OGH 15Os145/15k

OGH15Os145/15k14.3.2016

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. März 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann als weitere Richter in Gegenwart der Rechtspraktikantin Mag. Fritsche als Schriftführerin in der Strafsache gegen Martina T***** wegen des Verbrechens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten sowie die Berufung der Privatbeteiligten Hotel K***** GmbH gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 13. April 2015, GZ 25 Hv 118/14w‑41, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0150OS00145.15K.0314.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Der Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Martina T***** des Verbrechens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB idF vor BGBl I 2015/112 schuldig erkannt.

Danach hat sie in K***** als Geschäftsführerin des Hotels K***** ein ihr anvertrautes Gut, nämlich Bargeld „in einem nicht feststellbaren, jedoch insgesamt 50.000 Euro übersteigenden Wert sich oder einem Dritten mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten dadurch unrechtmäßig zu bereichern, zugeeignet“, nämlich

1./ von Februar 2009 bis Ende Oktober 2011 Bargeld „in nicht feststellbarer Höhe“ (US 8: im Gesamtbetrag von zumindest 40.501 Euro), indem sie in vielfachen Angriffen Tageslosungen, welche der Hotel K***** GmbH zustanden, pflichtwidrig und entgegen der bestehenden Vereinbarung nicht auf deren Konto einzahlte, sondern an sich nahm und für private Zwecke verwendete;

2./ im Oktober 2011 Bargeld in der Höhe von zumindest 9.500 Euro, indem sie diesen den Bediensteten des Hotels K***** zustehenden Betrag (Trinkgeld) pflichtwidrig auf das Konto der Hotel K***** GmbH einzahlte.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen wendet sich die auf Z 4, 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten, die ihr Ziel verfehlt.

Zum Schuldspruch 1./:

Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurden durch die Abweisung des Antrags auf Einholung eines „buchhalterischen Gutachtens zum Beweis dafür, dass die täglichen Kassenbuchabrechnungen unrichtig sind, weil sie nicht einen Anfangssaldo von 1.000 Euro haben, sondern unterschiedliche Salden angeführt sind und sich daraus fehlerhafte Angaben zu den durchzuführenden Bankeinzahlungen ergeben“, Verteidigungsrechte nicht beeinträchtigt. Nach dem weiteren dazu erstatteten Vorbringen „ergibt sich insbesondere aus der AS 403 in ON 15, dass auf diese Weise zu Ungunsten der Angeklagten ein Tagessaldo von 2.000 Euro besteht. Die Zeugin Dr. B***** konnte sich ebenfalls diese zwei verschiedenen Ausdrucke nicht erklären, weshalb die Einholung eines Gutachtens unumgänglich ist, um die Schadenshöhe zu ermitteln“ (ON 40 S 71).

Das Erstgericht hat die Feststellung der gegenständlichen Tageslosungen indes nicht auf Kassabuchabrechnungen, sondern auf Aufzeichnungen über die der Angeklagten von den Rezeptionistinnen abgezählt übergebenen und von dieser selbst nachgezählten Bargeldbeträge im sogenannten „Bankeinzahlungsbuch“ gestützt (US 6; 16 bis 26). Die Frage der Richtigkeit der Kassabuchabrechnungen betrifft daher keine erhebliche Tatsache (zum Begriff s RIS‑Justiz RS0116877), sodass der Beweisantrag zu Recht abgewiesen wurde (§ 55 Abs 2 Z 2 StPO; vgl RIS‑Justiz RS0116503).

Dem Einwand einer Undeutlichkeit der Entscheidungsgründe (Z 5 erster Fall) zuwider folgt aus der Konstatierung, dass die Rezeptionistinnen die Höhe der Tageslosungen nach deren Zählung ‑ stets ‑ schriftlich erfassten und die Tageslosungen „folglich zusammen mit dem genannten Vermerk bzw dem Ausdruck aus dem elektronischen Kassabuch“ in einer Bankgeldtasche an die Angeklagte aushändigten (US 5), klar, dass ‑ jedenfalls auch ‑ dieser Zählungsvermerk der Bankgeldtasche regelmäßig beigelegt wurde.

