Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die vom Angeklagten eingebrachte Rechtsmittelschrift wird zurückgewiesen.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen in Rechtskraft erwachsenen Freispruch des Angeklagten vom Verbrechen der versuchten schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 (zu ergänzen: Z 1) erster Fall StGB enthält, wurde Johann P***** teilweise abweichend von der ua wegen des Verbrechens der versuchten Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 2 StGB erhobenen Anklage - ON 25 - (nur) der Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (I 1.), der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 StGB (I 2.) und der versuchten entgeltlichen Förderung fremder Unzucht nach §§ 15, 214 StGB (II) schuldig erkannt.
Danach hat er Andrea S*****
I. in der Nacht zum 19.Oktober 1995 in Weißkirchen/Traun
1. durch Versetzen von Schlägen und Stößen sowie durch Würgen und Niederhalten mit dem Fuß (ersichtlich gemeint: mit einem Bein) vorsätzlich am Körper verletzt, wodurch sie eine ca 8 cm lange oberflächliche Kratzspur, Würgemale im Bereich des Halses und eine Hämatomverfärbung im Bereich des Nackens erlitt;
2. dadurch, daß er sich im Wohnwagen auf sie drauflegte (lt US 7 unten allerdings: sich neben sie legte), sie festhielt und sie in der Folge außerhalb des Wohnwagens zu einem Zaun stieß, nachdem sie zu Boden gefallen war, sich mit einem Bein auf ihren Bauch kniete, (zu ergänzen: auf andere Weise) die persönliche Freiheit entzogen;
II. in Linz und Weißkirchen/Traun der Unzucht mit einer anderen Person zuzuführen versucht, um sich [oder einem anderen] einen Vermögensvorteil zu verschaffen, indem er am 16.November 1995 Avdija A***** und am 18.November 1995 Ismet M***** in Linz aufforderte, mit Andrea S***** gegen Entgelt geschlechtlich zu verkehren, diese Personen nach Weißkirchen/Traun führte und dort seinen Wohnwagen (zur geplanten Durchführung des entgeltlichen Geschlechtsverkehrs) zur Verfügung stellte.
Rechtliche Beurteilung
Nach Punkt 1. der Rechtsmittelanträge des Angeklagten (483: "... das angefochtene Urteil aufzuheben ...") werden sämtliche Schuldsprüche angefochten. In den auf § 281 Abs 1 Z 9 lit a und Z 10 StPO gestützten Beschwerdeausführungen wird indes nur der Schuldspruch wegen des Vergehens der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 StGB (I 2. des Urteilssatzes) behandelt, zu den anderen Schuldspruchsfakten jedoch nichts vorgebracht (vgl 478 ff). In Ansehung der Schuldsprüche
I 1. und II entbehrt die Nichtigkeitsbeschwerde somit einer deutlichen und bestimmten Bezeichnung von Nichtigkeitsgründen (§§ 285 Abs 1, 285 a Z 2 StPO), weshalb auf sie insoweit keine Rücksicht zu nehmen war.
Mit dem im Rahmen der Rechtsrüge (Z 9 lit a) erhobenen Einwand (I. 1. a der Beschwerdeschrift), das ihm angelastete kurzfristige Festhalten der Andrea S***** in seinem Wohnwagen habe nicht die für die Tatbildmäßigkeit der Freiheitsentziehung nach § 99 StGB erforderliche Erheblichkeitsschwelle erreicht, orientiert sich der Beschwerdeführer nicht - wie es die Prozeßordnung bei Ausführung eines materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes unabdingbar voraussetzt - am gesamten Urteilssachverhalt. Er betrachtet vielmehr bloß isoliert eine Teilphase am Beginn des im Zusammenhang zu beurteilenden Tatgeschehens, weshalb die gleichfalls nur gegen das inkriminierte Verhalten des Angeklagten im Wohnwagen gerichteten weiteren Beschwerdevorwürfe vermeintlicher Feststellungsmängel in bezug auf die Dauer des Festhaltens des Opfers und den deliktsspezifischen Vorsatz (I. 1. b und c der Beschwerdeschrift) keinen entscheidenden (das heißt entweder für die Unterstellung der Tat unter ein bestimmtes Strafgesetz oder für den anzuwendenden Strafsatz maßgebenden) Umstand berühren.
Den wesentlichen Konstatierungen des Erstgerichtes zufolge beschränkte sich Johann P***** keineswegs allein auf das relevierte (allenfalls noch nicht tatbestandsmäßige) freiheitseinschränkende Verhalten innerhalb seines auf einem Autoverwertungsplatz abgestellten Wohnwagens, sondern nahm darüber hinaus im Rahmen des einheitlichen, sexuell motivierten, mit Tätlichkeiten und unzüchtigen Belästigungen der minderjährigen Andrea S***** verbundenen Handlungsverlaufs die Verfolgung des aus dem Wohnwagen geflüchteten Mädchens innerhalb des versperrten Autoplatzes auf, erfaßte es an der Hand, stieß es zu einem Zaun, kniete sich auf das zu Boden gefallene Opfer, "begrapschte" es am ganzen Körper, riß ihm (trotz seiner Abwehrreaktion) das Hemd auf, "sodaß die Knöpfe heraussprangen", öffnete dessen Hose, würgte es, schlug ihm immer, wenn es schrie, ins Gesicht und trat auf dessen Oberschenkel (US 8 ff, 15, 17), wobei das Festhalten auf dem Boden "mindestens einige Minuten" andauerte (US 10 oben).
