Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Youssef R***** des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB schuldig erkannt.
Danach hat er am 24. September 2013 in K***** seine Ehefrau Manuela R***** zu töten versucht, indem er ihr mit einem Küchenmesser (32 cm Gesamtlänge, 20 cm Klingenlänge und 4,5 cm Klingenbreite) einen Stich in den Rücken versetzte, wodurch die Genannte eine an sich schwere und lebensgefährliche, mit einer länger als 24 Tage dauernden Gesundheitsschädigung verbundene Verletzung, nämlich eine etwa 10 cm tiefe Stichverletzung, ausgehend von der unteren Brustkorbgegend etwa 5 cm rechts der Wirbelsäule mit Verlauf durch den unteren Anteil der rechten Brusthöhle in die Leber, erlitt und nur durch eine rechtzeitig durchgeführte Notoperation überlebte.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen (der Sache nach) aus den Gründen der Z 4 und 5 des § 345 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.
Sie wendet sich ausschließlich dagegen, dass der Amtsvermerk vom 24. September 2013 (ON 75 S 23 ff) über die Angaben des Beschwerdeführers gegenüber den am Tatort einschreitenden Kriminalbeamten (wonach er „die Situation beenden wollte“ und seine Frau mit einem Küchenmesser „erstochen“ habe) gegen seinen Antrag (ON 104 S 33) durch (einer Verlesung gleichzuhaltenden, vgl dazu Kirchbacher , WK‑StPO § 246 Rz 204; Ratz , ÖJZ 2000, 550 ff) Vorhalt gegenüber dem Zeugen Michael W***** und Befragung des Genannten über dessen Inhalt (ON 104 S 33 bis 37) in der Hauptverhandlung vorgekommen ist. Die Rüge bringt dazu vor, es handle sich bei dem Amtsvermerk um eine Zusammenfassung einer Befragung des Beschwerdeführers durch die Kriminalpolizei, welche ‑ mangels vorangehender Belehrung über seine Beschuldigtenrechte nach § 164 Abs 1 StPO trotz zu diesem Zeitpunkt bereits vorliegenden konkreten Tatverdachts ‑ „in Verletzung der Rechtsvorschriften des § 152 Abs 1 StPO, sowie § 166 StPO“ erfolgt sei.
Nichtigkeit nach
Z 4 des § 345 Abs 1
StPO setzt einen Verstoß gegen eine der in dieser Bestimmung
taxativ aufgezählten Vorschriften voraus (RIS‑Justiz RS0099118). Indem der Beschwerdeführer bloß auf §§ 152 Abs 1 und 166 StPO rekurriert, bezieht er sich gar nicht auf solche Vorschriften (Ratz, WK
‑StPO § 281 Rz 90, 188, 227).
Zur Geltendmachung des Nichtigkeitsgrundes des § 345 Abs 1 Z 3 StPO, der sich auf die Verlesung eines Protokolls oder eines anderen amtlichen Schriftstücks über eine nichtige Erkundigung (wie § 152 Abs 1 StPO) oder Beweisaufnahme (wie § 166 Abs 2 StPO) im Ermittlungsverfahren bezieht ( Ratz , WK-StPO § 281 Rz 174), ist der Beschwerdeführer hinwieder nicht legitimiert, weil er am Ende der Hauptverhandlung am 14. Mai 2014 einem zusammenfassenden Vortrag des gesamten Akteninhalts durch die Vorsitzende (§ 252 Abs 2a StPO) uneingeschränkt ausdrücklich zugestimmt (ON 104 S 64) und damit den ‑ durch die in der Beschwerde angesprochene Antragstellung de facto erhobenen ‑ ursprünglichen Widerspruch gegen die Verlesung des Amtsvermerks widerrufen hat (RIS‑Justiz RS0116040).
