Spruch:
In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde sowie aus deren Anlass wird der Wahrspruch der Geschworenen zur Hauptfrage 2 zur Gänze und zur Eventualfrage 1 1, insoweit er dem Angeklagten zur Last legt, "versucht zu haben, Marlies H***** auch dadurch vorsätzlich am Körper schwer zu verletzen, dass er den Eintritt einer an sich schweren Verletzung und/oder einer über 24 Tage liegenden Gesundheitsstörung der Genannten zumindest ernstlich für möglich hielt und sich damit abfand", und das darauf beruhende Urteil, dass im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch 1 zur Gänze und im Schuldspruch 2, soweit er das (in der Entwicklungsstufe des Versuchs verbliebene [§ 15 StGB]) Vergehen der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs 1 StGB betrifft, ersatzlos, demgemäß auch im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) aufgehoben und die Sache an das Geschworenengericht beim Landesgericht für Strafsachen Graz zur nochmaligen Verhandlung und Entscheidung im Umfang der zum Schuldspruch 1 und im Strafausspruch vorgenommenen Aufhebung verwiesen.
Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen. Der Angeklagte wird mit seiner Berufung auf diese Entscheidung verwiesen.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen, auch einen Teilfreispruch enthaltenden Urteil wurde Horst M***** des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB (1) und der Vergehen der versuchten schweren Körperverletzung nach §§ (erg.: 15) 83 Abs 1, 84 Abs 1 und Abs 2 Z 1 StGB (2) sowie der schweren Sachbeschädigung nach §§ 125, 126 Abs 1 Z 7 StGB (3) schuldig erkannt.
Danach hat er am 27. Jänner 2002 in Graz
1. Aurelia A***** vorsätzlich getötet, indem er seinen PKW in selbstmörderischer Absicht mit einer Geschwindigkeit von zumindest 80 km/h frontal gegen das von ihr gelenkte Kraftfahrzeug steuerte und gegen ihr Fahrzeug stieß, wodurch die Genannte schwere Kopfverletzungen erlitt und am 5. Februar 2002 verstarb;
2. versucht, Marlies H***** vorsätzlich am Körper schwer zu verletzen, indem er seinen PKW gleichfalls in selbstmörderischer Absicht mit einer Geschwindigkeit von zumindest 50 km/h frontal gegen das entgegenkommende, von der Genannten gelenkte Fahrzeug steuerte, somit mit einem solchen Mittel und auf solche Weise, womit in der Regel Lebensgefahr verbunden ist, dabei "den Eintritt einer an sich schweren Verletzung und/oder einer über 24 Tagen liegenden Gesundheitsstörung der Marlies H***** zumindest ernstlich für möglich gehalten und sich damit abgefunden hat", wobei es infolge eines Ausweichmanövers der Genannten lediglich zu einer seitlichen Kollision mit deren PKW und zu dessen Beschädigung, nicht aber zu einer Verletzung der Frau kam;
3. fremde Sachen in einem 2.000 EUR, nicht aber 40.000 EUR übersteigenden Schadensbetrag vorsätzlich beschädigt, indem er gegen das von Aurelia A***** gelenkte Fahrzeug des Roman B***** stieß und dadurch einen Schaden in der Höhe von 7.100 EUR verursachte. Die Geschworenen hatten zum Faktum 1 die Hauptfrage 2 nach Mord mit 6:2 Stimmen bejaht, die Eventualfrage 2 1 nach Körperverletzung mit tödlichem Ausgang (§§ 83 Abs 1, 86 StGB) demgemäß unbeantwortet gelassen. Zum Faktum 2 wurde die Hauptfrage 1 nach versuchtem Mord mit 5:3 Stimmen verneint und die Eventualfrage 1 1 nach versuchter schwerer Körperverletzung (§§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 und Abs 2 Z 1 StGB) stimmeneinhellig bejaht.
Rechtliche Beurteilung
Der Angeklagte bekämpft dieses Urteil mit einer auf die Gründe der Z 6 und 8 des § 345 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der - soweit sie sich gegen den Schuldspruch 1. richtet - aus dem erstbezeichneten Nichtigkeitsgrund Berechtigung zukommt. Der Schwurgerichtshof hat die vom Beschwerdeführer vermisste Fragestellung in Richtung des Vergehens der fahrlässigen Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen (§ 81 Z 1 StGB) im Wesentlichen mit der Begründung abgelehnt, "die Verantwortung des Beschwerdeführers beinhalte jedenfalls die vorsätzliche Herbeiführung einer Kollision mit einem entgegenkommenden Fahrzeug und sei nach der allgemeinen Lebenserfahrung bei einem Frontalzusammenstoß mit der angestrebten Geschwindigkeit damit zumindest der Eintritt einer Körperverletzung bei den Insassen des entgegenkommenden Fahrzeugs konkret zu erwarten, während der Nichteintritt einer Verletzung geradezu denkunmöglich sei" (S 98/II).