Abgesehen davon, daß - wie der Nichtigkeitswerber selbst einräumt - das in Rede stehende Delikt des § 99 Abs 1 StGB keine bestimmte Mindestdauer erfordert, sofern nur eine gewisse Schwere und Ernstlichkeit des Angriffs vorliegt (vgl Foregger/Serini StGB5 Erl I, Leukauf/Steinininger Komm3 RN 8 jeweils zu § 99), kommt dem Zeitfaktor im Einzelfall umso weniger entscheidende Bedeutung zu, je gravierender die Umstände der Tat nach deren Art und Gewichtigkeit sind. Aus dieser Sicht genügt demnach insbesondere bei einer (wie hier) mit unzüchtiger Betastung, Zu-Boden-Werfen, Würgen, Schlagen und Beschädigung der Kleidung des knapp vierzehnjährigen Opfers verbundenen Einschränkung der persönlichen Freiheit auf einem eingezäunten und verschlossenen Autoverwertungsplatz zur Nachtzeit bereits eine relativ kurzfristige Dauer (von wenigen Minuten) zur Erfüllung des aktuellen Tatbestandes (JBl 1982, 269; JUS 1993/6/1279; Leukauf/Steininger aaO RN 8 und 8 a, Kienapfel BT I3 Rz 15, Mayerhofer/Rieder StGB3 E 3 je zu § 99).
Das Erstgericht hat daher vorliegend die objektiven Kriterien des zweiten Deliktsfalles des § 99 Abs 1 StGB zutreffend bejaht.
Soweit der Nichtigkeitswerber zudem (allerdings im Widerspruch zu seinen Ausführungen im dritten Absatz S 480) vollständige und tragfähige Feststellungen zur subjektiven Tatseite, nämlich zur "Willenskomponente", bezüglich des Vorfalles außerhalb des Wohnwagens fordert (I. 1. d der Beschwerdeschrift), genügt es, ihn auf eben diesen Teil des Beschwerdevorbringens zu verweisen (480 f), in dem die vermißten Urteilskonstatierungen auch zur Willenskomponente urteilsgetreu wiedergegeben werden, wonach sich der Angeklagte dessen bewußt war, daß er der Zeugin S***** durch das Festhalten am Boden die Freiheit entzieht, sie aber dennoch (also in einem Entschluß auf der Basis dieses Bewußtseins) für längere, mindestens einige Minuten dauernde Zeit am Boden festhielt (vgl US 9 unten bis 10 oben). Der Beschwerdeansicht zuwider bringt das Erstgericht damit zureichend und unmißverständlich zum Ausdruck, daß sich der Angeklagte seiner freiheitsberaubenden Handlungsweise nicht nur bewußt war, sondern diese auch geradezu wollte.
Mit der Subsumtionsrüge (Z 10) wendet sich der Beschwerdeführer gegen die gesonderte Zurechnung der Freiheitsentziehung als Vergehen nach § 99 Abs 1 StGB (neben dem Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB) mit der Behauptung, daß es sich im konkreten Fall um eine "typische Begleittat" des "Primärdeliktes" der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB handle, die "mit der Begehung dieses Deliktes schon der Natur nach notwendig verbunden" sei und im Vergleich zu diesem einen "bei weitem geringeren Unrechtsgehalt" aufweise, sodaß der gesamte Unrechtsgehalt des inkriminierten Verhaltens schon durch die Bestrafung nach § 83 Abs 1 StGB abgegolten werde.
Indes vermag der Nichtigkeitswerber auch mit diesem Vorbringen keinen Rechtsfehler aufzuzeigen:
Selbst nach der (zwischenzeitig überholten) älteren Rechtsprechung, wonach in jenen Fällen, in denen die Freiheitsentziehung nur als Mittel zur Begehung eines anderen Delikts (zB §§ 201 ff, 142 f StGB) eingesetzt wurde, § 99 StGB als grundsätzlich subsidiäre Norm zurücktrat (so noch JBl 1982, 550), wurde diese Art der Subsidiarität nicht aktuell, wenn das andere Delikt mit einer geringeren Strafe (wie hier das Vergehen nach § 83 Abs 1 StGB) bedroht war. Nach nunmehr einhelliger Judikatur und Literatur kommt eine Verdrängung des § 99 StGB im Hinblick auf die eigenständige Bedeutung und die hohe Grundstrafdrohung dieser Norm überhaupt nur mehr unter dem Gesichtspunkt der Konsumtion als sogenannte typische Begleittat unter dem Aspekt scheinbarer Konkurrenz in Betracht. Mangels erforderlicher Typizität einer Freiheitsentziehung als notwendige Begleiterscheinung zu einer Körperverletzung (und umgekehrt) findet aber keine Konsumtion des jeweils anderen Deliktes statt, sondern liegt echtes Zusammentreffen der beiden Tatbestände vor (vgl zu all dem Leukauf/Steinininger aaO RN 26 ff mit weiteren Judikatur- und Literaturhinweisen, Foregger/Serini aaO Erl III., Kienapfel AT5 E 8 Rz 30 f und Kienapfel aaO Rz 36 f sowie Rz 53 ff zu § 83; JUS 1989/6/143; 15 Os 17/94 nv).
