European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0150OS00139.21M.0126.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * P* eines Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB und mehrerer Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (I./) sowie der Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (II./) und der Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 1 StGB (III./1./) und nach § 212 Abs 1 Z 2 StGB (III./2./) schuldig erkannt.
[2] Danach hat er in L*
I./ von zumindest September 2002 bis zumindest September 2003 in wiederholten Angriffen mit seiner am 14. September 1992 geborenen, sohin unmündigen Stieftochter J* T* eine dem Beischlaf gleichzusetzende Handlung unternommen, indem er ihr „in den Intimbereich griff“ und seinen Finger in ihre Vagina einführte, wodurch J* T* eine komplexe posttraumatische Belastungsstörung (in den Bereichen Intrusion und Hyperarousal mit einer hohen funktionalen Beeinträchtigung; US 5), sohin eine an sich schwere Körperverletzung verbunden mit einer längerals 24 Tage dauernden Gesundheitsschädigung (§ 84 Abs 1 StGB) erlitt;
II./ außer dem Fall des § 206 StGB eine geschlechtliche Handlung an einer unmündigen Person vorgenommen, und zwar
1./ von zumindest September 2002 bis zumindest September 2003, indem er in wiederholten Angriffen die Scheide der am 14. September 1992 geborenen J* T* ableckte;
2./ zu einem unbekannten Zeitpunkt vor dem 20. Oktober 2019, indem er seiner am 3. Juli 2016 geborenen Stiefenkeltochter L* T* nicht bloß flüchtig mit seiner Hand auf die Scheide griff;
III./ eine geschlechtliche Handlung mit einer minderjährigen Person vorgenommen, und zwar
1./ durch die zu I./ und II./1./ beschriebenen Tathandlungen mit seiner unmündigen Stieftochter J* T*;
2./ durch die zu II./2./ beschriebene Tathandlung unter Ausnützung des zwischen ihm als Stiefgroßvater und seiner unmündigen Stiefenkeltochter L* T* bestehenden Aufsichtsverhältnisses.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richtet sich die auf Z 3, 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die ihr Ziel verfehlt.
[4] Als Verletzung des § 250 StPO kritisiert die Verfahrensrüge (Z 3), in der Hauptverhandlung am 15. Februar 2021 seien die mündliche Gutachtenserörterung der Sachverständigen MMag. DDDr. K* sowie die Aussagen von drei Zeugen nicht übersetzt worden, obwohl der Angeklagte der deutschen Sprache nicht mächtig gewesen sei.
[5] § 250 StPO bedroht nur die Unterlassung der Information des Angeklagten über das während seiner Abwesenheit Geschehene mit Nichtigkeit. Mit der Behauptung mangelnder Übersetzung von Aussagen, die in Anwesenheit des Angeklagten abgelegt wurden, wird hingegen keine der in § 281 Abs 1 Z 3 StPO taxativ angeführten Vorschriften angesprochen (RIS‑Justiz RS0110266 [T2]); Nichtigkeit liegt somit nicht vor. Im Übrigen wäre es dem Angeklagten und seinem Verteidiger frei gestanden, entsprechende Anträge in der Hauptverhandlung zu stellen.
[6] Entgegen dem Einwand der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) wurde die Feststellung (zu II./2./), der Angeklagte habe L* T* „nicht bloß flüchtig“ auf die Scheide gegriffen, nicht offenbar unzureichend begründet. Denn die Tatrichter stützten diese Konstatierung – im Einklang mit den Kriterien logischen Denkens und allgemeinen Erfahrungssätzen – auf die Aussage der J* T*, die – hinsichtlich des Wortlauts der Mitteilung des Kindes divergierenden (vgl dazu aber US 20) – Angaben der Zeugen M* und S* und überdies auf die vorliegenden Unterlagen von Gesundheits- und Betreuungseinrichtungen (US 21; Anzeige Klinikum W* ON 3 S 23; Arztbrief ON 13 S 5 sowie Bericht MUKKI ON 8 S 30).
[7] Z 5a des § 281 Abs 1 StPO will als Tatsachenrüge nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (das sind schuld‑ oder subsumtionserhebliche Tatumstände, nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS‑Justiz RS0118780).
[8] Indem die Rüge den Annahmen der Tatrichter zur Glaubwürdigkeit der Zeugin J* T* eigene Auffassungen und Erwägungen gegenüberstellt (vgl aber RIS‑Justiz RS0099649), auf (nicht subsumtionsrelevante) zeitliche Divergenzen in deren Angaben hinweist (vgl dazu US 17) und die Aussagen der Zeuginnen Su* und R* T* sowie St* bloß einer eigenständigen Bewertung unterzieht, bezieht sie sich nicht auf den Ausspruch über entscheidende Tatsachen. Der Umstand, dass aus den von den Tatrichtern angeführten Prämissen auch andere, für den Angeklagten günstigere Schlussfolgerungen hätten gezogen werden können, ist für sich allein nicht geeignet, jene erheblichen Bedenken darzutun, auf die der in Anspruch genommene Nichtigkeitsgrund abstellt (RIS‑Justiz RS0099674).
[9] Auch mit dem neuerlichen Hinweis, dass es zu der den Schuldsprüchen II./2./ und III./2./ zugrunde liegenden Tathandlung keine unmittelbaren Wahrnehmungen von Zeugen gäbe und mit Spekulationen über mögliche Motive für eine Falschbelastung durch die Zeugen S* und J* T* gelingt es der Beschwerde nicht, beim Obersten Gerichtshof qualifizierte Bedenken gegen die Richtigkeit der Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen zu erwecken.
[10] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen ergibt (§ 285i StPO).
[11] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
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