Der Angeklagte stellte in der Hauptverhandlung ein vorsätzliches Handeln ausdrücklich in Abrede, indem er mehrfach betonte, gedanklich völlig auf seinen Selbstmord konzentriert gewesen zu sein, ohne dass ihm bewusst geworden wäre, gegen ein Auto zu fahren (S 32, 35/II), an "die anderen" zu denken oder zu realisieren, durch sein Verhalten andere Personen zu gefährden (S 81 f/II).
Ist ein vom Angeklagten in der Hauptverhandlung vorgebrachter Geschehensablauf an sich denkbar und bedarf es zu seiner Nichtannahme beweiswürdigender Überlegungen, ist eine entsprechende Fragestellung an die Geschworenen ohne Rücksicht auf die Glaubwürdigkeit der betreffenden Darstellung nach der Prozessordnung unabdingbar. Nur ein denkgesetzwidriges oder sonst unerhebliches Tatsachenvorbringen könnte eine dahingehende Fragestellung nicht indizieren (Schindler, WK-StPO § 314 Rz 14).
Mag auch die Verantwortung des Angeklagten vor dem Untersuchungsrichter, er habe gedacht, wenn er in ein entgegenkommendes Fahrzeug hineinfahre, würde es eine Explosion geben und er würde weniger von seinem Tod spüren (S 135/I), in Richtung (bedingten) Mordvorsatzes (bei beiden Kollisionsgeschehen) weisen, so muss den Geschworenen, deren Erwägungen in der Niederschrift nach § 331 Abs 3 StPO, zumal bei dem Abstimmungsverhalten, wenngleich sanktionslos (Ratz, WK-StPO § 345 Rz 71) eine beredte Sprache sprechen (pauschal zu allen Fragen nur ein Wort: "Beweisverfahren"), doch die Möglichkeit geboten werden, auf die Einlassung des Angeklagten in der Hauptverhandlung im Wege einer allfälligen Beantwortung der vom Rechtsmittelwerber begehrten Frage nach fahrlässiger Tatbegehung zu reagieren.
Damit ist die Aufhebung des Schuldspruchs 1 unumgänglich. Hingegen vermag die gerügte Unterlassung einer Fragestellung in Richtung des § 11 StGB hinsichtlich sämtlicher Schuldspruchsfakten keinen Verstoß gegen § 313 StPO zu begründen. Der psychiatrische Sachverständige Univ. Prof. Dr. Hoffmann gelangte zum Ergebnis, dass die für die Annahme dieses Schuldausschließungsgrundes erforderliche pathologische Grundlage nicht vorhanden war (S 35 - 45/II). Auch die Verantwortung des Angeklagten und das darauf Bezug nehmende Beschwerdevorbringen lassen konkrete Anhaltspunkte für eine fehlende Diskretions- oder Dispositionsfähigkeit nicht erkennen, die die diesbezüglich begehrte Ergänzung des Fragenschemas rechtfertigen würde.
Die Instruktionsrüge (Z 8), in der eine unvollständige Rechtsbelehrung zur Frage der bewussten Fahrlässigkeit geltend gemacht wird, versagt schon deshalb, weil eine Eventualfrage nach einer Fahrlässigkeitstat nicht gestellt wurde, sodass die Rechtsbelehrung über den bedingten Vorsatz auf den Unterschied zur - auf deren S 17 beschriebenen - bewussten Fahrlässigkeit nicht ausdrücklich einzugehen brauchte (Mayerhofer StPO4 § 345 Z 8 E 57). Soweit der Beschwerdeführer den in der schriftlichen Rechtsbelehrung enthaltenen Hinweis auf die allgemeine Rechtsbelehrung rügt, genügt es, auf die ausdrückliche gesetzliche Anordnung des § 325 Abs 2 StPO zu verweisen, wonach mehrere Abdrucke der aus Abs 1 leg cit ersichtlichen Belehrung sowie der angeführten Bestimmungen im Beratungszimmer der Geschworenen angeschlagen sein sollen.
Zur Maßnahme gemäß § 290 Abs 1 (§ 344) StPO:
Dem Schuldspruch 2 wegen des Vergehens der versuchten schweren Körperverletzung nach §§ 15, 83 Abs 1, 84 Abs 1 und Abs 2 Z 1 StGB haftet zum Nachteil des Angeklagten die nicht geltend gemachte Nichtigkeit nach § 345 Abs 1 Z 12 StPO an. Denn nach ständiger Rechtsprechung ist in den Fällen des § 84 Abs 1 StGB im Gegensatz zu § 84 Abs 2 StGB ein Versuch generell ausgeschlossen (Burgstaller/Fabrizy WK2 § 84 Rz 38, Burgstaller WK2 § 7 Rz 32 je mwN).
Die vom Schwurgerichtshof rechtsirrig angenommene Qualifikation war daher ersatzlos aus dem sonst unberührt bleibenden Schuldspruch wegen versuchter schwerer Körperverletzung auszuschalten. Der Angeklagte war mit seiner Berufung auf die erforderliche teilweise Kassation zu verweisen; im Übrigen war seine Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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