Während die Z 3 des § 345 Abs 1 StPO nur die tatsächliche Verlesung von Schriftstücken (sowie den zusammenfassenden Vortrag dessen Inhalts durch den Vorsitzenden) oder die Vorführung technischer Aufzeichnungen von Beginn der Hauptverhandlung bis zu deren Schluss sanktioniert, kann einer anderen Art des Vorkommens aus Z 5 entgegengewirkt werden ( Ratz , WK‑StPO § 345 Rz 2 iVm § 281 Rz 170).
Unabdingbare Voraussetzung einer erfolgversprechenden Rüge aus Z 5 ist allerdings ‑ soweit hier wesentlich ‑ ein (den Kriterien des § 55 StPO entsprechender) Antrag sowie ein gegen diesen gefasster Beschluss oder die Nichterledigung eines Antrags, mit anderen Worten eine Befassung des Schöffengerichts (Schwurgerichtshofs) durch den Beschwerdeführer ( Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 302, 304).
Nach dem ‑ unwidersprochen gebliebenen ‑ Protokoll über die Hauptverhandlung hat sich die Verteidigerin vorliegend zwar unter (sinngemäßer) Berufung auf §§ 152 Abs 1, 166 Abs 2 StPO gegen die Befragung des Zeugen Michael W***** zum Inhalt des von ihm verfassten Aktenvermerks (sowie gegen dessen Verlesung ausgesprochen) und „darüber eine Beschlussfassung beantragt“ (ON 104 S 33). Diesen Antrag nahm die Vorsitzende „zur Kenntnis“ und „wies darauf hin“, dass ihrer Ansicht einerseits kein Antragsrecht hinsichtlich der Fragestellung durch die Vorsitzende des Schöffengerichts bestehe und das Begehren andererseits auch inhaltlich nicht berechtigt sei, weil weder ein Fall des § 166 Abs 1 StPO vorliege, noch ein Protokoll oder amtliches Schriftstück im Sinn des § 252 Abs 2 Z 1 StPO in Rede stehe, der Amtsvermerk vielmehr ein ‑ nach § 252 Abs 2 StPO zwingend zu verlesendes ‑ „Schriftstück anderer Art“ darstelle (ON 104 S 33 f), womit sie der Sache nach eine ihr nicht zustehende Kompetenz zur Abweisung eines Antrags in Anspruch genommen hat (§ 238 iVm § 302 Abs 1 StPO; Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 303). Eine Entscheidung des Schwurgerichtshofs zu begehren, hat der Beschwerdeführer in der Folge aber unterlassen, womit ihm die Verfahrensrüge nach § 345 Abs 1 Z 5 StPO nach dem Vorgesagten gleichfalls nicht zusteht ( Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 318).
Davon abgesehen überzeugte sich der Oberste Gerichtshof ‑ mangels vom Schwurgerichtshof dazu erkennbar getroffener Sachverhaltsannahmen in freier Beweiswürdigung (vgl dazu Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 49 ff) ‑ aufgrund der Aussage des Zeugen Michael W***** in der Hauptverhandlung davon, dass der Angeklagte die im Amtsvermerk zusammengefassten Äußerungen ‑ trotz Belehrung darüber, dass er als Beschuldigter das Recht habe, „gar nichts zu sagen“ (§ 164 Abs 1 StPO) ‑ spontan und aus eigenem Antrieb tätigte, womit weder von einer nichtigen Erkundigung im Sinn des § 152 Abs 1 StPO noch von einem schweren Vernehmungsfehler (§
166 Abs 1 Z 2
StPO), der ein Beweisverbot im Sinn des §
166 Abs 2
StPO bewirkt, die Rede sein kann (vgl zum Ganzen [auch zur Differenzierung von Erkundigung und Vernehmung] Michel‑Kwapinski, WK
‑StPO § 166 Rz 16 ff; Fabrizy, StPO11 § 166 Rz 4 ff jeweils mit Hinweis auf ErläutRV 25 BlgNR 22. GP 139, 215 f; Kirchbacher, WK-
StPO § 246 Rz 99 f).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§§ 285i, 344 StPO).
Die Kostenersatzpflicht beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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