European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0150OS00136.23Y.0131.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Sexualdelikte
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde D* T* mehrerer Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (1./), des Verbrechensdes schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (2./) und mehrerer Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 1 StGB (3./) schuldig erkannt.
[2] Danach hat er in K*
1./ ab einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt im Jahr 2014 bis zum 29. November 2015 an der am * 2003 geborenen G* T* außer dem Fall des § 206 StGB geschlechtliche Handlungen vorgenommen, indem er in wiederholten Angriffen teils über und teils unter ihrer Bekleidung ihre nackten, bereits entwickelten Brüste mit seiner Hand streichelte;
2./ am 29. November 2015 mit G* T* eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung unternommen, indem er mit zumindest einem Finger in ihre Scheide eindrang und mehrere Ein- und Ausführbewegungen vornahm;
3./ durch die zu 1./ und 2./ genannten Handlungen mit einer mit ihm in absteigender Linie verwandten minderjährigen Person, nämlich seiner Tochter, geschlechtliche Handlungen vorgenommen.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die ihr Ziel verfehlt.
[4] Die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) erachtet die im Urteil vorgenommene zusammenfassende Wiedergabe der leugnenden, vom Schöffengericht „durch das abgeführte Beweisverfahren“ als „widerlegt“ angesehenen Verantwortung des Angeklagten (US 4 f) als „aus den in der Hauptverhandlung vorgekommenen Beweisergebnissen“ nicht ableitbar, weil die resümierten Angaben aus der schriftlichen Stellungnahme des Angeklagten vom 27. Februar 2023 (ON 3.5) stammen würden, die in der Hauptverhandlung „weder verlesen noch vorgetragen“ worden sei. Zum einen übersieht sie, dass Nichtigkeit aus Z 5 nur dann vorliegen würde, wenn Feststellungen zu entscheidenden (also schuld- oder subsumtionsrelevanten [RIS‑Justiz RS0099497]) Tatsachen auf in der Hauptverhandlung nicht vorgekommene (§ 258 Abs 1 StPO) Beweismittel gegründet werden (RIS‑Justiz RS0113209). Zum anderen übergeht sie, dass sich der Angeklagte in seiner Vernehmung (§ 245 Abs 1 StPO) ausdrücklich (auch) auf die genannte Stellungnahme berufen hat (ON 18, 3).
[5] Der Einwand (Z 5 vierter Fall), die Formulierung im Hauptverhandlungsprotokoll (ON 18, 15), wonach „gemäß § 252 Abs 2a StPO der wesentliche Inhalt nachstehender Aktenstücke vorgetragen“ werde, nämlich „Anlassbericht ON 2, (…) Urkundenvorlage ON 16, Flugbestätigungen ON 16.1 und ON 16.2.“, lasse nicht erkennen, „was nun als 'wesentlich' erachtet wurde und was nicht“, scheitert schon am Gebot deutlicher und bestimmter Bezeichnung nach § 285a Z 2 StPO. Denn unter dem Aspekt der Mängelrüge kann in diesem Zusammenhang nur gerügt werden, ein bestimmtes Beweismittel sei in der Hauptverhandlung nicht vorgekommen (RIS‑Justiz RS0110681 [T1, T5]). Dass dies für die von der Beschwerde genannten Passagen der ON 2 und 16 zutreffen würde, behauptet sie jedoch gar nicht.
[6] Bleibt anzumerken, dass das ungerügt gebliebene – und aus Sicht des Obersten Gerichtshofs unbedenkliche – Hauptverhandlungsprotokoll (ON 18, 15) nicht bloß den Vortrag eines nicht näher präzisierten „wesentlichen Akteninhalts“ dokumentiert (vgl dazu RIS‑Justiz RS0110681), sondern die vorgetragenen Aktenteile anhand ihrer Ordnungsnummern konkretisiert werden. Die in der Urteilsbegründung herangezogenen Akteninhalte ON 2 und 16sind daher ohnehin zur Gänze durch einverständlichen Vortrag (§ 252 Abs 2a StPO) in der Hauptverhandlung vorgekommen, weshalb eine erfolgreiche Geltendmachung von Begründungsmängeln aufgrund des Nichtvorkommens dieser Aktenbestandteile ausscheidet.
[7] Wie die Beschwerde (Z 5 zweiter Fall) ohnehin selbst erkennt, hat das Erstgericht die Begründung der Staatsanwaltschaft für die Einstellung eines gegen E* T* geführten Ermittlungsverfahrens nicht übergangen (US 6). Zu der vom Rechtsmittel unter dem Aspekt der Glaubwürdigkeitsbeurteilung der genannten Zeugin geforderten Erläuterung, weshalb den Einstellungserwägungen und den dort zitierten Aussagen der Zeugin * Te*für die Klärung der gegenständlichen Schuldfrage nur untergeordnete Bedeutung beigemessen wurde, war das Schöffengericht aber mit Blick auf das Gebot gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) sowie den Umstand, dass die Zeugin aus Sicht des Erstgerichts „keine unmittelbaren Wahrnehmungen zu den Taten“ hatte und nur über Erzählungen des Opfers im Jahr 2021 berichten konnte (US 7), nicht verhalten.
[8] Dem weiteren Einwand (Z 5 zweiter Fall) zuwider waren unter dem Aspekt der Glaubwürdigkeit der Zeugin G* T* ihre Angaben einerseits vor der Polizei und andererseits vor Gericht zur Frage, warum sie die gegenständlichen Vorwürfe nicht auch im (mit dem Scheidungsverfahren ihrer Eltern einhergehenden) Obsorgeverfahren zur Sprache gebracht hat, nicht zusätzlich (vgl US 6; RIS‑Justiz RS0106642) gesondert erörterungsbedürftig. Denn dass die Angaben dieser Zeugin ihre (von den Tatrichtern bejahte) Aufrichtigkeit in Betreff der den Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen zugrunde liegenden Angaben ernsthaft in Frage stellen würden, macht die Beschwerde nicht klar (RIS‑Justiz RS0119422).
[9] Mit Hinweisen auf das Aussageverhalten der Zeuginnen G* T* und E* T* „im Strafverfahren zu *“ und „in der Pflegschaftssache zu *“ betreffend die den Schuldsprüchen zugrunde liegenden Übergriffe (vgl dazu die Beweiswürdigung US 6) weckt die Tatsachenrüge (Z 5a) keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen (RIS‑Justiz RS0119583). Soweit sie Erwägungen der Tatrichter für „nicht nachvollziehbar“ erachtet, übt sie bloß Beweiswürdigungskritik nach Art einer – im schöffengerichtlichen Verfahren nicht zulässigen (§ 283 Abs 1 StPO) – Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld.
[10] Warum die auf die Feststellungen zur objektiven Tatseite Bezug nehmenden Konstatierungen zur subjektiven Tatseite (US 3 f) keinen ausreichenden Sachverhaltsbezug aufweisen sollten (vgl dazu RIS‑Justiz RS0119090 [T2, T3]) und welcher weiterer Sachverhaltsannahmen es für die vorgenommenen Subsumtionen bedurft hätte, erklärt die Rechtsrüge (Z 9 lit a) nicht (vgl aber RIS‑Justiz RS0099620).
[11] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).
[12] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a StPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)