OGH 15Os14/24h

OGH15Os14/24h17.4.2024

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. April 2024 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Dr. Mann und Dr. Sadoghi sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Riffel in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Weißmann in der Strafsache gegen * M* und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 2 Z 1 (iVm Abs 1 Z 1), 130 Abs 3 (iVm Abs 1 erster Fall), 15 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten * G* gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Schöffengericht vom 24. November 2023, GZ 46 Hv 56/23f‑152, sowie über die Beschwerde des Angeklagten G* gegen den zugleich ergangenen Beschluss gemäß § 494a Abs 6 StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0150OS00014.24H.0417.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

 

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in Ansehung der Angeklagten * M* und * G* im Verfallserkenntnis aufgehoben und es wird die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Leoben verwiesen.

Die Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde kommt dem Oberlandesgericht Graz zu.

Dem Angeklagten G* fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen, auch einen unbekämpft in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruch des Angeklagten * M* enthaltenden Urteil wurde * G* – ebenso wie Ersterer – des Verbrechens des (richtig:) schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 2 Z 1 (iVm Abs 1 Z 1), 130 Abs 3 (iVm Abs 1 erster Fall), 15 StGB (I./) und des Vergehens der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 3 StGB (II./) schuldig erkannt.

[2] Danach haben sie in M* und andernorts „im bewussten und gewollten Zusammenwirken“

I. von Herbst 2020 bis 13. Februar 2023 in mehr als 45 Angriffen den im Urteil genannten Personen auf dort näher beschriebene Weisefremde bewegliche Sachen in einem 5.000 Euro übersteigenden Wert von insgesamt zumindest 102.094,67 Euro überwiegend durch Einbruch in Wohnstätten mit dem Vorsatz weggenommen oder wegzunehmen versucht, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei sie in der Absicht handelten, sich durch die wiederkehrende Begehung gleichgelagerter Einbruchsdiebstähle in Wohnstätten längere Zeit hindurch ein nicht bloß geringfügiges, im monatlichen Durchschnitt 400 Euro übersteigendes fortlaufendes Einkommen zu verschaffen, und bereits zwei solche Taten begangen hatten, und M* die Tatausführung unmittelbar vor Ort vornahm und – bei den Einbrüchen in Wohnstätten – die Haupteingangstür mit einem „Postschlüssel“ öffnete und die Schließzylinder der Wohnungstüren abdrehte, um ins Innere zu gelangen, während G* „ihn teils zu den Tatorten brachte, nach den Tathandlungen mit dem PKW abholte und sie gemeinsam das Diebesgut abtransportierten, lagerten und verwerteten“,

II. zwischen 9. Februar 2023 und 13. Februar 2023 ein unbares Zahlungsmittel, über das sie nicht oder nicht alleine verfügen durften, mit dem Vorsatz, dessen Verwendung im Rechtsverkehr zu verhindern, unterdrückt, indem M* im Zuge des Einbruchsdiebstahls zum Nachteil der * P* deren Mastercard an sich nahm.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die dagegen vom Angeklagten G* aus § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a und 10 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht berechtigt.

[4] Die Mängelrüge bezeichnet die Urteilsbegründung als undeutlich, unvollständig und widersprüchlich (nominell Z 5 erster, zweiter und dritter Fall, inhaltlich bloß Z 5 erster Fall) und bringt vor, dass mit Blick auf die Feststellungen, wonach der Rechtsmittelwerber den Angeklagten M* „teils“ mit dem PKW zu den Tatorten brachte und ihn „teils“ abholte, unklar bleibe, worin seine „individualisierten Tathandlungen bzw Beitragshandlungen in Bezug auf die jeweils einzelnen im Detail festgestellten 37 Urteilsfakten gelegen wären“.

[5] Der Rechtsmittelwerber übergeht jedoch die Feststellung, wonach er die Einbrüche mitorganisierte (US 16). Die Mängelrüge ist aber nur dann gesetzmäßig ausgeführt, wenn sie die Gesamtheit der Entscheidungsgründe berücksichtigt (RIS‑Justiz RS0119370). Entgegen dem weiteren Vorbringen lässt das angefochtene Urteil auch nicht offen, ob der Nichtigkeitswerber „erst nach Vollendung des Diebstahls zur Unterstützung den Abtransport zugesagt oder durchgeführt habe“.

[6] Die Mängelrüge (Z 5) erstattet bloß ein Vorbringen nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung, indem sie auf die Urteilsbegründung verweist, wonach der in der Hauptverhandlung als Zeuge vernommene Polizeibeamte von „Massen an Diebsgut“ in dem vom Rechtsmittelwerber bewohnten Haus sprach (US 16), und ausführt, der Beamte habe bloß von einer solchen Menge an Kleidung und Kosmetikartikeln gesprochen, welche der Angeklagte M* kofferweise abpackte.

[7] Die Nichtigkeitsbeschwerde behauptet Widersprüchlichkeit (Z 5 dritter Fall), weil das Erstgericht den Rechtsmittelwerber als „Drahtzieher hinter den Einbrüchen“ bezeichnet und ihn „gleichzeitig als Mitorganisator und nicht als Hauptorganisator“ ansieht (US 16). Auch dieses Vorbringen übt bloß unzulässige Beweiswürdigungskritik und bezieht sich überdies auf keine entscheidende Tatsache (RIS-Justiz RS0106268, RS0089433 [T1, T4]).

