OGH 15Os14/10p

OGH15Os14/10p26.5.2010

Der Oberste Gerichtshof hat am 26. Mai 2010 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek, Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Gotsmy als Schriftführer in der Strafsache gegen Andreas L***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 2 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 29. September 2009, GZ 27 Hv 109/09d-42, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Andreas L***** (zu I.) des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 2 Z 3 SMG, 15 StGB als Beteiligter nach § 12 dritter Fall StGB sowie der Vergehen (zu II. 1.) des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG und (zu II. 2.) des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 15 StGB, § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall und Abs 3 SMG schuldig erkannt.

Danach hat er in Innsbruck, Rum und anderen Orten

I. zur Tatausführung des abgesondert verfolgten Manfred L*****, der im Zuge von zumindest zwei jeweils unter Verwendung eines LKW der Marke F*****, amtliches Kennzeichen *****, durchgeführten Schmuggelfahrten vorschriftswidrig Suchtgift in einer unbekannten, das 15-fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) insgesamt aber jedenfalls übersteigenden und damit großen Menge ausgehend von Holland über Deutschland aus Deutschland aus- und nach Österreich einführte, beigetragen, indem er gemeinsam mit Manfred L***** den angeführten LKW bei der Firma „B*****“ anmietete, den Mietvertrag mehrfach verlängerte und den abgesondert verfolgten Norbert M***** dazu bewog, die Kaution für den Mietvertrag in Höhe von 800 Euro zu bezahlen, und zwar:

1. in der Zeit zwischen 21. und 27. Jänner 2009, woraufhin Manfred L***** zu einem unbekannten Zeitpunkt im Februar 2009 eine Suchtgiftbeschaffungsfahrt durchführte, im Zuge derer er eine unbekannte, die Grenzmenge (§ 28b SMG) aber jedenfalls mehrfach übersteigende Menge Kokain von Holland über Deutschland nach Österreich schmuggelte;

2. in der Zeit zwischen 11. und 23. Februar 2009, woraufhin Manfred L***** am 13. März 2009 eine Suchtgiftbeschaffungsfahrt durchführte, im Zuge derer er Kokain mit einem Nettogewicht von 566,39 Gramm und einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von ca 35,27 % (reines Kokain 199,74 Gramm) von Holland über Deutschland nach Österreich schmuggelte, wobei die Tat beim Versuch blieb;

II. vorschriftswidrig Suchtgift erworben, besessen und anderen überlassen, und zwar:

1. zu einem unbekannten Zeitpunkt im Sommer 2008 durch Erwerb einer unbekannten Menge Kokain von einem Unbekannten und deren Besitz;

2. zu unbekannten Zeitpunkten in der Zeit zwischen zumindest Februar 2009 bis zum 13. März 2009 durch den versuchten gewerbsmäßigen Verkauf einer unbekannten, die Grenzmenge (§ 28b SMG) im Zweifel nicht übersteigenden Teilmenge des unter Punkt I. 1. angeführten, geschmuggelten Kokains an namentlich nicht bekannte Abnehmer.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Schuldspruch richtet sich die auf Z 4, 5 und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten; sie geht fehl.

Durch die Abweisung des in der Hauptverhandlung gestellten Antrags auf Vernehmung des Zeugen Manfred L***** „per Videokonferenz zum Beweis dafür, dass der Angeklagte mit diesen Suchtgiftlieferungen nichts zu tun hat“ (S 15 in ON 41), wurden der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider Verteidigungsrechte nicht verletzt, enthält dieses Begehren doch weder Ausführungen, weshalb der Genannte trotz der im Zuge der vorangehenden Rechtshilfevernehmung abgegebenen Erklärung, zu einer Aussage nicht bereit zu sein (S 1 und 3 in ON 40), nunmehr einer Befragung zustimmen sollte, noch die Behauptung, dem Zeugen stehe ein Entschlagungsrecht (nach § 156 Abs 1 Z 1 StPO) gar nicht zu (vgl Kirchbacher, WK-StPO § 159 Rz 28, § 246 Rz 181; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 362). Das Begehren erschöpft sich daher in unzulässiger Erkundungsbeweisführung (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 330 f).

