Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung des Angeklagten wird teilweise und zwar dahin Folge gegeben, daß die verhängte Freiheitsstrafe gemäß dem § 43 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren zur Gänze bedingt nachgesehen wird; im übrigen wird der Berufung des Angeklagten nicht Folge gegeben, desgleichen der Berufung der Staatsanwaltschaft, soweit sie sich gegen das Strafausmaß richtet; mit dem verbleibenden Teil ihrer Berufung wird die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.
Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die von ihm verursachten Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Gastwirt Karl F*** des Verbrechens der versuchten Nötigung zum Beischlaf nach den §§ 15, 202 Abs 1 StGB (Punkt A/ des Urteilssatzes), des Vergehens der Nötigung nach dem § 105 Abs 1 StGB (Punkt B/ des Urteilssatzes) und des Vergehens der Körperverletzung nach dem § 83 Abs 1 StGB (Punkt C/ des Urteilssatzes) schuldig erkannt. Es liegt ihm zur Last, am 5.November 1986 in Senftenegg die Stanislawa O*** A/ mit Gewalt, indem er ihr Faustschläge und Fußtritte versetzte, zum außerehelichen Beischlaf zu nötigen versucht;
B/ mit Gewalt, indem er sie mit einem Sessel von hinten niederschlug, zu einer Unterlassung, nämlich zur Abstandnahme von der Benützung des Telefons, genötigt;
C/ indem er mit einem Holzsessel auf sie einschlug, wodurch sie eine Schädelprellung, zwei Rißquetschwunden, einen Bluterguß am Kinn, Prellungen und Blutergüsse im Bereich der linken Mittelhand und des rechten Handgelenkes erlitt, vorsätzlich am Körper verletzt zu haben.
Rechtliche Beurteilung
Der Angeklagte bekämpft den Schuldspruch mit einer auf die Z 5, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.
In der Mängelrüge nimmt der Angeklagte dagegen Stellung, daß seine das angelastete Vorgehen bestreitenden Einlassungen für widerlegt angesehen und die Tatfeststellungen auf Grund der Aussagen der Zeugin Stanislawa O*** getroffen wurden. Er behauptet dabei überwiegend die Vernachlässigung von Verfahrensergebnissen, ohne in stichhaltiger Weise aufzeigen zu können, daß das Erstgericht tatsächlich erörterungsbedürftige Umstände mit Stillschweigen übergangen hätte. Der bekämpfte erstgerichtliche Ausspruch, wonach er damals ein erotisches Abenteuer suchte und Stanislawa O*** nur als Vorwand eine Arbeit anbot, bezieht sich nach dem ausdrücklichen Inhalt der Entscheidungsgründe gar nicht auf ein bereits ursprüngliches deliktisches Vorhaben und sein späteres Tatverhalten (S 217 unten) und betrifft daher keine für die rechtliche Beurteilung entscheidende Tatsache in der Bedeutung der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO.
Die Feststellung über erotische Hintergedanken des Angeklagten stützte das Erstgericht denkmöglich (und lebensnah) auch auf die Schilderungen des Karl F***, denenzufolge er mit der Zeugin "schmuste" und sie bei einer Gelegenheit "küssen" wollte. In der Urteilsbegründung kommt - entgegen der Beschwerde - in keiner Richtung hin zum Ausdruck, daß es sich hiebei zufolge der unterschiedlichen Bedeutung von "schmusen" und "küssen" um widersprüchliche Darstellungen des Angeklagten handle und daher die gesamte Verantwortung von den Tatrichtern für unglaubwürdig gehalten wurde. Somit bekämpft das Beschwerdevorbringen, welches eine derartige Beweisführung unterstellt, insoweit eine im Ersturteil nicht enthaltene Schlußfolgerung.