[8] Das gilt auch für das Vorbringen zur Aussage der als Zeugin vernommenen Mutter des Rechtsmittelwerbers, welche offensichtlich „schon etwas von den Machenschaften der Angeklagten mitbekommen“ habe (US 16), und zu den Erwägungen des Erstgerichts zur Verwertung von Diebesgut durch Verkauf am M* in W* und zur Aussage der Zeugin ON 30.3 betreffend deren Wahrnehmungen zum Verpacken und zum Abtransport des Diebesguts (vgl US 15 bis 19).

[9] Dass sich der Rechtsmittelwerber während des Tatzeitraums zeitweise im Krankenhaus aufhielt oder in Haft befand, haben die Tatrichter – entgegen dem Vorbringen der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) – erwogen (US 18).

[10] Es stellt keinen Begründungsmangel im Sinn der Z 5 her, dass die Urteilsbegründung betreffend den sichergestellten Chatverlauf (US 20) dem Angeklagten nicht tragfähig erscheint.

[11] Die Deponate des Angeklagten M* betreffend angebliche Sehschwierigkeiten des Rechtsmittelwerbers haben die Tatrichter berücksichtigt, aber für nicht glaubwürdig erachtet (US 17), was von der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) übergangen wird.

[12] Soweit die Mängelrüge die vom Erstgericht vorgenommene vernetzte Betrachtung der objektiven Beweisergebnisse (US 22) für nicht hinreichend erachtet (Z 5 vierter Fall), verkennt sie, dass nicht nur zwingende, sondern auch Wahrscheinlichkeitsschlüsse das Gericht nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung zu Tatsachenfeststellungen berechtigen (RIS‑Justiz RS0098362).

[13] Inwiefern es den Konstatierungen zur subjektiven Tatseite (US 14) angesichts der zum Tatgeschehen – teils durch zulässigen Verweis auf den Urteilstenor (vgl RIS-Justiz RS0098936 [T15]) – getroffenen Feststellungen (US 12 bis 16) am Sachverhaltsbezug fehlen sollte (vgl RIS‑Justiz RS0119090), macht die Rechtsrüge (Z 9 lit a) – entgegen der Stellungnahme der Generalprokuratur – nicht klar.

[14] Die Subsumtionsrüge (Z 10, nominell auch Z 9 lit a) zielt auf einen Schuldspruch wegen Hehlerei ab, orientiert sich aber prozessordnungswidrig nicht am festgestellten Sachverhalt (vgl RIS‑Justiz RS0099810), indem sie vorbringt, aus dem Urteil ergebe sich nicht, dass die inkriminierten Verabredungen jeweils vor den Diebstahlshandlungen stattgefunden hätten (vgl jedoch US 12 ff).

[15] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde folgt (§ 285i StPO).

[16] Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof jedoch davon (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO), dass dem Urteil in Ansehung des Verfallsausspruchs eine sich zum Nachteil beider Angeklagten auswirkende Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 11 erster Fall anhaftet, auf welche die Generalprokuratur in ihrer Stellungnahme zutreffend hinweist.

[17] Das Erstgericht erklärte „gemäß § 20 Abs 1 StGB“ einen „Betrag von EUR 95.369,99 sowie die sichergestellten Gegenstände laut Faktum I.38. für verfallen“ (US 10). Den Urteilsannahmen zufolge erbeuteten die Angeklagten arbeitsteilig durch die Begehung von Diebstählen, überwiegend „durch Einbruch in Wohnstätten, fremde Sachen, nämlich die im Tenor angeführten Bargeldbeträge und Wertgegenstände, in dem ebenfalls im Spruch im Detail angeführten Wert“ (US 13). Somit kann zumindest aus den Entscheidungsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) erschlossen werden (vgl RIS‑Justiz RS0116587), dass dieser Ausspruch die Angeklagten betrifft.

[18] Obwohl sich das gesamte Verfallserkenntnis auf § 20 Abs 1 StGB stützt, spricht es in Bezug auf den Betrag von 95.369,99 Euro – der Sache nach – Wertersatz für jene Vermögenswerte aus, die durch die von den Schuldsprüchen umfassten Taten erlangt und nicht sichergestellt wurden. Damit ist das Erkenntnis inhaltlich insoweit als Verfallsausspruch nach § 20 Abs 3 StGB aufzufassen (zuletzt 11 Os 43/23t).

[19] Ebenso wie dem Verfall unterliegende Vermögens- (§ 20 Abs 1 StGB) und Ersatzwerte (§ 20 Abs 2 StGB) darf auch der Wertersatz (§ 20 Abs 3 StGB) nur dem tatsächlichen Empfänger mittels Verfall abgenommen werden (11 Os 43/23t, 13 Os 97/23y). Sind daher Vermögenswerte mehreren Personen im Sinn des § 20 Abs 1 StGB zugekommen, so ist bei jedem dieser Empfänger nur der dem jeweils tatsächlich rechtswidrig erlangten Vermögenswert entsprechende Betrag für verfallen zu erklären (RIS‑Justiz RS0129964). Demzufolge ist Kumulativ- oder Solidarhaftung mehrerer Personen nach § 20 StGB gleichermaßen verfehlt wie, einer Person allein den Wertersatz für mehreren Personen zugekommene Vermögenswerte aufzuerlegen (11 Os 43/23t). Feststellungen, welcher Angeklagte welche Vermögenswerte deliktisch erlangt (vgl RIS‑Justiz RS0134603) hat, enthält das Urteil nicht.

[20] Das Verfallserkenntnis war daher aufzuheben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Leoben zu verweisen (§ 285e StPO).

[21] Die Kostenentscheidung, welche die amtswegige Maßnahme nicht umfasst (vgl Lendl,WK‑StPO § 390a Rz 12),gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte