Rechtssatz
Abgesehen davon, dass die Tatbegehung während eines anhängigen Strafverfahrens nicht als eigener (besonderer) Erschwerungsgrund im Sinne des § 33 Z 2 StGB, sondern allenfalls als Strafzumessungsaspekt nach § 32 Abs 2 StGB zu werten wäre, erlangt dieser Umstand bei der Strafbemessung nur dann Bedeutung, wenn das im Zeitpunkt der nunmehr abzuurteilenden Tat anhängig gewesene Strafverfahren mit einem rechtskräftigen Schuldspruch endete. Denn in diesem Fall kommt dem bereits laufenden und in eine Verurteilung mündenden Verfahren eine Warnfunktion zu, deren fehlende Beachtung infolge neuerlicher Delinquenz von einer gegenüber rechtlich geschützten Werten ablehnenden oder gleichgültigen Einstellung zeugt. Indem das Erstgericht ohne rechtskräftigen Abschluss dieses Strafverfahrens eine Missachtung der Warnfunktion unterstellt, damit aber einen Schuldspruch im noch anhängigen Verfahren voraussetzt, verstößt es gegen die Unschuldsvermutung des Art 6 Abs 2 MRK.
13 Os 101/08i | OGH | 27.08.2008 |
Vgl auch; Beisatz: Die Berücksichtigung eines noch nicht in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruchs sowie die Tatsache der Anklageerhebung in Betreff weiterer dem Beschwerdeführer vorgeworfener Taten zur Begründung einer auf wiederkehrende Begehung zu fortlaufender Einnahmeerzielung gerichteten Absicht verstoßen gegen die aus Art 6 Abs 2 MRK erhellende Unschuldsvermutung. (T1) |
Dokumentnummer
JJR_20040810_OGH0002_0140OS00092_0400000_001