Nicht berechtigt sind auch die Beschwerdebehauptungen, daß die Zeugin Stanislawa O*** bei drei verschiedenen Befragungen (vor der Gendarmerie am 7.November 1986 sowie in den Hauptverhandlungen am 16. September 1987 und am 10.Februar 1988) ein und denselben Vorfall - nämlich ein vom Erfassen ihrer Hand begleitetes Ansinnen des Angeklagten, ihn durch Masturbation zu befriedigen - in einer Weise unterschiedlich schilderte, die der Annahme ihrer Glaubwürdigkeit zuwiderlaufe. Zunächst ist es nicht aktengetreu, daß Stanislawa O*** vor der Gendarmerie ein solches Vorgehen des Angeklagten beschrieben hätte, weil die betreffende Niederschrift keine derartige Schilderung enthält. Der in der Beschwerde herangezogene Vorwurf der Stanislawa O***, daß der Angeklagte sie aufforderte, ihn mit der Hand zu befriedigen, findet sich im Zug der insoweit detaillierteren Vernehmung durch den Untersuchungsrichter (S 57). Mit dieser Schilderung stimmen die Angaben der Zeugin in der Hauptverhandlung am 16.September 1987 im wesentlichen überein (S 82). Bei der gebotenen Gesamtbetrachtung sind - wie die Generalprokuratur zutreffend darlegt - in den vom Beschwerdeführer bezeichneten Protokollen keine miteinander unvereinbaren Geschehnisbehauptungen nach Art aufklärungsbedürftiger Widersprüche enthalten, sondern im unterschiedlichen Ausmaß einerseits Detailschilderungen sowie anderseits zusammenfassende Darstellungen, ohne daß das Fehlen völliger Deckungsgleiche in nebensächlichen Umständen einen Hinweis auf die Unrichtigkeit der gesamten Tatschilderung bilden oder die Auffassung des Schöffengerichtes von der wesentlichen Übereinstimmung der Angaben der Stanislawa O*** bei ihren verschiedenen Vernehmungen in Frage stellen könnte. Schließlich versagt auch der weitere Beschwerdevorwurf, daß der Gendarmeriebericht über die Persönlichkeit der Stanislawa O*** betreffende Nachtragserhebungen (ON 24) unbeachtet geblieben sei. Dieses Beweisergebnis wurde nämlich vom Schöffengericht bei Würdigung der Beweiskraft der Aussage der Stanislawa O*** ins Kalkül gezogen und als Nachweis einer überdurchschnittlichen Aggressionsneigung gewertet (S 219). Die Mängelrüge erweist sich sohin in keiner Richtung als begründet.
Als materielle Nichtigkeit nach der Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO wendet die Beschwerde vorerst gegen den Schuldspruch wegen Nötigung ein, daß der Telefonierversuch der Stanislawa O*** schon wegen einer am Apparat angebrachten Sperrvorrichtung nicht zielführend war und daher die Gewaltmaßnahmen des Angeklagten zur Verhinderung der Telefonbenützung eine widmungsgemäße Fernsprecherbetätigung gar nicht vereiteln konnten. Da jedoch die Strafbestimmung gegen Nötigung dem Schutz freier Willensentschließung und Willensbetätigung dient und nicht darüber hinaus darauf abstellt, ob das abgenötigte Verhalten bestimmte Auswirkungen haben kann, bleibt es für die Tatbestandsverwirklichung grundsätzlich unerheblich, inwieweit eine vom Täter erzwungene Handlung, Duldung oder Unterlassung faktische oder rechtliche Effekte nach sich zu ziehen vermag (Mayerhofer-Rieder, StGB3, ENr. 11 und 11 a zu § 105). Demnach fällt das gewaltsame Erzwingen der Unterlassung einer angestrebten Telefonbenützung selbst dann unter den Tatbestand der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB, wenn auch ohne Zutun des Täters die Fernsprechverbindung nicht zustandegekommen wäre.
