OGH 14Os71/87

OGH14Os71/8724.6.1987

Der Oberste Gerichtshof hat am 24.Juni 1987 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Lachner und Dr. Massauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Kleindienst-Passweg als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Eduard S*** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens der versuchten Notzucht nach §§ 15, 201 Abs. 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Eduard S*** und Reinhard K*** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 28.Jänner 1987, GZ 11 Vr 3272/86-32, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Strasser, und des Verteidigers Dr. Hübner, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden - neben einem weiteren Angeklagten - der 33-jährige Eduard S*** und der 23-jährige Reinhard K*** (zu II/1) des Verbrechens der versuchten Notzucht nach §§ 15, 201 Abs. 1 StGB, S*** überdies (zu II/3) des Vergehens des schweren Diebstahls nach §§ 127 Abs. 1, 128 Abs. 1 Z 1 StGB und K*** außerdem der Vergehen (zu I/) der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB sowie (zu II/2) der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 StGB schuldig erkannt. Zu Punkt II/1 des Urteilssatzes liegt den Genannten zur Last, am 25. September 1986 in Graz im bewußt gemeinsamen Zusammenwirken als Mittäter mit dem (unter einem rechtskräftig abgeurteilten) Mitangeklagten Josef S*** versucht zu haben, Elisabeth W*** mit Gewalt gegen ihre Person, nämlich durch Festhalten an Armen und Beinen, Zuhalten des Mundes sowie Wegzerren und Wegtragen widerstandsunfähig zu machen und in diesem Zustand zum außerehelichen Beischlaf zu mißbrauchen, wobei die Vollendung der Tat nur wegen des Dazwischentretens einer dritten Person unterblieben ist.

Der Sache nach nur gegen diesen Punkt des Schuldspruchs richten sich die (getrennt ausgeführten) Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Eduard S*** und Reinhard K***, in welchen jeweils die Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO, von K*** überdies auch die Z 10 der zitierten Gesetzesstelle, geltend gemacht wird.

Beide Beschwerden sind unbegründet.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten S***:

Dieser Angeklagte bekämpft mit seiner (allein erhobenen) Mängelrüge (Z 5) die Urteilsfeststellung, daß auch er sich an den Gewalttaten gegen das Opfer aktiv beteiligte.

Rechtliche Beurteilung

Die Rüge ist - abgesehen davon, daß die angefochtene Konstatierung durch die Aussagen des Opfers, wonach sie von allen drei Angeklagten erfaßt und über die Entfernung von ca 50 Metern teils getragen, teils geschleift bzw gezerrt wurde (S 209, 212 in Verbindung mit S 79 f d.A), mängelfrei begründet ist - nicht der Prozeßordnung gemäß ausgeführt, weil sie keine entscheidungswesentlichen Tatumstände betrifft.

Der Beschwerdeführer bestreitet nämlich (auch in der Beschwerde) weder seine Ortsanwesenheit während der Gewalteinwirkung und seinen an die beiden anderen Täter gerichteten, diese (auch) verbal unterstützenden Zuruf, das Opfer um die Ecke zu einer dunklen Stelle zu zerren, wo es niemand hören und sehen könne, noch sein Vorhaben, sodann selbst mit dem (widerstandsunfähigen) Opfer geschlechtlich zu verkehren. Sind die Zielvorstellungen eines Täters (§ 5 Abs. 1 StGB) darauf gerichtet, selbst Ausführungshandlungen zu setzen, dann haftet er denknotwendig als unmittelbarer Täter im Sinne des ersten Falles des § 12 StGB für den Deliktsversuch, ohne Rücksicht darauf, ob - isoliert betrachtet - sein faktischer Beitrag an der im Versuchsstadium gebliebenen Verwirklichung des - hier zweiaktigen - Deliktes bereits den Kriterien dieser Täterschaftsform oder, wie dies offenbar der Beschwerde vorschwebt, bloß dem dritten Fall der zitierten Gesetzesstelle (sonstiger Tatbeitrag) entspricht oder nicht (vgl ähnlich Mayerhofer-Rieder StGB2 ENr 31 a, 32 zu § 12).

