Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Innsbruck verwiesen.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Rene M***** mehrerer Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall und Abs 3 erster Fall SMG (A) sowie (richtig:) der Vergehen nach § 27 Abs 1 erster und zweiter Fall SMG (B) schuldig erkannt.
Danach hat er in Wörgl, Innsbruck, Radfeld, Kundl und an anderen
Orten
A) von etwa Herbst 2005 bis einschließlich Sommer 2006 den
bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in einer großen Menge (§ 28 Abs 6 SMG), „nämlich eine nicht mehr exakt quantifizierbare, die Grenzmenge allerdings insgesamt um ein Vielfaches übersteigende große Menge an Ecstasy-Tabletten (jedenfalls mehr als 400 Stück), größtenteils durch den gewerbsmäßigen Verkauf, in geringem Umfang aber auch durch die unentgeltliche Weitergabe" an die im Erkenntnis genannten sowie zahlreiche weitere, namentlich nicht bekannte Suchtgiftkonsumenten in Verkehr gesetzt;
B) von etwa März 2005 bis Mitte November 2006 den bestehenden
Vorschriften zuwider Suchtgifte, nämlich „im Zweifel" jeweils geringe Mengen von Ecstasy-Tabletten und Kokain, von den im Spruch näher angeführten und weiteren, namentlich nicht bekannten Personen für den Eigenbedarf erworben und besessen.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen vom Angeklagten aus den Gründen der Z 5 und 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde kommt schon aus dem ersten Anfechtungsgrund Berechtigung zu.
Denn zutreffend zeigt die Mängelrüge (Z 5) auf, dass die für die Annahme einer großen Menge Suchtgift (§ 28 Abs 6 SMG) und damit für die vorgenommene Subsumtion der Tat entscheidenden Feststellungen offenbar unzureichend begründet sind. Die Tatrichter haben ihre Konstatierungen, wonach der Angeklagte Ecstasy-Tabletten von jedenfalls mehr als 400 Stück in durchschnittlicher Qualität von zumindest 0,1 Gramm MDMA pro Stück in Verkehr gesetzt habe (US 5; somit zumindest 40 Gramm Reinsubstanz), auf einen gerichtsnotorischen durchschnittlichen Wirkstoffgehalt von etwa 0,1 Gramm MDMA pro Tablette gestützt (US 12). Diese Prämisse wurde im Verfahren nicht thematisiert.
Der Angeklagte hat aber ein aus dem fair-trial-Gebot des Art 6 MRK erfließendes Recht darauf, nicht von einer ihm unbekannten Gerichtsnotorietät im Tatsachenbereich überrascht zu werden. Wurde daher die gerichtliche Annahme einer durchschnittlichen Wirkstoffkonzentration - wie hier - weder in der in der Hauptverhandlung vorgetragenen Anklageschrift dargestellt noch sonst in der Hauptverhandlung (zB im Rahmen des § 238 Abs 2 StPO oder des § 262 StPO) erörtert, so erweist sich die darauf gegründete Feststellung des Wirkstoffgehaltes der tatverfangenen Suchtgiftmenge als offenbar unzureichend begründet (RIS-Justiz RS0119094; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 463).
Der aufgezeigte Begründungsmangel zwingt - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - zur Aufhebung des Urteils bereits bei nichtöffentlicher Beratung (§ 285e StPO), zur Anordnung einer neuen Hauptverhandlung und zur Verweisung der Sache an das Erstgericht.
Die Kassation des gesamten Schuldspruches A war deshalb erforderlich, weil nach Aufhebung eines Schuldspruches nach § 28 Abs 2 vierter Fall SMG bei Fraglichkeit der Beurteilung einer in Verkehr gesetzten Menge als groß (§ 28 Abs 6 SMG) auch jene Annahmen, die einen - insoweit nicht erfolgten - Schuldspruch wegen § 27 Abs 1 sechster Fall SMG allenfalls zu tragen vermögen, für sich alleine nicht bestehen bleiben (RIS-Justiz RS0115884). Gemäß § 289 StPO war auch hinsichtlich des Schuldspruches B mit Urteilsaufhebung und Anordnung neuer Verhandlung und Entscheidung vorzugehen, hängt dessen Zulässigkeit doch davon ab, ob dem Beschwerdeführer im zweiten Rechtsgang neuerlich eine weitere über den Erwerb und Besitz jeweils geringer Mengen Suchtgift zum Eigengebrauch (vgl insoweit § 35 Abs 1 iVm § 37 SMG) hinausgehende strafbare Handlung nach dem SMG zur Last fällt (15 Os 96/06s).
Die weitere Mängelrüge und die Ausführungen zur Subsumtionsrüge können damit auf sich beruhen.
Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese kassatorische Entscheidung zu verweisen.
Da beim Nichtigkeitswerber der gesamte Schuldspruch und damit auch der vom Erstgericht gefällte Kostenersatzausspruch nach § 389 StPO zu kassieren war, fallen ihm auch keine Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
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