Der weitere, inhaltlich von einer Nichtigkeit nach der Z 10 des § 281 Abs 1 StPO ausgehende Einwand, daß durch die Verurteilung wegen Nötigung auch die anläßlich der nötigenden Gewaltanwendung verübte Körperverletzung erfaßt und insoweit ein gesonderter Schuldspruch wegen des Vergehens der Körperverletzung (Punkt C/ des Urteilssatzes) infolge Konsumtion unzulässig sei, erweist sich ebenfalls als rechtlich verfehlt. Da die Gewaltanwendung nicht das alleinige Begehungsmittel einer Nötigung darstellt, eine derartige Begehungsart auch nicht regelmäßig zu einer Körperverletzung des Opfers führt und ferner für den Eintritt einer solchen Tatfolge der Nötigung keine höhere Strafdrohung vorgesehen ist, muß gegebenenfalls - wie hier - zur Erfassung des gesamten Unrechtsgehalts der Tat eintätiges Zusammentreffen von Nötigung und Körperverletzung angenommen werden (SSt 46/79 und 50/26). Mit der abschließenden, auf Z 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Rüge, es liege nur eine Notwehrüberschreitung vor, verläßt der Beschwerdeführer den Boden der Urteilstatsachen und sucht an seine als widerlegt angesehene Verantwortung anzuknüpfen. Solcherart gelangt aber der angerufene materiellrechtliche Nichtigkeitsgrund nicht zur prozeßordnungsmäßigen Ausführung, weil hiefür ein Festhalten an den erstgerichtlichen Feststellungen und die Darlegung erforderlich ist, daß dem Erstgericht bei der rechtlichen Beurteilung eben dieses Sachverhalts ein Fehler unterlief. Der in Wahrheit von einer anderen Lösung der Tatfrage ausgehende Einwand des Beschwerdeführers ist einer weiteren sachbezogenen Erwiderung somit nicht zugänglich.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach dem § 202 Abs 1 StGB unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB und gemäß den §§ 31, 40 StGB unter Bedachtnahme auf das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten vom 14.Jänner 1988, GZ 16 E Vr 1.614/86-11 (§ 83 Abs 1 StGB; 60 Tagessätze zu je 100 S) eine Zusatz-Freiheitsstrafe in der Dauer von neun Monaten und sah hievon gemäß dem § 43 a Abs 3 StGB sechs Monate unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nach.
Bei der Strafbemessung wertete es die einschlägigen Vorstrafen sowie das Zusammentreffen eines Verbrechens mit zwei Vergehen (richtig: drei Vergehen) als erschwerend und berücksichtigte demgegenüber den Umstand, daß es beim Verbrechen der Nötigung zum Beischlaf beim Versuch blieb, als mildernd.
Den Strafausspruch bekämpfen der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft mit Berufung, wobei der Angeklagte die Herabsetzung und (gänzliche) bedingte Nachsicht der verhängten Freiheitsstrafe, die Staatsanwaltschaft die Erhöhung der Freiheitsstrafe - "unter Ausschaltung des § 43 a Abs 3" - begehren. Nur die Berufung des Angeklagten ist teilweise begründet. Was zunächst die Frage der Strafhöhe anlangt, so würdigte das Erstgericht die gegebenen Strafzumessungsgründe im wesentlichen ihrem tatsächlichen Gewicht nach und fand nach Lage des Falles ein tatschuldadäquates Ausmaß, das in keiner Richtung hin zu einer Abänderung Anlaß bietet.
Den bezüglichen Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft war daher der Erfolg zu versagen. Berechtigung kommt der Berufung des Angeklagten jedoch insofern zu, als er die bedingte Nachsicht der ganzen Strafe anstrebt. Die drei einschlägigen Vorstrafen stehen zwar einer Reduktion der Strafhöhe entgegen, liegen aber bereits mehrere Jahre zurück, wurden nur in Geld ausgemessen und fallen von der Tatschuld her nicht derart ins Gewicht, daß nunmehr aus Anlaß der erstmaligen Verhängung einer mehrmonatigen Freiheitsstrafe bereits ein Teil unbedingt ausgesprochen werden müßte. Vor allem in Anbetracht der angedrohten Strafhöhe ist anzunehmen, daß sich Karl F*** auch ohne Strafvollzug bewähren wird. Generalpräventive Bedenken gegen den Umfang der begehrten Rechtswohltat liegen nicht vor.
In Stattgebung des diesbezüglich begründeten Teils der Berufung des Angeklagten war daher die bedingte Nachsicht der gesamten Strafe auszusprechen.
Die Staatsanwaltschaft war mit ihrer Berufung auf diese Entscheidung zu verweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)