OGH 14Os88/04

OGH14Os88/0410.8.2004

Der Oberste Gerichtshof hat am 10. August 2004 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Dr. Philipp, Hon. Prof. Dr. Scholl und Dr. Kirchbacher als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin MMag. Sengstschmid als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Peter B***** wegen des Vergehens des versuchten Diebstahls nach §§ 15, 127 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die vom Generalprokurator gegen die Verlesung von Zeugenaussagen anlässlich der Hauptverhandlung im Verfahren 9 U 54/02g des Bezirksgerichtes Innsbruck erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Fabrizy, und des Verteidigers Mag. Kruckenhauser, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Im Strafverfahren 9 U 54/02g des Bezirksgerichtes Innsbruck verletzt die Verlesung der Aussagen der Zeugen Felix R***** und Herbert A***** in der am 27. Oktober 2003 in Abwesenheit des Beschuldigten Peter B***** durchgeführten Hauptverhandlung das Gesetz in den Bestimmungen der §§ 458 Abs 5, 252 Abs 1 Z 4 StPO.

Gemäß § 292 letzter Satz StPO werden das Urteil des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 27. Oktober 2003, GZ 9 U 54/02g-30, sowie der gleichzeitig gemäß § 494a Abs 1 Z 2 und Abs 6 StPO verkündete Beschluss aufgehoben. Die Sache wird zu neuerlicher Verhandlung und Entscheidung an das Bezirksgericht Innsbruck verwiesen. Mit seiner Berufung wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Peter B***** wurde im Verfahren 9 U 54/02g des Bezirksgerichtes Innsbruck mit Abwesenheitsurteil vom 27. Oktober 2003 (ON 30) der Vergehen des versuchten Diebstahls nach §§ 15, 127 StGB und der Vollstreckungsvereitelung nach § 162 Abs 1 StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten verurteilt. Zugleich fasste das Erstgericht gemäß § 494 Abs 1 Z 2 und Abs 6 StPO den Beschluss, vom Widerruf der zu 27 Hv 6/01 des Landesgerichtes Innsbruck gemäß § 43a Abs 2 StGB gewährten bedingten Nachsicht eines Teils der Strafe abzusehen, jedoch die Probezeit auf fünf Jahre zu verlängern. Ein gegen dieses Abwesenheitsurteil gerichteter Einspruch wurde verworfen (ON 37). Der dagegen erhobenen Beschwerde gab das Landesgericht Innsbruck keine Folge (ON 40). Über die mit dem Einspruch verbundene Berufung wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe wurde bisher nicht entschieden.

Das Protokoll über die Hauptverhandlung am 27. Oktober 2003, zu welcher der gesetzeskonform geladene, unvertretene Beschuldigte unentschuldigt nicht erschienen war, enthält den Vermerk: "Gemäß § 252 Abs 1 Z 4 StPO werden verlesen die Zeugenaussagen Felix R***** in ON 4 und Herbert A***** in ON 17" (S 115).

Rechtliche Beurteilung

Diese Verlesung von amtlichen Protokollen über die Aussagen von Zeugen steht - wie der Generalprokurator in seiner deswegen erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend aufzeigt - mit dem Gesetz nicht in Einklang. Wegen eines aus dem bloßen Nichterscheinen zur Hauptverhandlung nicht ableitbaren Einverständnisses des Beschuldigten (14 Os 140/98 u.a., zuletzt 11 Os 35/04) verstieß die (demzufolge konsenslose) Verlesung der Zeugenaussagen, auf welche das schuldigsprechende Urteil im Wesentlichen gestützt wurde (vgl US 5), gegen §§ 252 Abs 1 Z 4, 458 Abs 5 StPO.

Der aufgezeigte Verfahrensmangel begründet Urteilsnichtigkeit nach § 468 Abs 1 Z 3 StPO, die mangels Geltendmachung durch den Angeklagten vom Berufungsgericht nicht aufgegriffen werden kann. Der Feststellung der aufgezeigten Gesetzesverletzung war, weil sie sich zum Nachteil des Angeklagten auswirkte, iSd § 292 letzter Satz StPO konkrete Wirkung zu verleihen und das davon betroffene Urteil sowie der damit zugleich verkündete Beschluss nach § 494a StPO aufzuheben und die Verfahrenserneuerung anzuordnen.

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