Im übrigen vermöchte - was nur am Rande erwähnt sei - selbst ein Vergreifen bei der Zurechnung einer der Täterschaftsformen des § 12 StGB im Hinblick auf deren rechtliche Gleichwertigkeit keine Nichtigkeit zu begründen, wenn der Beteiligungsanteil des betreffenden Täters in sachverhaltsmäßiger Beziehung (§ 260 Abs. 1 Z 1 StPO) mit hinreichender Deutlichkeit festgestellt ist (Leukauf-Steininger Komm2 § 12 RN 57 ff; 13 Os 168/86 uva).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten K***:

Soweit der Angeklagte K*** in der Mängelrüge (Z 5) zunächst die Feststellung der Kenntnis des Mitangeklagten Josef S*** von dem Vorhaben der Angeklagten S*** und K***, mit Elisabeth W*** gegen deren Willen geschlechtlich zu verkehren (S 221 d.A), als "nicht nachvollziehbar" und undeutlich bekämpft, ist nicht ersichtlich, was daraus für ihn gewonnen werden soll. Die Konstatierung hinwieder, daß auch er den Vorsatz hatte, mit W*** (nicht bloß einen Oralverkehr, sondern schließlich) einen Geschlechtsverkehr zu vollziehen (S 221 d.A), hat das Erstgericht mit der Bezugnahme auf das in freier Beweiswürdigung (§ 258 Abs. 2 StPO) als glaubwürdig befundene Geständnis des Beschwerdeführers vor der Polizei (S 53, 55 in Verbindung mit S 212 d.A) mängelfrei begründet (S 223 f d.A). Daß nach den weiteren Zielvorstellungen (§ 5 Abs. 1 StGB) des Beschwerdeführers die Widerstandsunfähigkeit des Opfers Mittel zu diesem Zweck sein sollte (vgl Pallin im WK § 201 Rz 26), konnte das Erstgericht, der Beschwerde zuwider, denkfolgerichtig sowie im Einklang mit der allgemeinen und der forensischen Erfahrung aus dem äußeren Tatablauf ableiten (S 224 d.A).

Entgegen den Beschwerdeausführungen in der Rechtsrüge (Z 10) waren die festgestellten Gewaltakte nach Art und Ausmaß generell geeignet, eine Frau in der Lage und im Kräftezustand des Opfers widerstandsunfähig zu machen (vgl Pallin aaO Rz 8). Wird eine Frau, wie Elisabeth W*** - die noch dazu von zierlichem Wuchs ist (S 221 d.A) - zur Nachtzeit auf sonst menschenleerer Straße von drei Männern verfolgt, an Armen und Beinen erfaßt, ihr der Mund zugehalten und sie über eine Strecke von ca 50 Meter teils getragen, teils geschleift, um sie an eine dunkle Stelle zu bringen, wo sie niemand hätte hören und sehen können, dann kann der solcherart bereits gegebene, auch den Tätern bewußte Zustand extremer Hilflosigkeit des sich nach den weiteren Urteilsfeststellungen chancenlos wehrenden und deshalb zur Betätigung ihres dem unmittelbar drohenden geschlechtlichen Mißbrauch entgegengerichteten Willens nicht mehr fähigen Opfers nicht ernsthaft bezweifelt werden. Daß das Unternehmen, bevor es zum geschlechtlichen Mißbrauch kam, scheiterte, weil das Opfer, obwohl ihm der Mund zugehalten wurde, letztlich doch noch um Hilfe rufen konnte und diese Hilferufe von einer in der Nähe wohnenden Frau gehört wurden, welche sodann den Tätern zurief, vom Opfer abzulassen, vermag an der vordem schon eingetretenen Widerstandsunfähigkeit nichts zu ändern. Mit dem Einwand gegen die Beurteilung des Tatverhaltens des Beschwerdeführers als unmittelbare (Mit-)Täterschaft im Sinn des ersten Falles statt - wie die Beschwerde reklamiert - als sonstiger Tatbeitrag gemäß dem dritten Fall des § 12 StGB wird der materielle Nichtigkeitsgrund, der stets ein Festhalten am Urteilssachverhalt voraussetzt, nicht zur prozeßordnungsgemäßen Darstellung gebracht. Denn das Erstgericht hat - wie erwähnt - ausdrücklich als erwiesen angenommen, daß auch der Vorsatz des Beschwerdeführers darauf gerichtet war, das Opfer selbst geschlechtlich zu mißbrauchen, womit aber für die Annahme eines (bloßen) sonstigen Tatbeitrags nach dem dritten Fall des § 12 StGB kein Raum bleibt.

Beiden Nichtigkeitsbeschwerden kommt daher keine Berechtigung zu, weshalb sie zu verwerfen waren.

Das Schöffengericht verurteilte die Angeklagten Eduard S*** und Reinhard K*** nach §§ 28, 201 Abs. 1 StGB zu Freiheitsstrafen, und zwar S*** zu 3 (drei) Jahren und K*** zu 4 1/2 (viereinhalb) Jahren. Dabei wertete es als erschwerend bei beiden Angeklagten die mehrfachen, überwiegend auf derselben schädlichen Neigung beruhenden Vorstrafen "in Verbindung mit dem negativen Leumund", ferner bei S*** das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen und bei K*** das Zusammentreffen eines Verbrechens mit zwei Vergehen, den raschen Rückfall und die besondere Brutalität der Tätlichkeit gegen Elisabeth W***; als mildernd hielt es beiden Angeklagten zugute, daß die Notzucht beim Versuch geblieben ist, weiters dem Angeklagten S*** das Geständnis und dem Angeklagten K*** das teilweise Geständnis.

Mit ihren Berufungen streben die Angeklagten S*** und K***

die Herabsetzung der Strafe an.

Den Berufungen kommt keine Berechtigung zu.

Das Erstgericht hat die Strafzumessungsgründe in Ansehung beider Berufungswerber im wesentlichen richtig und vollständig festgestellt, aber auch zutreffend gewürdigt. Beim Angeklagten K*** fällt insbesondere zu seinen Lasten ins Gewicht, daß er bereits wiederholt wegen Aggressionsdelikten abgestraft und nur rund fünf Monate nach Verbüßung einer Freiheitsstrafe wegen §§ 15, 83 Abs. 1, 107 Abs. 1 und 125 StGB abermals (unter anderem) ein Körperverletzungsdelikt begangen hat, wobei sein bezügliches Tatverhalten von besonderer Roheit und Brutalität gekennzeichnet ist. Soweit er sich auf seine Alkoholisierung zur Tatzeit beruft und die dadurch bedingte verminderte Zurechnungsfähigkeit als mildernd gewertet wissen will, so schlägt schon im Hinblick auf seine Vorstrafe wegen Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung (Punkt 4 der Strafregisterauskunft) die gemäß § 35 StGB gebotene Vorwurfsabwägung zu seinen Ungunsten aus, sodaß der reklamierte Milderungsgrund nicht gegeben ist. Angesichts der Schwere seiner Täterschuld und des Unrechts seiner Taten in Verbindung mit seinem kriminellen Vorleben erweist sich demnach die über ihn verhängte Strafe als nicht überhöht.

Aber auch der Angeklagte S*** vermag keine Umstände aufzuzeigen, die seine Taten in milderem Licht erscheinen lassen können. Auch sein Vorleben weist ihn als einen Straftäter aus, der den rechtlich geschützten Werten ersichtlich ablehnend gegenübersteht und immer wieder - in erster Linie wegen Vermögensdelikten, somit wegen Straftaten, die auf der gleichen schädlichen Neigung beruhen wie der ihm vorliegend angelastete Bedrängnisdiebstahl, darüber hinaus aber auch wegen Aggressionsdelikten (vgl hiezu die Punkte 2, 3, 7, 8 und 12 der Strafregisterauskunft) - rückfällig wird. Mithin konnte auch bei ihm dem Begehren um Reduktion der Strafe, die im übrigen in einer durchaus angemessenen Relation zur Strafe des Mitangeklagten K*** steht, nicht nähergetreten werden.

Es war daher auch den Berufungen ein Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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