OGH 15Os14/02

OGH15Os14/024.4.2002

Der Oberste Gerichtshof hat am 4. April 2002 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder, Dr. Schmucker, Dr. Zehetner und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Reiter als Schriftführer, in der Strafsache gegen Franz Alois A***** wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 17. September 2001, GZ 9 Hv 1033/01k-18, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Franz Alois A***** des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB (I) sowie der Vergehen der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (II 1), der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 und Abs 4 erster Fall StGB (II 2) und des Imstichlassens eines Verletzten nach § 94 Abs 1 StGB (II 3) schuldig erkannt.

Danach hat er in Feldkirchen bei Graz

I. am 10. August 2000 als vom Landeshauptmann gemäß § 57a Abs 2 KFG zur wiederkehrenden Begutachtung von Kraftfahrzeugen oder Anhängern ermächtigter Gewerbetreibender, sohin als Beamter, mit dem Vorsatz, den Staat in seinem Recht auf Überprüfung der Verkehrs- und Betriebssicherheit zugelassener Personenkraftwagen zu schädigen, seine Befugnis im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, dadurch wissentlich missbraucht, dass er ohne Überprüfung am Fahrzeug der Christine K***** eine Begutachtungsplakette gemäß § 57a Abs 4 und 5 KFG anbrachte und dieser ein Gutachten ausfolgte;

II. am 28. April 2001

1. eine fremde Sache, nämlich das Mobiltelefon der Mojca M*****, durch wiederholte Hiebe und Stiche mit einem Küchenmesser zerstört und dadurch einen Schaden von 3.200 S herbeigeführt;

2. Mojca M***** im Verlaufe der zu II. 1. beschriebenen Tathandlung dadurch fahrlässig am Körper verletzt, dass er durch einen Schnitt mit dem Messer das letzte Viertel vom Endglied des Zeigefingers an deren linker Hand abtrennte, wobei die Tat eine schwere Körperverletzung zur Folge hatte;

3. es unterlassen, der Mojca M*****, deren Verletzung er durch die zu Punkt II. 2. angeführte Tathandlung verursacht hatte, die erforderliche Hilfe zu leisten.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil gerichtete, auf § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist nicht im Recht.

Die Mängelrüge (Z 5) macht zu den Urteilsfakten I. und II. 2. Unvollständigkeit und offenbar unzureichende Begründung geltend. Ihr ist zunächst entgegenzuhalten, dass gemäß § 270 Abs 2 Z 5 StPO das Gericht verpflichtet ist, in gedrängter Darstellung, aber mit voller Bestimmtheit anzugeben, welche Tatsachen und aus welchen Gründen es diese als erwiesen oder nicht erwiesen angenommen hat, sowie von welchen Erwägungen es bei der Entscheidung der Rechtsfrage und bei der Beseitigung der vorgebrachten Einwendungen geleitet wurde. Es ist aber nicht gehalten, den vollständigen Inhalt sämtlicher Aussagen von Angeklagten und Zeugen sowie sämtliche Verfahrensergebnisse schlechthin zu erörtern und darauf zu untersuchen, wie weit die einzelnen Angaben oder sonstigen Beweisergebnisse für oder gegen diese oder jene Darstellung sprechen. Überdies ist es nicht in der Lage, sich bei Würdigung von Aussagen oder sonstigen Beweisergebnissen von vornherein mit allen vom Beschwerdeführer erst nachträglich mit dem Rechtsmittel ins Treffen geführten Gesichtspunkten zu befassen (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 5 E 7f).

Ein Begründungsmangel im Sinne des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes liegt vor, wenn die behauptete Unvollständigkeit entscheidende Tatsachen betrifft, das sind jedoch nur solche, die für das Erkenntnis in der Schuldfrage (oder für die Anwendung eines bestimmten Strafsatzes) maßgebend sind (Mayerhofer aaO E 18, 26). Den Schuldspruch I. stützt das Erstgericht insbesondere auf die Aussagen der Zeugen Christine K***** und Christian M***** sowie die Tatsache, dass kurz nach Anbringen der Überprüfungsplakette eine Reparatur der Bremsen des begutachteten Fahrzeuges notwendig war. Damit erachtete es die leugnende Verantwortung des Angeklagten als widerlegt. Dabei hat es sich mit allen wesentlichen Beweisergebnissen auseinandergesetzt (US 11 bis 13).

Die Beschwerde versucht lediglich anhand einzelner aus dem Zusammenhang gelöster Details des Beweisverfahrens die Aussage der Zeugin K***** als unglaubwürdig hinzustellen und der Verantwortung des Rchtsmittelwerbers zum Durchbruch zu verhelfen. Damit bekämpft sie aber nur unzulässig die freie Beweiswürdigung der Tatrichter. Wer das Auto in die Werkstättenhalle gelenkt hat, betrifft keinen entscheidungswesentlichen Umstand. Die Feststellungen über die mangelhafte Bremsanlage sowie darüber, dass bei der Firma U***** keine "Pickerlüberprüfung", sondern nur - weil sich ohnedies eine gültige Vignette am Auto befand - eine Überprüfung der Verkehrssicherheit des Fahrzeuges von Christine K***** stattgefunden hat, findet in der Aussage des Zeugen Heinz Wilhelm E***** ihre Deckung (S 125 iVm S 154).

Die Konstatierung, der Angeklagte habe gegenüber Christian M***** zugestanden, den Personenkraftwagen nicht überprüft zu haben, gründet sich auf dessen Aussage vor der Gendarmerie und jener der Zeugin K***** (S 23 iVm S 154).

Auch zum Schuldspruch II. 2. liegt ein Begründungsmangel nicht vor. Das Tatgericht hat dieses Faktum auf die Aussage der Zeugin Mojca M***** gestützt, die Verantwortung des Angeklagten hiezu hingegen abgelehnt. Entgegen der Beschwerde hat es den Vorsatz nicht unzureichend begründet, sondern diesen - den Gesetzen logischen Denkens entsprechend - daraus erschlossen, dass der Nichtigkeitswerber, obwohl er die blutende Wunde wahrgenommen hatte und er von der Verletzten aufgefordert worden war, die Rettung zu rufen, eine Hilfeleistung ablehnte, am Tisch sitzen blieb und dann unbeteiligt auf den Balkon ging (US 10/11, 19). Das Vorbringen zu einem möglichen Irrtum über die Hilfsbedürftigkeit übergeht eben die Feststellungen zu der stark blutenden Wunde und dem Verlangen der Verletzten, Hilfe herbeizuholen.

Ein formeller Begründungsmangel liegt daher nicht vor. Bei Ausführung materiellrechtlicher Nichtigkeitsgründe muss unter Heranziehung der tatsächlich getroffenen Urteilsfeststellungen ein Vergleich mit dem darauf angewendeten Gesetz vorgenommen und auf dieser Grundlage die Argumentation entwickelt werden, weswegen dem Erstgericht bei deren Beurteilung ein Rechtsirrtum unterlaufen sei (Mayerhofer aaO § 281 Z 9a E 5).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) zum Schuldspruch II. (richtig:) 2. behauptet, Mojca M***** habe in das Messer gegriffen, also selbst eine Handlung gesetzt, die zu einer Verletzung geführt hat. Sie übergeht jedoch die Feststellung, dass der Angeklagte zur gleichen Zeit, als diese das durch Schläge bereits beschädigte Handy vom Tisch nehmen wollte, nochmals mit dem Messer in dessen Richtung schlug und dadurch die Verletzung am Zeigefinger herbeiführte (US 10). Soweit der Beschwerdeführer unter diesem Nichtigkeitsgrund die Vorhersehbarkeit des Erfolges bestreitet, geht er neuerlich nicht von den Konstatierungen des angefochtenen Urteiles (insbes US 18) aus, sondern von der eigenen Behauptung, dass er "außer sich war", permanent auf das Handy eingeschlagen und "ein anderer hineingegriffen habe".

Auch die zum Faktum III. 3. erhobene Subsumtionsrüge (Z 10), welche eine Beurteilung des Sachverhaltes nach § 95 StGB anstrebt, beruht auf der Hypothese, die Zeugin Mojca M***** habe selbst in das Messer gegriffen, er habe daher die Verletzung nicht verursacht. Dem stehen jedoch die bereits zitierten eindeutigen Feststellungen des Schöffengerichtes entgegen, welche der Beschwerdeführer missachtet. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher teils als unbegründet, teils als nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 Z 1 und 2 iVm § 285a Z 2 StPO). Daraus folgt, dass zur Entscheidung über die Berufung der Gerichtshof zweiter Instanz zuständig ist (§ 285i StPO).

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