OGH 15Os143/94

OGH15Os143/9417.11.1994

Der Oberste Gerichtshof hat am 17.November 1994 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Hager, Mag.Strieder, Dr.Ebner und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr.Hobel als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Kurt Wolfgang H***** wegen des Verbrechens des (minderschweren) Raubes nach § 142 Abs 1 und Abs 2 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 2.August 1994, GZ 10 Vr 1746/94-7, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Erster Generalanwalt Dr.Strasser, und des Verteidigers Dr.Schubert jun., jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung, auch soweit sie als Beschwerde zu betrachten ist, wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Kurt Wolfgang H***** des Verbrechens des (minderschweren) Raubes nach § 142 Abs 1 und Abs 2 StGB (1.) sowie des Vergehens der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB (2.) schuldig erkannt.

Danach hat er in Graz

(zu 1.) am 13.Mai 1994 dadurch, daß er Manuela K***** drei Halsketten vom Hals riß, dieser mit Gewalt gegen ihre Person fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei der Raub ohne Anwendung erheblicher Gewalt an einer Sache geringen Wertes begangen wurde und die Tat nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat;

(zu 2.) am 17.Mai 1994 Manuela K***** durch die fernmündliche Äußerung: "Diese Woche bekomme ich eine Puff'n, wenn du die Anzeige nicht zurückziehst, blase ich dich um!" mithin durch gefährliche Drohung mit zumindest einer Verletzung am Körper zu einer Handlung, nämlich zur Anzeigerückziehung, zu nötigen versucht.

Nach dem Inhalt des Beschwerdevorbringens (199 verso) in Verbindung mit dem Beschwerdeantrag (203) richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO gestützte Rechtsrüge des Angeklagten nur gegen den Schuldspruch wegen des Vergehens der versuchten Nötigung (laut Punkt 2. des Urteilssatzes). Sie vermeint, die objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale des in Rede stehenden versuchten Vergehens seien vorliegend nicht erfüllt. Dazu wird (der Sache nach) im einzelnen eingewendet, das erstgerichtliche Urteil enthalte (zum objektiven) Tatbestandselement der "Ernstlichkeit der Forderung" sowie zur subjektiven Tatseite "überhaupt keine Feststellungen"; daß die "Ernstlichkeit der Forderung" nicht vorliege, ergebe sich bereits aus der jedermann bekannten Tatsache, daß die Zurückziehung einer bei der Sicherheitsbehörde bereits erstatteten Anzeige wegen des Offizialdeliktes des Raubes rechtlich nicht möglich, ja ausgeschlossen sei; demnach liege hier ein "absolut untauglicher Versuch im Sinne des § 15 Abs 3 StGB" vor, weil "es in diesem Fall geradezu denkunmöglich ist, daß dieser Versuch zur Vollendung führen kann". Schließlich vertritt der Beschwerdeführer den Standpunkt, daß es sich bei dem festgestellten Inhalt des Telefonates um eine milieubedingte Unmutsäußerung handelt, die straffrei sei.

Die Rüge versagt.

Soweit sie nämlich Feststellungsmängel zur objektiven und subjektiven Tatseite behauptet, verfehlt sie eine prozeßordnungsgemäße Darstellung; übergeht oder übersieht sie doch glattweg alle (vom Beschwerdeführer als formell mängelfrei begründet akzeptierten) den bekämpften Schuldspruch tragenden Urteilskonstatierungen (US 8 f), denenzufolge der Angeklagte mit dem "Vorsatz", Manuela K***** unter dem Druck des eingesetzten Nötigungsmittels, nämlich der Drohung mit zumindest einer Verletzung am Körper, zur Zurückziehung der gegen ihn wegen einer von Amts wegen zu verfolgenden strafbaren Handlung (hier: Verbrechen des Raubes) erstatteten Anzeige zu veranlassen (nötigen) trachtete, "wobei die Drohung nach ihrem Wortlaut objektiv geeignet war, der Genötigten gegründete Besorgnisse einzuflößen, dies umsomehr, weil ihr das durch Aggressionshandlungen gekennzeichnete Vorleben des Angeklagten bekannt und durch die angezeigte Tathandlung in gegenwärtiger Erinnerung war. Dadurch, daß es dem Angeklagten nicht gelang, die Genötigte zu einer seinem Willen entsprechenden Handlungsweise zu bringen, blieb es beim Versuch der Straftat". Berücksichtigt man den festgestellten Wortlaut der Drohung, in der - obschon in einer im Umfeld des Angeklagten gebräuchlichen Wortwahl - der Einsatz einer Schußwaffe ("Puffen") angekündigt wurde (US 3 und 6), sowie die dazu angestellten Erwägungen des Erstgerichtes (US 7), wonach dem Angeklagten eine "derartige Vorgangsweise der Einschüchterung von Zeugen durchaus zuzutrauen ist", mithin seiner zu Aggressionen neigenden Charakterartung entspricht, kann auch von einer (vom Nichtigkeitswerber urteilsfremd ins Treffen geführten) "milieubedingten Unmutsäußerung" keine Rede sein.

Unabdingbare Voraussetzung für die erfolgreiche Geltendmachung eines materiell-rechtlichen Nichtigkeitsgrundes ist indes das Festhalten am wesentlichen Tatsachensubstrat und der darauf gegründete Nachweis von dem Schöffengericht unterlaufenen Feststellungsmängeln.

Dem weiteren Beschwerdeeinwand zum (vermeintlichen) Vorliegen des "absolut untauglichen Versuchs" ist zu erwidern:

Bei der vom Beschwerdeführer - laut den Urteilsfeststellungen - ernstgemeinten Forderung nach einem Widerruf der belastenden Angaben durch das Opfer ist, zumal es für die Tatbildlichkeit nach § 105 StGB gar nicht erforderlich ist, daß dem abgenötigten (oder abzunötigenden) Verhalten eine besondere rechtliche oder faktische Relevanz zukommt (Leukauf/Steininger Komm3 § 105 RN 17), die Frage der (hier mangelnden) Rechtswirksamkeit einer Anzeigerückziehung ohne jede Bedeutung. Die inkriminierte Forderung stellt auch keineswegs das Verlangen nach einem unmöglichen Verhalten (der Genötigten) dar, das unter dem Gesichtspunkt der Ernstlichkeit der Forderung nach einem bestimmten Verhalten die Tatbildlichkeit der Nötigung nach § 105 StGB ausschließen und nur jene der gefährlichen Drohung nach § 107 StGB begründen könnte (Leukauf/Steininger aaO RN 19).

Davon abgesehen ist die von der Beschwerde aufgeworfene Frage einer absoluten Untauglichkeit des Versuchs (§ 15 Abs 3 StGB) hier schon deshalb nicht indiziert, weil es insoweit nur darauf ankommt, ob die Deliktsvollendung - das heißt also im Falle der Nötigung die Herbeiführung des vom Opfer erzwungenen, bloß faktischen Verhaltens - wegen Untauglichkeit (des Subjekts, Objekts oder) der Handlung des Täters geradezu denkunmöglich ist oder nicht; nicht aber darauf, ob und welche Rechtsfolgen das abgenötigte Verhalten des Opfers herbeizuführen vermag (vgl 13 Os 152/84 nv). Oder anders ausgedrückt:

da die Strafbestimmung gegen Nötigung dem Schutz freier Willensentschließung und Willensbetätigung dient und nicht darüber hinaus darauf abstellt, ob das abgenötigte Verhalten bestimmte Auswirkungen haben kann, bleibt es für die Tatbestandsverwirklichung grundsätzlich unerheblich, inwieweit eine vom Täter erzwungene (oder zu erzwingen versuchte) Handlung, Duldung oder Unterlassung faktische oder rechtliche Folgen nach sich zu ziehen vermag (vgl 11 Os 95/89; Mayerhofer/Rieder StGB4 § 105 E 11, 11 a und 11 c).

Aus all dem folgt, daß das Erstgericht auf Grund ausreichender Konstatierungen das Verhalten des Beschwerdeführers rechtsrichtig dem Tatbild des Vergehens der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB unterstellt hat. Die (weitgehend nicht gesetzmäßig ausgeführte) Nichtigkeitsbeschwerde war demnach zu verwerfen.

Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten nach §§ 28, 142 Abs 2 StGB zu einer fünfzehnmonatigen Freiheitsstrafe, auf die es (aktengetreu) die Vorhaftzeiten anrechnete. Dabei wertete es als erschwerend sieben (in Wahrheit: neun) auf derselben schädlichen Neigung beruhende Vorstrafen, das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen, den raschen Rückfall, die Alkoholisierung sowie "die aus der Verletzung des Opfers resultierende verstärkte Tatbildmäßigkeit", als mildernd hingegen das Teilgeständnis sowie die teilweise Zustandebringung der (Raub-)Beute.

