl“ stattfinden sollte, und ob er die Anwesenheit des Opfers „billigend in Kauf“ genommen und sich damit abgefunden habe, bleibt – angesichts der genau dazu getroffenen Konstatierungen (vgl US 9 f und 15) – unverständlich.

[19] Dem Einwand „willkürlicher unstatthafter Vermutungen“ und der „Scheinbegründung“ (Z 5 vierter Fall) zuwider stützten die Tatrichter diese Annahmen auf die Verantwortung des Beschwerdeführers (US 22), die Angaben des Zeugen * B* (US 23) und das objektive Tatgeschehen (US 27 f).

[20] Die Subsumtionsrüge (Z 10) zielt auf eine Qualifikation der Tat als schweren durch Einbruch begangenen Diebstahl nach §§ 12 dritter Fall, 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 1 Z 2 und Abs 2 Z 1 StGB ab, nimmt aber prozessordnungswidrig nicht Maß am festgestellten Sachverhalt (RIS-Justiz RS0099810).

 

Zu r amtswegigen Maßnahme:

[21] Zu Schuldspruch B.1. stellte das Schöffengericht betreffend die Gewerbsmäßigkeit fest, dass W* in der Absicht handelte, „sich durch den wiederkehrenden Verkauf von Suchtgift in Form von Kokain längere Zeit hindurch ein nicht bloß geringfügiges fortlaufendes Einkommen zu verschaffen, wobei er ab der dritten Verkaufshandlung bereits zwei solche Taten begangen hat“ (US 16). Diese Aussage erschöpft sich in der substratlosen Wiedergabe der verba legalia und weist damit weder hinsichtlich der zeitlichen Komponente zur angestrebten fortlaufenden Einnahme noch in Bezug auf die Höhe des intendierten Einkommens (hiezu § 70 Abs 2 StGB) einen im Sinn der Rechtsprechung ausreichenden Sachverhaltsbezug auf (Jerabek/Ropper in WK² StGB § 70 Rz 7; RIS‑Justiz RS0107402 [T6 und T9], RS0119090 [T8, T11, T14 und T15]).

[22] Dieser nicht geltend gemachte Rechtsfehler mangels Feststellungen (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO) zum Nachteil des Angeklagten W* erfordert – in Übereinstimmung mit der Generalprokuratur – gemäß § 290 Abs 1 zweiter Satz iVm § 285e StPO die Aufhebung der rechtlichen Unterstellung der dem Schuldspruch B.1. zugrunde liegenden Taten auch unter § 27 Abs 3 SMG.

[23] Entgegen der Ansicht der Generalprokuratur sieht der Oberste Gerichtshof jedoch keinen Grund für eine amtswegige Aufhebung des Einziehungserkenntnisses betreffend das bei diesem Angeklagten sichergestellte Suchtgift (vgl RIS‑Justiz RS0088115 [T3]) und die ebenso sichergestellte Suchtmittelwaage, zumal nach dem Urteil auch die Voraussetzungen der Konfiskation nach § 19a Abs 1 StGB vorliegen.

 

[24] Die Nichtigkeitsbeschwerden warensomit bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen der Angeklagten B* R*, Z* und S* R* (§ 285i StPO).

[25] Es warjedoch aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden (§ 290 Abs 1 erster Fall StPO) das den Angeklagten W* betreffende Urteil im im Spruch ersichtlichen Umfang bereits bei der nichtöffentlichen Beratung aufzuheben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Graz zu verweisen.

[26] Die Kostenersatzpflicht gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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