Die im Rechtsmittel zur Antragsfundierung nachgetragenen, überdies bloß spekulativen Überlegungen, es wäre dem Gericht ohne weiteres möglich gewesen, an L***** Fragen in der Weise zu stellen, dass er in der Lage gewesen wäre, sie wahrheitsgemäß so zu beantworten, dass sie den Angeklagten entlasten und er sich selbst auch dann nicht belasten müsste, wenn er aussagt, sind prozessual verspätet und somit unbeachtlich, weil die Berechtigung eines Antrags stets auf den Antragszeitpunkt bezogen zu prüfen ist (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 325).

Der Vorwurf, die Quellen der vertraulichen Informationen der Polizei betreffend den Schuldspruch II. 2., auf die sich das Urteil stütze, seien in der Hauptverhandlung weder erörtert noch diese Beweise vorgeführt worden, sohin mangelhafter Beweiserhebung, ist nicht Gegenstand der Mängelrüge (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 457; 11 Os 62/07p).

Dem Einwand fehlender Begründung (Z 5 vierter Fall) zuwider hat das Erstgericht die zu II. 2. angenommene gewerbsmäßige Intention des Angeklagten aus seinen damaligen Vermögensverhältnissen und ebenso wie Tatzeitraum und - nicht näher bestimmten (vgl US 2) - Tatort, die überdies im vorliegenden Fall keine entscheidenden Tatsachen darstellen, aus der Aussage des Zeugen Norbert M***** erschlossen (vgl US 8, 12 f).

Dass nicht nur eine geringe Menge Kokain aus Holland nach Österreich gebracht werden sollte, haben die Tatrichter entgegen den abschließenden Ausführungen der Mängelrüge eingehend begründet (US 8 bis 12, insbesondere 11) und dabei auch die Aussage des Zeugen M*****, der Angeklagte habe ihm erzählt, dass die Anmietung des Fahrzeugs zum Verkauf von Trachtenmode erfolgt sei, keineswegs mit Stillschweigen übergangen, sondern sehr wohl in ihre Überlegungen miteinbezogen (US 10 zweiter Absatz).

Die pauschale Behauptung der Subsumtionsrüge (Z 10), aufgrund der Verantwortung des Angeklagten und seiner Vorstrafenbelastung seien Feststellungen indiziert gewesen, die Suchtgiftdelikte seien überwiegend mit seiner Gewöhnung an Kokain im Zusammenhang gestanden, lässt jegliche Bezugnahme auf konkrete Verfahrensergebnisse vermissen, die auf die kumulativen Voraussetzungen der §§ 27 Abs 5 bzw 28a Abs 3 SMG hingewiesen hätten; damit verfehlt sie jedoch den vom Gesetz geforderten Bezugspunkt (vgl RIS-Justiz RS0099689). Im Übrigen sei darauf hingewiesen, dass der Angeklagte in der Hauptverhandlung selbst angegeben hat, bereits seit Sommer 2008 kein Suchtgift mehr konsumiert zu haben (S 3 in ON 41).

Anzumerken ist, dass der Angeklagte nach den erstgerichtlichen Feststellungen zu einem unbekannten Zeitpunkt im Sommer 2008 eine unbekannte Menge Kokain für den Eigenkonsum erworben und besessen hat (US 3, 5, 8). Dennoch sprachen ihn die Tatrichter des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG schuldig (II. 1.), obwohl die privilegierende Strafbestimmung des § 27 Abs 2 SMG zur Anwendung hätte kommen müssen, hat der Angeklagte das den Schuldspruch II.1. betreffende Suchtgift doch ausschließlich zum persönlichen Gebrauch erworben und besessen.

In Ansehung der richtig nach § 28a Abs 2 SMG vorgenommenen Strafzumessung blieb dies aber ohne nachteilige Auswirkung für den Angeklagten, sodass es keinen Vorgehens nach § 290 Abs 1 StPO bedarf (Ratz, WK-StPO § 290 Rz 22 f), zumal keine - dem Berufungswerber zum Nachteil gereichende - Bindung des Oberlandesgerichts an den Ausspruch des Erstgerichts über das anzuwendende Strafgesetz nach § 295 Abs 1 erster Satz StPO besteht (RIS-Justiz RS0118870).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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