Unter einem widerrief das Erstgericht die dem Angeklagten mit dem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 13.August 1992, GZ 10 E Vr 2052/91-56, gemäß § 43 a Abs 3 StGB gewährte (teilbedingte) Nachsicht einer dreizehnmonatigen Freiheitsstrafe (171), wobei es diesen Beschluß entgegen der ausdrücklichen Bestimmung des § 494 a Abs 4 zweiter Satz StPO nicht gemeinsam mit dem Urteil, sondern davon getrennt (ON 8) ausfertigte und damit durch Verwendung des - für den Fall der gemeinsamen Verkündung von Urteil und Beschluß nicht vorgesehenen - StPOForm BedV 9 eine die Bestimung des § 498 Abs 3 StPO nicht beachtende fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung erteilte.

Den Strafausspruch bekämpft der Angeklagte als überhöht mit Berufung; zum Widerrufsbeschluß hat er keine Rechtsmittelausführungen eingebracht.

Die Berufung ist nicht begründet.

Entgegen der Ansicht des Rechtsmittelwerbers hat das Erstgericht sowohl die Alkoholisierung als auch die Verletzung des Raubopfers Manuela K***** zutreffend als erschwerend herangezogen. Da nämlich der Angeklagte seit 1988 wiederholt wegen verschiedener Körperverletzungs- und Gewaltdelikte verurteilt wurde, die er jeweils unter dem Einfluß übermäßigen Alkoholgenusses verübt hatte (1 U 2/88 des Jugendgerichtes Graz, 10 E Vr 2188/90 des Landesgerichtes für Strafsachen Graz, 3 U 930/90 des Bezirksgerichtes für Strafsachen Graz und 10 E Vr 2052/91 des Landesgerichtes für Strafsachen Graz), er demnach um dessen schädliche Wirkung auf ihn weiß, und er - dessen ungeachtet - nicht nur vor der inkriminierten Raubtat am 13.Mai 1994 bis gegen Mitternacht dem Alkohol über das verträgliche Maß hinaus zusprach (89 oben, 99 f, 167), sondern auch vor der gefährlichen Drohung erheblich alkoholisiert war (67, 71), überwiegt bei ihm bereits der Vorwurf, daß er sich aus mangelndem sozialem Verantwortungsbewußtsein neuerlich in einen Minderrausch versetzt hat (Leukauf/Steininger aaO § 35 RN 2 f). Auch den Umstand, daß die objektivierten Verletzungen der Manuela K***** (150, 109) unmittelbare (verschuldete) Folge des Herunterreißens der Halsketten waren, muß der Angeklagte (mangels Idealkonkurrenz mit § 83 StGB) mit Recht als Erschwerungsgrund hinnehmen.

Gegen das Vorliegen der vom Berufungswerber zusätzlich reklamierten Milderungsgründe der "besonders verlockenden Gelegenheit" (§ 34 Z 9 StGB) und der "Unbesonnenheit" (§ 34 Z 7 StGB) hinwieder spricht nicht nur die (objektiv zu beurteilende) Artung der Gelegenheit zum Raub (vgl 101, 105, 161, 167), sondern auch die kriminelle Neigung und grundsätzliche Geringschätzung fremder Interessen des Angeklagten (Leukauf/Steininger aaO § 34 RN 13 und 15). Die vom Erstgericht unberücksichtigt (und vom Berufungswerber ungerügt) gebliebene Tatsache, daß es im Faktum 2. beim Versuch des Vergehens geblieben ist, wird allerdings durch das Zusammentreffen eines Verbrechens mit (nunmehr) zwei Vergehen (§§ 31, 40 StGB) weitgehend wieder aufgewogen.

Damit besteht aber auch unter (gebotener) Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB auf das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 6. September 1994 (rechtskräftig seit 10.September 1994), GZ 10 E Vr 2187/94-4, mit dem über den Angeklagten wegen des Vergehens nach § 83 Abs 1 StGB eine zweimonatige Freiheitsstrafe verhängt wurde, wobei diese Tat vor der nunmehrigen Aburteilung begangen wurde, kein Anlaß, die vom Erstgericht geschöpfte, an sich tatschuldangemessene Unrechtsfolge von fünfzehn Monaten Freiheitsstrafe herabzusetzen, weil die im Ergebnis mit siebzehn Monaten bemessene Strafe nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes auch jener entspricht, die bei gemeinsamer Aburteilung der mehreren strafbaren Handlungen ausgesprochen worden wäre (15 Os 113/92 nv).

Schließlich steht auch der erstgerichtliche Beschluß auf Widerruf der teilbedingten Strafnachsicht (§ 494 a Abs 1 Z 4 StPO) mit dem Gesetz im Einklang, weswegen sowohl der gemäß § 498 Abs 3 dritter Satz StPO als dagegen erhoben anzusehenden Beschwerde, als auch der Berufung des Angeklagten ein Erfolg zu versagen war.

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