European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0140OS00071.19A.0903.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Remigijus K***** des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 2 Z 1, 130 Abs 1 und 3 (richtig: 130 Abs 3 [iVm Abs 1 erster Fall]), § 15 StGB (I/) und des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 223 Abs 2, 224 StGB (II/) schuldig erkannt.
Danach hat er
(I/) im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit einem Mittäter (§ 12 StGB) anderen fremde bewegliche Sachen [in einem 5.000 Euro übersteigenden Gesamtwert – vgl US 8] durch Einbruch in Wohnstätten mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz gewerbsmäßig weggenommen (I/3/4/7/) und wegzunehmen versucht (I/1/2/5/6/), und zwar
1/ am 25. Juli 2018 in M***** Walter W*****, indem sie mehrere Gitter des Kellerschachts entfernten, in den Schacht zum gekippten Kellerfenster des Wohnhauses hinunterstiegen, um dieses aufzubrechen, aufzufindende Wertgegenstände unbekannten Wertes, wobei die Tat infolge Einschreitens des Walter W***** beim Versuch blieb;
2/ am 25. Juli 2018 in M***** Gertraud F*****, indem sie den Fensterrollladen der Parterrewohnung unter Gewaltanwendung zu öffnen versuchten, was jedoch nicht gelang (US 9), aufzufindende Wertgegenstände unbekannten Wertes;
3/ am 30. Juli 2018 in A***** Günther S***** und Edith T*****, indem sie das gekippte Toilettenfenster deren Einfamilienhauses aushängten und sich über dieses Fenster Zutritt zu den Wohnräumlichkeiten verschafften, einen Laptop samt Tasche, diverse Alkoholika, Uhren, Schmuck und ein Paar Kopfhörer im Wert von zumindest 2.500 Euro;
4/ am 31. Juli 2018 in W***** Roland B*****, indem sie über ein offen stehendes Fenster im ersten Obergeschoß in das Wohnhaus einstiegen, einen Laptop, einen iPod, Schmuck und Parfums im Wert von zumindest 3.000 Euro;
5/ am 31. Juli 2018 in G***** Jens E*****, indem sie mit einem Werkzeug die Terrassentür aufzuzwängen trachteten, was jedoch nicht gelang (US 10), aufzufindende Wertgegenstände unbekannten Wertes;
6/ zwischen 31. Juli und 2. August 2018 in D***** Erika P*****, indem sie mit einem Werkzeug ein Fenster zum Wohnhaus aushebelten, in das Haus einstiegen, es durchsuchten, jedoch keine Wertgegenstände vorfanden (US 10), aufzufindende Wertgegenstände unbekannten Wertes;
7/ am 1. August 2018 in H***** Daniel R*****, indem sie die Hauseingangstür aufbrachen, Bargeld, Schmuck, drei Laptops, eine Spielkonsole samt Spiel, Uhren, Parfums, einen Rucksack und mehrere Ladekabel im Wert von insgesamt circa 2.500 Euro;
II/ am 23. Juli 2018 in S***** eine falsche ausländische öffentliche Urkunde, die durch Gesetz oder zwischenstaatlichen Vertrag inländischen öffentlichen Urkunden gleichgestellt ist, und zwar einen gefälschten litauischen Führerschein [lautend auf Remigijus K***** – US 8] im Rechtsverkehr zum Beweis einer Tatsache, nämlich über eine aufrechte und gültige Lenkerberechtigung zu verfügen, gebraucht, indem er ihn anlässlich der Anmietung eines Fahrzeugs bei dem Unternehmen Bu***** vorlegte.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5 und 11 StPO ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.
Soweit die Mängelrüge eine offenbar unzureichende Begründung (Z 5 vierter Fall) der Konstatierungen zur „jeweiligen Werthöhe“ der weggenommenen Sachen zu I/3/, 4/ und 7/ releviert, bezieht sie sich nicht auf schuld- oder subsumtionsrelevante Umstände (RIS-Justiz RS0114035, RS0120980).
Insofern dieses Vorbringen auch die Begründung der Feststellung eines insgesamt 5.000 Euro übersteigenden Wertes der weggenommenen Sachen (§ 128 Abs 1 Z 5 StGB) als offenbar unzureichend (Z 5 vierter Fall) kritisiert, ist auf die bezughabenden Erwägungen auf US 16 (iZm den jeweils angeführten Fundstellen auf den US 2 f und 10 f) zu verweisen. Demnach stützten die Tatrichter die Konstatierungen zur „Höhe der Beute“ – unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden – auf die (in der Hauptverhandlung vorgetragenen – vgl ON 151 S 5) Ergebnisse der polizeilichen Ermittlungen, insbesondere den Abschlussbericht der Landespolizeidirektion Tirol.
Mit den spekulativen Erwägungen zu einem raschen Wertverlust technischer Geräte, dem Vorbringen bloß „vager“ (Wert‑)Angaben der Geschädigten und des Fehlens „tauglicher Unterlagen“ zeigt die Beschwerde kein Begründungsdefizit auf, sondern kritisiert in unzulässiger Form die Beweiswürdigung des Schöffengerichts.
Indem die Mängelrüge (Z 5 erster Fall) zu I/7/ Undeutlichkeit der Konstatierung zum Wert der weggenommenen Sachen von „insgesamt ca 2.500 Euro“ durch Verwendung des Wortes „circa“ kritisiert, spricht sie– angesichts des die Wertgrenze des § 128 Abs 1 Z 5 StGB bereits überschreitenden Beutewerts zu I/3/ und 4/ – keine entscheidende Tatsache an (RIS-Justiz RS0117264, RS0099406).
Entgegen der Sanktionsrüge, die die verfehlte Anwendung des § 39 StGB releviert (Z 11 erster Fall), hat das – bloß auf den durch § 130 Abs 3 StGB gesteckten Strafrahmen Bezug nehmende (§ 28 Abs 1 StGB; US 4) – Erstgericht eine (auf § 39 StGB gegründete) erweiterte Strafbefugnis gar nicht in Rechnung gestellt (vgl auch RIS‑Justiz RS0125294).
Jedoch haftet dem Strafausspruch in Ansehung der erschwerenden Wertung des „Vorliegens der Voraussetzungen der Strafschärfung nach § 39 StGB“ (US 17; zur Zulässigkeit im Allgemeinen siehe RIS-Justiz RS0108868) eine – vom Angeklagten nicht geltend gemachte – Nichtigkeit aus § 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO an.
Nach den relevanten Konstatierungen (US 7) wurde der Angeklagte mit Urteil des Landesgerichts Wiesbaden vom 23. April 2009, AZ 6330 Js 212236/08 1 Kls, „wegen schweren Bandendiebstahls in vier Fällen sowie wegen versuchten erpresserischen Menschenraubes in zwei Fällen zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und neun Monaten verurteilt“. Mit Urteil des Landesgerichts Wiesbaden vom 20. September 2010, AZ 4473 Js 23494/08 Kls, wurde K***** „wegen gemeinschaftlich begangenen erpresserischen Menschenraubes in Tateinheit mit schwerem Raub in Tateinheit mit besonders schwerer räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von dreizehn Jahren verurteilt“. In der Schweiz wurde der Angeklagte mit Strafmandat der Staatsanwaltschaft Limmattal vom 15. Jänner 2018, AZ B‑5/2017/37112, „wegen Diebstahlsversuchs und Sachbeschädigung zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen á 30 CHF verurteilt, wobei er sich in diesem Verfahren 67 Tage in Untersuchungshaft befand. Er wurde zuletzt im Jänner 2018 in der Schweiz aus einer Haftstrafe entlassen, nachdem er zuvor [eigenen Angaben zufolge] in Deutschland im Sommer 2015 bzw im Sommer 2016 aus einer längeren Haftstrafe entlassen wurde“.
Dass der Angeklagte beide über ihn mit Urteilen des Landesgerichts Wiesbaden verhängten Freiheitsstrafen wenigstens zum Teil, wenn auch nur durch Anrechnung einer Vorhaft (oder der mit dem Vollzug einer vorbeugenden Maßnahme verbundenen Freiheitsentziehung) verbüßt hat (vgl § 39 Abs 1 erster Halbsatz StGB), wurde nicht festgestellt. Die Berücksichtigung der Vorhaft im Zusammenhang mit einer Sanktionierung durch eine ausländische Staatsanwaltschaft kommt als rückfallsbegründend nicht in Betracht (vgl § 73 StGB). Die Urteilskonstatierungen (und im Übrigen auch die Aktenlage – vgl ON 40, 46, 133 S 3) lassen daher den rechtlichen Schluss auf die Erfüllung der Voraussetzungen der Strafschärfung bei Rückfall nach § 39 StGB nicht zu.
Der daraus resultierenden Nichtigkeit des Strafausspruchs (§ 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO) kann jedoch im Rahmen der Entscheidung über die Berufung des Angeklagten gegen den Ausspruch über die Strafe Rechnung getragen werden, weshalb es einer amtswegigen Maßnahme nach § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO nicht bedarf (vgl RIS-Justiz RS0119220 [insb T2], RS0122140).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO). Dabei wird dieses die für die Beurteilung des Vorliegens des Erschwerungsgrundes des § 39 StGB erforderlichen Erhebungen zur konkreten Strafverbüßung vorzunehmen haben.
Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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