European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0140OS00069.19G.0903.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde die Unterbringung des Ralf G***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB angeordnet.
Danach hat er in A***** unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad, nämlich einer manisch‑psychotischen Symptomatik bei zugrundeliegender schizoaffektiver Erkrankung, beruht, seine Mutter Eva‑Maria G*****
I./ am 13. Dezember 2018 durch die Äußerung „jetzt schleich die außi, weil sonst stich' i di o“, somit durch eine Drohung mit dem Tod, zu einer Handlung, nämlich zum Verlassen der Wohnung genötigt;
II./ am 14. Dezember 2018 durch die Äußerung gegenüber den einschreitenden Polizeibeamten Martin B***** und Thomas S***** „Wenn sie kommt, stech‘ ich sie ab“ gefährlich mit dem Tod bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, wobei es ihm darauf ankam, dass seine Mutter davon Kenntnis erlangt,
sohin Taten begangen, die als das Verbrechen der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 [erster Fall] StGB (I./) und als das Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und 2 [erster Fall] StGB (II./) jeweils mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht sind.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5, 5a, 9 lit a, 10 und 11 StPO ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen kommt keine Berechtigung zu.
Entgegen dem Vorwurf offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall)
der Konstatierungen zur subjektiven Tatseite begegnet deren Ableitung aus dem äußeren Geschehen (US 6), insbesondere der Handlungsweise des Betroffenen, unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit keinen Bedenken. Denn der Schluss von einem gezeigten Verhalten auf ein zugrunde liegendes Wollen oder Wissen ist rechtsstaatlich vertretbar und bei einem – wie hier – leugnenden Betroffenen in aller Regel methodisch gar nicht zu ersetzen (vgl RIS‑Justiz RS0116882, RS0098671; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 452).
Ebenso wenig blieb – dem weiteren Vorbringen der Mängelrüge zuwider (Z 5 vierter Fall) – die zu II./ festgestellte Absicht des Betroffenen auf Weiterleitung der Drohung (mit dem Tod) an seine Mutter
unbegründet, ist doch die Begründung (zur subjektiven Tatseite) im Kontext mit der nur einen Tag zuvor ebenfalls gegen die Mutter ausgestoßenen Todesdrohung zu verstehen und daher der von den Tatrichtern gezogene Schluss aus dem (konkret dargestellten) äußeren Geschehen (US 4 f) auch auf die Intention, dass die Bedrohte von der Drohung in Kenntnis gesetzt werde, nicht zu beanstanden.
Mit dem Einwand, das Erstgericht habe vorangegangene Äußerungen des Betroffenen gegenüber seiner Mutter, welche diese offensichtlich nicht als bedrohlich wahrgenommen habe, bei der Begründung der subjektiven Tatseite außer Acht gelassen, spricht die Mängelrüge weder entscheidende noch
erhebliche Tatsachen (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 409) an, weil hieraus keine Rückschlüsse auf die innere Einstellung des Betroffenen zum Zeitpunkt der ihm vorgeworfenen Tathandlungen ableitbar sind. Selbiges gilt für das Vorbringen, wonach zu berücksichtigen sei, dass die zu II./ genannte Äußerung im Zustand emotionaler Erregung getätigt worden sei. Insofern bestand unter dem Aspekt der Unvollständigkeit (
Z 5 zweiter Fall) auch
keine Verpflichtung der Tatrichter zu einer gesonderten Auseinandersetzung mit den als übergangen kritisierten Passagen aus den Aussagen der Mutter des Betroffenen und jenen der beiden einschreitenden Polizeibeamten.
Die Feststellungen zum Bedeutungsinhalt der Äußerungen wurden – der Stellungnahme der Generalprokuratur zuwider – aus Z 5 nicht bekämpft.