Entgegen der Behauptung einer Unvollständigkeit der Entscheidungsgründe (Z 5 zweiter Fall) bedurfte der Umstand, dass die Angeklagte im sogenannten „Bankeinzahlungsbuch“ (ON 20 Blg ./1) ‑ laut der darin enthaltenen Bezeichnung ‑ „Bankeinzahlungen wöchentlich laut GMS‑Kassenbuch“ erfasste, keiner besonderen Erörterung, weil das Erstgericht ‑ ohnedies ‑ konstatierte, dass die Angeklagte vor der Eintragung der für die Bankeinzahlung bestimmten Geldbeträge die Übereinstimmung mit den vom elektronischen Kassabuch ausgeworfenen „Bankeinzahlungsbeträgen“ kontrollierte (US 6).

Einen Widerspruch (Z 5 dritter Fall) der Feststellungen, wonach die Rezeptionistinnen zum einen den Gesamtbetrag der Tageslosungen, zum anderen aber diesen abzüglich eines täglichen Wechselgelds im Betrag von 1.000 Euro in die Banktasche gaben (US 5 f), zeigt die Beschwerde nicht auf, weil sich aus dem Zusammenhang dieser Urteilskonstatierungen ergibt, dass die letztangeführte Urteilsannahme den Vorgang näher präzisiert. Im Übrigen vernachlässigt die Beschwerdeführerin die weitere Feststellung, dass ‑ dem faktischen Abzug des Wechselgelds entsprechend ‑ dieser Vorgang „auch im elektronisch geführten Kassabuch so umgesetzt wurde“ (US 6).

Die somit getroffene Urteilsannahme, dass ‑ dem tatsächlichen Vorgang des Abzugs des Wechselgelds folgend, solcherart synchron und daher unbeachtlich einer fehlenden Feststellbarkeit des genauen Zeitpunkts dieses Vorgangs ‑ die tägliche Reduktion der Tageslosungen um das Wechselgeld im elektronisch geführten Kassabuch umgesetzt wurde, steht, dem weiteren Beschwerdeeinwand (Z 5 dritter Fall) zuwider, mit der Konstatierung, wonach näher bezeichnete anfängliche Probleme mit dem Kassabuch‑System nach rund einem Jahr nach Betriebsaufnahme gelöst werden konnten (US 6 f), nicht in Widerspruch. Denn damit wurde nicht festgestellt, dass die angesprochenen Systemfehler des Kassabuchs sich (auch) auf den Vorgang der Wechselgelderfassung bezogen.

Im Übrigen ist ein innerer Widerspruch (Z 5 dritter Fall) nur dann gegeben, wenn zwischen Feststellungen und deren zusammenfassender Wiedergabe im Urteilsspruch oder zwischen zwei oder mehr Feststellungen oder zwischen Feststellungen und den dazu in der Beweiswürdigung angestellten Erwägungen oder den in der Beweiswürdigung angestellten Erwägungen ein Widerspruch besteht, nicht jedoch, wenn, wie die Beschwerde vorliegend behauptet, Feststellungen in einem ‑ vermeintlichen ‑ Widerspruch zu einzelnen Verfahrensergebnissen oder deren Interpretation durch den Beschwerdeführer stehen (RIS‑Justiz RS0119089).

Dem Einwand einer offenbar unzureichenden Begründung der Feststellungen zur Schadenshöhe (Z 5 vierter Fall) zuwider hat das Erstgericht den Betrag der vereinnahmten Tageslosungen logisch und empirisch mängelfrei ‑ unter Berücksichtigung von daraus bestrittenen „Schwarzzahlungen“ zu Gunsten des Unternehmens (US 30 bis 38) ‑ aus den (jedenfalls auch) auf Zählungen des Bargelds beruhenden Aufzeichnungen der Angeklagten im sogenannten „Bankeinzahlungsbuch“ sowie den zeugenschaftlichen Depositionen der Steuerberaterin des Unternehmens Mag. Dr. B*****, wonach im Zeitraum von 12. Juli bis 31. Oktober 2011 vereinnahmte Tageslosungen von insgesamt 94.626,52 Euro nicht durch allfällige Systemfehler des elektronischen Kassabuchprogramms zu erklären seien und ein entsprechender Umsatz in diesem Zeitraum vorhanden war, abgeleitet (US 16 bis 26).

Soweit die Rüge in diesem Zusammenhang eine Vernachlässigung der Pflicht zu amtswegiger Wahrheitsforschung mangels „weitergehender Beweisaufnahme“ durch Einholung von Bilanzunterlagen und eines buchhalterischen Gutachtens kritisiert (der Sache nach Aufklärungsrüge, Z 5a), macht sie nicht deutlich, wodurch die Beschwerdeführerin an der Ausübung ihres Rechts, die vermisste Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung sachgerecht zu beantragen, gehindert war (vgl RIS‑Justiz RS0115823).

Mit eigenständigen Schlussfolgerungen aus Verfahrensergebnissen bekämpft die Nichtigkeitswerberin bloß ohne Orientierung an den Anfechtungskategorien der Mängelrüge (Z 5) nach Art einer gegen kollegialgerichtliche Urteile gesetzlich nicht vorgesehenen Schuldberufung die tatrichterliche Beweiswürdigung.

Die Tatsachenrüge (Z 5a) vermag mit dem Hinweis auf Kassabuchausdrucke der Jahre 2009 und 2010 und der Wiederholung der Verantwortung der Angeklagten keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der entscheidungswesentlichen Feststellung der Vereinnahmung von Tageslosungen in einem Gesamtbetrag von (abzüglich geleisteter „Schwarzzahlungen“ für das Unternehmen) zumindest 40.501 Euro (US 30 bis 38) hervorzurufen, zumal sie die beweiswürdigenden Erwägungen des Erstgerichts zur auf Zählvorgängen der Rezeptionistinnen und der Angeklagten beruhenden Erfassung der Tageslosungen im sogenannten „Bankeinzahlungsbuch“ (US 16 bis 26) vernachlässigt (vgl RIS‑Justiz RS0118780).

Zum Schuldspruch 2./:

Die Feststellungen zur subjektiven Tatseite (insbesondere auch, dass es der Angeklagten nicht darauf ankam, eine allfällige Zahlungsunfähigkeit/Überschuldung des Hotels abzuwenden; US 9) leiteten die Tatrichter ‑ ohne Verstoß gegen die Kriterien logischen Denkens und allgemeine Erfahrungssätze ‑ aus dem äußeren Tatgeschehen im Zusammenhalt mit dem berufsbedingten Wissen der Angeklagten über die entsprechenden Abläufe in einem Hotel ab (US 47 f; Z 5 vierter Fall).

Das weitere Vorbringen der Mängel- (Z 5) und Tatsachenrüge (Z 5a) bezieht sich nicht auf Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen, weil weder (das Wissen der Angeklagten um) die Vermögenslage der durch die pflichtwidrige Zuwendung unrechtmäßig bereicherten Hotel K***** GmbH (US 9) noch eine davor stattgefundene Besprechung mit deren Geschäftsführerin und der Rezeptionistin für die Tatbestandsverwirklichung von Bedeutung sind.

Dass die Tatrichter aus den von der Beschwerde angesprochenen Beweisergebnissen nicht die von der Rechtsmittelwerberin gewünschten Schlussfolgerungen gezogen haben, ist als Akt freier Beweiswürdigung mit Mängelrüge nicht bekämpfbar (RIS‑Justiz RS0098400).

Schließlich wird auch mit der Berufung auf den Zweifelsgrundsatz (§ 14 zweiter Halbsatz StPO) keine Nichtigkeit aus Z 5 oder 5a des § 281 Abs 1 StPO aufgezeigt (RIS‑Justiz RS0102162),

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher ‑ in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der hiezu erstatteten Äußerung der Verteidigung ‑ bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen ergibt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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