European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0140OS00097.17X.1107.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden – soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde relevant – Osman U***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (I/A) und Ramazan C***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und Abs 2 vierter Fall StGB (I/A) sowie des Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB (I/B) schuldig erkannt.
Danach haben
(I) am 7. August 2016 in W*****
A) Osman U***** und Ramazan C***** im einverständlichen Zusammenwirken Livia G***** mit Gewalt und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben zur Duldung des Beischlafs und dem Beischlaf gleichzusetzender Handlungen genötigt, indem Osman U***** der Genannten ein Messer an den Hals hielt, während Ramazan C***** sie an den Beinen fixierte und sodann beide Vaginal-, Analverkehr und Oralverkehr an ihr vollzogen, wobei sie kein Kondom benützten, Osman U***** in ihre Vagina, Ramazan C***** jedoch in ihren Mund ejakulierte und sie zum Schlucken des Ejakulats zwang, wodurch er sie in besonderer Weise erniedrigte;
B) Ramazan C***** der Genannten 440 Euro Bargeld mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen.
Die dagegen von Osman U***** aus den Gründen der Z 1, 4, 5 und 5a, von Ramazan C***** aus jenen der Z 5 und 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten sind nicht im Recht.
Rechtliche Beurteilung
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Osman U*****:
Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 1 StPO liegt – im hier interessierenden Zusammenhang – nur vor, wenn sich ein ausgeschlossener (§§ 43 und 46 StPO) Richter an der Entscheidung beteiligt hat.
Mit dem Vorwurf, in der – sodann wegen geänderter Zusammensetzung des Gerichts wiederholten (ON 101, § 276a zweiter Satz erster Halbsatz StPO) – Hauptverhandlung am 7. Februar und 5. April 2017 habe eine (zufolge Bewilligung eines gegen den Angeklagten Ramazan C***** gerichteten Zwangsmittels [einer diesen betreffenden Festnahmeanordnung] im Ermittlungsverfahren; vgl ON 21, ON 1 S 79 f) gemäß § 43 Abs 2 StPO ausgeschlossene Richterin den Vorsitz geführt, und der daran anschließenden Kritik an deren Verhalten zeigt die Beschwerde den in Anspruch genommenen Nichtigkeitsgrund daher nicht auf (vgl auch
RIS‑Justiz
RS0099123; Lässig , WK‑StPO § 43 Rz 22; Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 130).
Die weitere Verfahrensrüge (
Z 4) scheitert schon daran, dass sie sich auf einen in der Hauptverhandlung am 7. Februar 2017 gestellten Beweisantrag (ON 64 S 33) beruft, der in der – nach dem Vorgesagten – gemäß §
276a zweiter Satz erster Halbsatz StPO wiederholten Hauptverhandlung am 30. Mai 2017 nicht neuerlich gestellt wurde und damit seine Gültigkeit verloren hat. Dass „der wesentliche Akteninhalt“ vor Schluss der Verhandlung nach § 252 Abs 1 Z 4, Abs 2 und 2a StPO „zusammengefasst einvernehmlich vorgetragen wurde“ (ON 101 S 38), ändert daran nichts (RIS‑Justiz RS0099049; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 310, 313; Danek/Mann, WK‑StPO § 238 Rz 4).
Davon abgesehen wurde der thematisierte Antrag auf „Ausforschung und Ladung jenes Taxifahrers, welcher vom Opfer angehalten wurde, um dann zum Standplatz zurückgebracht zu werden“ (vgl dazu auch ON 3 S 13, ON 101 S 19), ausschließlich zum Beweis dafür gestellt, „dass das Opfer das Taxi selber bezahlt hat und somit ihr Geld nicht gestohlen wurde“, von welchem Vorwurf Osman U***** freigesprochen wurde (US 4), und enthielt zudem keinerlei – schon mit Blick auf den Monate zurückliegenden Tatzeitpunkt aber gebotenes – Vorbringen zur Tauglichkeit der Beweisführung hinsichtlich des Beweisthemas (vgl dazu Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 330).
Mit Unsicherheiten der Livia G***** bei der– grundsätzlich zweifelsfrei vorgenommenen – Identifizierung des Beschwerdeführers (ON 81 S 7, ON 101 S 10) musste sich das Erstgericht unter dem Aspekt von – inhaltlich geltend gemachter – Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall, nominell verfehlt auch Z 5 vierter Fall) nicht gesondert auseinandersetzen, weil dieser gar nicht bestritten hatte, an dem von der Genannten geschilderten Vorfall beteiligt gewesen zu sein, seinen PKW zum Tatort gefahren und dort mit der Zeugin – wenn auch nach seiner Verantwortung freiwilligen entgeltlichen – Geschlechtsverkehr gehabt zu haben (ON 64 S 5 ff, ON 81 S 3, 101 S 6 ff).
Die Farbe dieses Fahrzeugs ist für die Lösung der
Schuld- und der
Subsumtionsfrage
irrelevant. Darauf bezogene Feststellungen sind daher einer Kritik aus Z 5 (hier nominell vierter und fünfter Fall) entzogen (RIS‑Justiz RS0117499, RS0117264; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 399).
Zu einer Auseinandersetzung mit dem von der weiteren Mängelrüge (nominell erneut Z 5 fünfter Fall, der Sache nach Z 5 zweiter Fall) hervorgehobenen Umstand, dass nach dem Gutachten über spurenkundliche Untersuchungen der Sachverständigen Dr. S***** das DNA‑Profil des nicht am Verfahren beteiligten Mikail O***** als Vergleichsprobe herangezogen wurde (ON 11 S 2), waren die Tatrichter schon deshalb nicht verpflichtet, weil die sichergestellten biologischen Spuren – von der Beschwerde übergangen – dem Genannten nicht zugeordnet werden konnten (ON 11 S 3; vgl auch ON 64 S 31 f).
Soweit die Rüge in diesem Zusammenhang– zudem nicht nachvollziehbar – behauptet, aus der (bloßen) Überprüfung des in Rede stehenden Vergleichsmaterials ergebe sich, dass Livia G***** – entgegen ihrer Versicherung, sie arbeite grundsätzlich nicht ohne Kondom – auch mit Mikail O***** „ungeschützten Geschlechtsverkehr gehabt haben muss“, und solcherart die vom Erstgericht bejahte Glaubwürdigkeit des Tatopfers in Frage zu stellen trachtet, spricht sie erneut keine entscheidende Tatsache an. Ausschließlich eine solche wäre aber tauglicher
Bezugspunkt des Einwands der Unvollständigkeit bei der
Beurteilung der Überzeugungskraft dieser Aussage (RIS‑Justiz RS0119422 [T4]).
Die Tatsachenrüge (Z 5a) vermag mit dem erneuten Hinweis auf die schon im Rahmen der Mängelrüge thematisierten Widersprüche in den Aussagen der Zeugin bei der Identifizierung des Angeklagten keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen zu wecken.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Ramazan C*****:
Entgegen dem Einwand offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) der Feststellung zu einem auf besondere Erniedrigung des Opfers gerichteten Vorsatz ist der vom Erstgericht gezogene Schluss vom Verhalten des Beschwerdeführers, der Livia G***** nach den Urteilsannahmen unmittelbar nach gegen ihrem Willen erfolgtem Vollzug des Vaginal- und Analverkehrs in einer für sie aussichtslosen Situation oral penetrierte und durch Festhalten ihres Unterkiefers zum Schlucken des Ejakulats zwang (US 6), auf ein diesem zugrunde liegendes Wissen und Wollen (US 11) nicht nur vertretbar, sondern bei einem (wie hier)
leugnenden Angeklagten in aller Regel methodisch gar
nicht zu ersetzen (RIS‑Justiz RS0116882 [T1, T3], RS0098671 [T5]).
Mit der Behauptung, die Annahme der Qualifikation nach § 201 Abs 2 vierter Fall StGB sei rechtlich verfehlt, weil die Ejakulation in den Mund des Opfers Folge jeden Oralverkehrs und somit (wie die Ejakulation beim Vaginal- oder Analverkehr in die jeweilige „Körperöffnung“) bereits vom Grundtatbestand des § 201 Abs 1 StGB mitumfasst sei, nimmt die Subsumtionsrüge (Z 10) prozessordnungswidrig nicht am Urteilssachverhalt Maß (RIS‑Justiz RS0099810). Sie übergeht nämlich die eben zitierten Konstatierungen, nach denen der Angeklagte Livia G***** zum Schlucken des Ejakulats zwang und sie (auch) dadurch in besonderer Weise erniedrigte (erneut US 6).
Davon abgesehen ist das Ejakulieren in den Mund – entgegen der Beschwerdeauffassung, die auf einer einzelnen Entscheidung des Obersten Gerichtshofs (richtig: 14 Os 169/93) basiert, die dazu keine Aussage trifft – keinesfalls notwendige Begleiterscheinung des Oralverkehrs, sondern stellt vielmehr – auch im Kontext mit den übrigen im Urteil angeführten Tatmodalitäten – eine derart schwerwiegende Herabsetzung des Opfers dar, dass damit das mit einer Vergewaltigung jedenfalls verbundene Maß an Demütigung erheblich überschritten wurde (vgl RIS‑Justiz RS0095315 [T4 und T6]).
Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen ergibt (§ 285i StPO).
Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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