Angemerkt sei noch, daß der bekämpfte Schuldspruch des Vergehens der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 StGB (ebenso wie jener wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB) in dem von der Staatsanwaltschaft rechtlich als Verbrechen der versuchten Vergewaltigung beurteilten Sachverhalt (vgl Punkt I 1 der Anklageschrift ON 25) Deckung findet, wenngleich im Anklagetenor "Gewalt" als alleiniges Tatmittel genannt wird; in der (mit dem Anklagespruch untrennbar verbundenen - vgl Mayerhofer/Rieder StPO3 § 281 Z 8 E 2, 8) Anklagebegründung sind aber alle Sachverhaltselemente der beiden Schuldspruchsfakten enthalten. Im übrigen ist das Gericht auch hinsichtlich des konkreten Ablaufs vom Ankläger verfolgter Vorgänge nicht an dessen Auffassung gebunden (Mayerhofer/Rieder aaO E 10).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war sonach zu verwerfen.
Die vom Angeklagten selbst zusätzlich zu der vom Verteidiger verfaßten Rechtsmittelschrift eingebrachte "Nichtigkeit und Berufung" (ON 58), die der Sache nach bloß eine im schöffengerichtlichen Verfahren unzulässige Schuldberufung enthält, war zurückzuweisen, weil nur eine Rechtsmittelausführung zulässig ist (Mayerhofer/Rieder aaO § 285 E 36 f, 40 f).
Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten nach §§ 99 Abs 1, 28 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten, von der es gemäß § 43 a Abs 3 StGB einen Strafteil von sechs Monaten für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachsah und auf die es gemäß § 38 Abs 1 Z 1 StGB die Vorhaft vom 19.November 1995, 9 Uhr 55, bis zum 25. Jänner 1996, 14 Uhr, anrechnete.
Bei der Strafbemessung berücksichtigte es als erschwerend das Zusammentreffen strafbarer Handlungen verschiedener Art sowie das Ausnützen der "Hilfsbedürftigkeit" der minderjährigen Zeugin S*****, als mildernd hingegen die Unbescholtenheit (gemeint: den bisher ordentlichen Lebenwandel) und die Tatsache, daß es (im Faktum II) beim Versuch geblieben ist.
Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte sowohl die Herabsetzung der Freiheitsstrafe als auch deren gänzlich bedingte Nachsicht an. Sie ist jedoch unberechtigt.
Dem Berufungsvorbringen zuwider hat das Erstgericht die gegebenen Strafzumessungsgründe nicht nur richtig und vollständig erfaßt, sondern über den Angeklagten auch eine Sanktion verhängt, die aus dem Blickwinkel der personalen Täterschuld und des Unrechtsgehaltes der Straftaten der beantragten Reduktion unzugänglich ist. Das Berufungsvorbringen argumentiert nämlich an der Tatsache vorbei, daß im Urteil ausdrücklich von der (nach der Aktenlage durchaus begründeten) "Hilfsbedürftigkeit" des entflohenen, unterstandslosen, knapp 14 Jahre alten Fürsorgezöglings die Rede ist (vgl US 4, 18), die nach anderen Kriterien als eine ins Treffen geführte Ausnützung der "Wehr- und Hilflosigkeit" des Opfers bei der Tatbegehung im Sinne des § 34 Z 7 StGB zu beurteilen ist. Urteilsfremd ist ferner die Behauptung, "daß teilweise die Initiative auch von der Zeugin S***** ausging" (vgl US 5 f).
Angesichts der in den Entscheidungsgründen aktengetreu zum Ausdruck gebrachten Persönlichkeitsstruktur des Angeklagten sowie des gravierenden Schuld- und Unrechtsgehaltes der ihm zur Last liegenden Straftaten ist auch die Gewährung der gänzlichen bedingten Nachsicht der Freiheitsstrafe gemäß § 43 Abs 1 StGB nicht gerechtfertigt, obgleich dieser Maßnahme im aktuellen Fall zufolge des bereits in Untersuchungshaft verbüßten unbedingt ausgesprochenen Strafteiles ohnehin keine praktische Bedeutung mehr zukäme.
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