Indem die Tatsachenrüge (Z 5a) auf einzelne Textpassagen der Aussage des Tatopfers und auf die leugnende Verantwortung des Betroffenen verweist (die vom Schöffengericht iSd § 270 Abs 2 Z 5 StPO ohnedies berücksichtigt wurde [US 6]) und daraus für den Betroffenen günstigere Schlüsse zieht, vermag sie keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der Feststellungen zum Bedeutungsinhalt der Äußerungen und zur subjektiven Tatseite zu wecken (vgl RIS‑Justiz RS0099674). Denn die
Tatsachenrüge will nur unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (das sind schuld‑ oder subsumtionserhebliche Tatumstände, nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern. Abgesehen von solchen Sonderfällen beantwortet der Oberste Gerichtshof auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielende Beschwerden ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS‑Justiz RS0118780). Soweit die Beschwerde ohne Bezugnahme auf konkrete Verfahrensergebnisse argumentiert, ist sie nicht prozessförmig ausgeführt (RIS‑Justiz RS0117961).
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) vernachlässigt mit der Behauptung, bei den inkriminierten Äußerungen habe es sich nicht um
Drohungen mit dem Tod, sondern bloß um milieubedingte
Unmutsäußerungen im Zustand emotionaler Erregung gehandelt, die gegenteiligen erstrichterlichen Feststellungen zum Bedeutungsinhalt sowie zur Ernstlichkeit der Äußerungen des Beschwerdeführers (US 4, 5, 7 und 8). Solcherart verfehlt die Rüge den vom Gesetz geforderten Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS‑Justiz RS0099810).
Indem die Rechtsrüge überdies die Eignung der Drohungen, der Bedrohten begründete Besorgnis (in Bezug auf einen Angriff auf ihr Leben) einzuflößen, in Frage stellt, leitet sie nicht methodisch vertretbar aus dem Gesetz ab (RIS‑Justiz RS0116569), weshalb eine solche bei gebotener Anlegung eines objektiv‑individuellen Maßstabs in Bezug auf die verbale Ankündigung des
„Abstechens“ nicht gegeben sein sollte, und aus welchem Grund es bei der Beurteilung dieser Rechtsfrage auf die Realisierbarkeit des angedrohten Übels (s aber Schwaighofer in WK² StGB § 105 Rz 61; Jerabek/Ropper in WK² StGB § 74 Rz 23; RIS‑Justiz RS0092519) oder darauf ankommen sollte, dass die Bedrohte tatsächlich in Furcht und Unruhe versetzt wurde (vgl Jerabek/Ropper in WK2 StGB § 74 Rz 33; RIS‑Justiz RS0092753).
Die eine rechtliche Beurteilung der Taten lediglich wegen der Grundtatbestände nach § 105 Abs 1 StGB und § 107 Abs 1 StGB anstrebende Rüge (der Sache nach ausschließlich Z 9 lit a, weil Konsequenz dieses Vorbringens die Abweisung des Antrags wäre) orientiert sich nicht an den im Urteil getroffenen Feststellungen. Solcherart verfehlt auch sie den Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS‑Justiz RS0099810).
Die Sanktionsrüge (Z 11 zweiter Fall; RIS‑Justiz RS0090372; Ratz in WK² StGB Vor §§ 21–25 Rz 8) versäumt mit der Behauptung einer unzureichenden Feststellungsgrundlage für das Vorliegen einer Prognosetat die gebotene Orientierung am Urteilssachverhalt und damit die Ausrichtung am Verfahrensrecht, weil sie die Urteilskonstatierungen vernachlässigt (US 5), wonach nicht nur ähnliche Taten wie die verfahrensgegenständlichen (vgl RIS‑Justiz RS0116500) zu erwarten sind, sondern auch deren Verwirklichung (somit Tötungsdelikte).
Die Beschwerdeerwägungen zur Plausibilität der Gefährlichkeitsprognose und zu allfälligen Alternativen zu einer (unbedingten)
Einweisung nach § 21 Abs 1 StGB stellen bloß ein Berufungsvorbringen dar (RIS‑Justiz RS0100032 [insb T2]).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).
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