OGH 15Os11/06s

OGH15Os11/06s7.9.2006

Der Oberste Gerichtshof hat am 7. September 2006 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Danek, Hon. Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Solé und Mag. Lendl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Schreuer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Josef R***** und Christine R***** wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und Abs 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der beiden Angeklagten und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 9. November 2005, GZ 37 Hv 39/04a-121, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Christine R***** wird zurückgewiesen.

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Josef R***** und aus Anlass der Beschwerden wird das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.

Mit ihren Berufungen werden die Angeklagten und die Staatsanwaltschaft auf die kassatorische Entscheidung verwiesen. Der Angeklagten Christine R***** fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Josef R***** des Verbrechens der teils versuchten, teils vollendeten betrügerischen Krida nach §§ 156 Abs 1 und Abs 2, 15 StGB (A.I. und II.) und Christine R***** des Verbrechens der versuchten betrügerischen Krida als Beitragstäterin nach §§ 12 dritter Fall, 15, 156 Abs 1 und Abs 2 StGB (B.) schuldig erkannt.

Danach haben

A. Josef R***** in Kufstein und anderen Orten Bestandteile seines Vermögens beiseite geschafft bzw nicht bestehende Verbindlichkeiten vorgeschützt und sohin sein Vermögen wirklich und zum Schein verringert und dadurch die Befriedigung seiner Gläubiger oder wenigstens eines von ihnen vereitelt oder geschmälert bzw zu vereiteln und zu schmälern versucht, indem er

I. von „9. Februar 2000 bis 26. Juni 2001 als Schuldner von zumindest zwei Gläubigern mit insgesamt 50.000 Euro nicht übersteigenden Forderungen ein Belastungs- und Veräußerungsverbot nach § 364c ABGB zu Gunsten seiner Tochter Tanja R***** in die in seinem Alleineigentum stehenden Liegenschaften EZ *****, EZ *****, EZ *****, EZ ***** sowie auf seinem 74/2094-Anteil an der EZ *****, verbunden mit dem Wohnungseigentum an der Wohnung Top W 10, grundbücherlich einverleiben ließ";

II. von „9. Juli 2001 bis dato als Schuldner mehrerer Gläubiger mit Forderungen in Höhe von insgesamt mehr als 72.674,41 Euro eine gegenüber seiner damaligen Lebensgefährtin Christine S***** (nunmehr R*****) zumindest im Ausmaß von 72.674,41 Euro tatsächlich nicht bestehende Darlehensforderung von insgesamt 327.027,41 Euro zuzüglich 5,25 % Zinsen gegenüber Dritten vorschützte und ua auch als Sicherstellung für diesen Betrag zu ihren Gunsten ein Simultanpfandrecht auf den in seinem Alleineigentum stehenden Liegenschaften EZ *****, EZ *****, EZ *****, EZ ***** sowie auf seinem 74/2094-Anteil an der EZ *****, verbunden mit dem Wohnungseigentum an der Wohnung Top W 10, grundbücherlich einverleiben ließ, wobei er durch die Tat einen 50.000 Euro übersteigenden Schaden, nämlich einen Befriedigungsausfall zumindest in Höhe des zu Unrecht einverleibten Betrages von 72.674,41 Euro herbeizuführen versuchte";

B. Christine R***** am 6. Juli 2001 in Erl „zur Tat des Josef R***** zu A. II. beigetragen (§12 dritter Fall StGB), indem sie die für die grundbücherliche Durchführung der Pfandrechtseintragung erforderliche Urkunde („Schuldschein und Pfandurkunde") beglaubigt unterfertigte und darin eine zumindest im Ausmaß von 72.674,41 Euro tatsächlich nicht bestehende Darlehensforderung gegenüber Dritten vorschützte". Dagegen richten sich die jeweils auf § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Josef R***** und Christine R*****.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Josef R*****:

Rechtliche Beurteilung

Im Sinn der Rechtsrüge (Z 9 lit a) trifft es zu, dass dem Urteil trotz aller Ausführungen zu Vermögensteilen ein Rechtsfehler mangels Feststellungen zum tatsächlichen Gesamtvermögen des Angeklagten Josef R***** zu den einzelnen Tatzeitpunkten anhaftet.

Außerdem liegen hinsichtlich des Schuldspruchs A I keine Feststellungen zum effektiven Befriedigungsausfall vor. Die unzureichende Vermögensbewertung hindert die Beantwortung der Frage nach einer Gläubigerschädigung durch Vermögensverringerung. Die Tatrichter verfügten übrigens bei den wie aufgezeigt zu dürftigen Konstatierungen über ein Gutachten des bestellten Sachverständigen, der einleitend - in einem bemerkenswerten Spannungsverhältnis zu § 38 Abs 2 Z 1 BWG (s § 145a StPO) - anführte, ihm sei es „aufgrund des Bankgeheimnisses ... nicht möglich festzustellen, in welchem Ausmaß Pfandrechte und Höchstbetragshypotheken ausgenützt wurden" (S 305/III). Auch darauf kommt es aber im gegebenen Zusammenhang an. Da angesichts des Feststellungsdefizits eine abschließende rechtliche Beurteilung des Sachverhaltes nicht möglich ist, war das Urteil aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zu verweisen.

Im neuen Rechtsgang wird das Erstgericht die angesprochenen Feststellungen zu treffen haben.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Christine R*****:

Die in der Hauptverhandlung durch Rechtsanwalt Dr. Markus H***** vertretene Angeklagte meldete am 10. November 2005 fristgerecht Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an.

Am 30. November 2005 wurde ihrem Verteidiger eine Urteilsausfertigung zugestellt. Die vierwöchige Frist zur Rechtsmittelausführung lief demnach mit 28. Dezember 2005 ab.

Am 27. Dezember 2005 beantragte die Angeklagte die Beigebung eines Verteidigers gemäß § 41 Abs 2 StPO, ohne jedoch das bestehende Vollmachtsverhältnis zu Dr. Markus H***** aufzulösen. Mit Beschluss vom selben Tag bewilligte der Vorsitzende des Schöffengerichtes die Verteidigerbeigebung. Die Tiroler Rechtsanwaltskammer bestellte hierauf mit Bescheid vom 29. Dezember 2005 den Wahlverteidiger der Angeklagten, Dr. Markus H*****, zum Verfahrenshilfeverteidiger. Er brachte am 18. Jänner 2006 die Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung ein.

Die Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde der Zweitangeklagten erfolgte verspätet, weil dem Antrag auf Beigebung eines Verteidigers gemäß § 41 Abs 2 StPO im konkreten Fall keine fristverlängernde Wirkung gemäß § 43a StPO zukam:

§ 43a StPO ist dahin teleologisch zu reduzieren, dass er Anträge unvertretener Angeklagter umfasst. Ein Fristenneulauf im Sinn dieser Gesetzesstelle tritt nicht ein, wenn der Angeklagte während der gesamten ursprünglichen Frist bereits durch einen Verteidiger vertreten ist (RIS-Justiz RS0116182).

Dies traf hier zu, weshalb die demnach verspätet ausgeführte Nichtigkeitsbeschwerde zurückzuweisen war. Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Zur Maßnahme nach § 290 Abs 1 StPO:

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, dass dem Urteil die vorstehend bei Erörterung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Josef R***** dargelegte Nichtigkeit auch hinsichtlich der Angeklagten Christine R***** anhaftet.

Dieser Umstand war gemäß § 290 Abs 1 StPO zu Gunsten der Angeklagten Christine R***** von Amts wegen aufzugreifen und das Urteil auch in dem sie betreffenden Schuld- und Strafausspruch aufzuheben.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte