OGH 15Os141/04

OGH15Os141/043.3.2005

Der Oberste Gerichtshof hat am 3. März 2005 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker, Dr. Zehetner, Dr. Danek und Dr. Kirchbacher als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kain als Schriftführerin in der Strafsache gegen Herbert W***** wegen des Finanzvergehens nach § 33 Abs 1 FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 19. Juli 2004, GZ 39 Hv 99/04i-95, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Herbert W***** (im zweiten Rechtsgang) des Vergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG schuldig erkannt.

Danach hat er zumindest in den Jahren 1994 bis 1998 im Bereich des Finanzamtes Innsbruck als verantwortlicher Geschäftsführer der Firma H***** vorsätzlich unter Verletzung der abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht Verkürzungen an Umsatzsteuer, Kapitalertragssteuer und Körperschaftssteuer um insgesamt zumindest 453.396,02 Euro bewirkt.

Rechtliche Beurteilung

Die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel. Der Antrag (Z 4) auf „Einholung der Originallieferscheine und Vergleich dieser Lieferscheine mit den vom Sachverständigen eingesehenen Ladelisten zum Beweis dafür, dass eine Identität von Ladelisten und Originallieferscheinen und damit tatsächlicher Warenlieferung nicht gegeben ist" (S 55, 62, 87/III, 87/III), wurde zu Recht abgelehnt (S 57, 87/III, US 19).

Soweit nämlich der vom Sachverständigen (in weitgehender Übereinstimmung mit den finanzbehördlichen Ermittlungen) anhand von Auftragsscheinen und korrespondierenden „Ladelisten" der B***** AG eruierte Bierbezug durch den Betrieb des Angeklagten (ON 50 iVm ON 89 und S 47 ff/III; US 4 ff) in Frage gestellt werden sollte, ließ das Begehren die gebotene Darlegung vermissen, weshalb die „Beischaffung" von nur als Mikroverfilmung vorhandenen, nicht auf den wahren Empfänger lautenden („Gemeinde"; US 6), für sich allein nicht zuordenbaren und bei Erhalt der steuerlich nicht deklarierten Ware großteils nicht oder mit einem Pseudonym abgezeichneten Lieferscheinen (US 18) sowie deren beantragter Vergleich einen gegen die Warenlieferungen sprechenden Beweis hätte erbringen können. Das mit unsubstanziierter Bestreitung der Zuverlässigkeit der vom Sachverständigen eingesehenen Erkenntnisgrundlagen verbundene Verlangen, von den Tatrichtern mit plausibler Begründung als nicht aussagekräftig befundene Unterlagen (US 18 f) beizuschaffen, um die Angaben des Experten zu überprüfen, zielte auf einen unzulässigen Erkundungsbeweis ab. Solcherart wurde nämlich nur eine Beweisergänzung in der nicht indizierten Erwartung eines für den Antragsteller günstigeren Ergebnisses begehrt (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 351).

Die Beurteilung, ob das - von Mängeln im Sinn der §§ 125, 126 StPO freie - Gutachten ausreichend und schlüssig ist, oblag als Beweisfrage den Tatrichtern.

Mit dem Einwand, durch „Anklageerhebung, ohne dass rechtskräftige Abgabenbescheide für den inkriminierten Zeitraum vorlagen", seien die im § 281 Abs 1 Z 4 StPO angeführte Grundsätze hintangesetzt worden, weil „zur Feststellung zu zahlender Abgaben einzig und allein die Verwaltungsbehörde zuständig sei und vor Aufhebung des § 55 FinStrG (durch BGBl Nr 421/1996) die Durchführung einer Hauptverhandlung vor endgültiger Abgabenfestsetzung rechtswidrig war", bezieht sich der Beschwerdeführer gar nicht auf einen Antrag oder Widerspruch in der Hauptverhandlung und demnach nicht auf die Voraussetzungen des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes.

Abgabenbescheiden und den ihnen zu Grunde liegenden Abgabenverfahren kommt für gerichtliche Finanzstrafverfahren nur die Bedeutung einer - wenn auch qualifizierten - Vorprüfung der Verdachtslage in Ansehung der objektiven Tatseite des inkriminierten Finanzvergehens zu, zu deren eigenständiger Nachprüfung das Gericht mit allen ihm auch sonst nach den Verfahrensvorschriften zu Gebote stehenden Mitteln nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet ist (RIS-Justiz RS0087198). Bei der in der Mängelrüge als aktenwidrig (Z 5 fünfter Fall) bezeichnete Urteilspassage über die Anzahl der Fälle, in welchen auf Grund von „Schwarzbierlieferungen" Betriebsprüfungen durchgeführt und Steuern nachgefordert wurden (US 7), handelt es sich nicht um eine Wiedergabe des Inhalts einer bei den Akten befindlichen Urkunde oder einer Aussage, sondern um eine von den Tatrichtern getroffene Feststellung. Nur die bezeichnete Wiedergabe, nicht aber Feststellungen können nach dem klaren Gesetzeswortlaut (Z 5 fünfter Fall) Gegenstand des geltend gemachten Begründungsmangels sein (vgl Ratz in WK-StPO § 281 Rz 461 f).

Ebenso wenig werden mit dem urteilsfremden Einwand, die Weigerung des Angeklagten, Parteienvertreter im Sinne des § 152 Abs 1 Z 4 StPO „von der gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht zu entbinden", wäre „zumindest indirekt" gewürdigt worden, und mit der nicht nachvollziehbaren Mutmaßung, das Erstgericht habe „offenkundig Aussagen von Zeugen verwertet, welchen ungeachtet der gegenteiligen Behauptung eines Zeugen (S 43(I) ein Entschlagungsrecht nach § 152 Abs 1 Z 1 StPO nicht gewährt wurde", Begründungsfehler aufgezeigt. Weshalb Angaben des (als Betriebsprüfer tätig gewesenen) Zeugen Alexander G***** (S 27 f, 85 ff/I) nicht hätten verwerten werden sollen (US 3, 10, 15), legt die Rüge, die bloß unsubstanziiert „Widersprüche" und „mangelnde Erinnerungsfähigkeiten" dieses Zeugen behauptet, nicht dar.

Keine erheblichen Bedenken (Z 5a) gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zu Grunde liegenden Urteilsannahmen ergeben sich aus der Tatsachenrüge. Diese verweist primär auf die „theoretische Möglichkeit", dass das „von der Finanz" zur Zuordnung der steuerlich nicht deklarierten Bierlieferungen entwickelte System unter bestimmten Prämissen („Zusammenspiel zwischen Kellner/für die Bestellung zuständiger Sachbearbeiterin bei der B***** AG/Bierführer") unzuverlässig sein könnte, auf die leugnende Verantwortung des Angeklagten sowie auf für ihn günstige (vom Erstgericht allerdings mit eingehender Begründung als unglaubwürdig beurteilte, US 15) Zeugenaussagen und fordert erneut die „Einholung der mikroverfilmten Originallieferscheine (schwarz wie weiß)". Damit orientiert sich die Tatsachenrüge nicht an den gegebenen Anfechtungsmöglichkeiten.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der die Argumente der Nichtigkeitsbeschwerde lediglich mehrfach wiederholenden Äußerung des Verteidigers - bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Gerichtshofs zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte