OGH 14Os63/05d

OGH14Os63/05d9.8.2005

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. August 2005 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Hon. Prof. Dr. Ratz, Dr. Philipp und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Wagner als Schriftführer, in der Strafsache gegen Hans Dieter B***** wegen des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Schöffengericht vom 21. März 2005, GZ 40 Hv 2/05k-22, sowie über die Beschwerde des Angeklagten gegen den zugleich gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO gefassten Beschluss nach Anhörung des Generalprokurators in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die bisherigen Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch einen in Rechtskraft erwachsenen Freispruch enthaltenden Urteil wurde Hans Dieter B***** des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (1) sowie des Vergehens des Missbrauchs seines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 1 StGB schuldig erkannt. Danach hat er zwischen 10. Juni 2004 und 10. August 2004 in Wolfurt

1. an einem nicht mehr feststellbaren Tag außer dem Fall des § 206 StGB in zumindest einem Angriff eine geschlechtliche Handlung an seiner am 9. Juni 1999 geborenen Tochter Carmen B*****, somit einer unmündigen Person, vorgenommen, indem er sie mit einem Finger bzw der Hand an der nackten Scheide betastete;

2. durch die im Punkt 1. geschilderte Verhaltensweise mit einer mit ihm in absteigender Linie verwandten minderjährigen Person eine geschlechtliche Handlung vorgenommen.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil gerichtete, auf § 281 Abs 1 Z 2, 3, 5 und 5a StPO gegründete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist nicht im Recht.

Unter dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 2 StPO moniert der Beschwerdeführer die trotz seiner Verwahrung erfolgte Verlesung der bei der kontradiktorischen Vernehmung und Videoaufzeichnung gemachten Aussage der Zeugin Carmen B*****, hinsichtlich der er sowohl Zeugnisunfähigkeit nach § 151 Abs 1 Z 3 StPO als auch mangelndes Verständnis über das Wesen des ihr nach § 152 Abs 1 Z 2 StPO zustehenden Entschlagungsrechts vorbringt.

Das Schöffengericht ging bei Verlesung der Angaben der im Zeitpunkt der kontradiktorischen Vernehmung erst fünfjährigen Zeugin Carmen B***** im Hinblick auf den in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindruck bei ihrer Befragung zum Entschlagungsrecht nach § 152 Abs 1 Z 2 StPO davon aus, dass die Unmündige anlässlich ihrer Befragung im Vorverfahren sehr wohl in der Lage war, Zeugnis abzulegen, und dass sie sich dabei auch über die Bedeutung ihres Rechtes auf Aussageverweigerung im Klaren war (S 45/II; vgl auch US 8 ff).

Nur die unrichtige Entscheidung in der Rechtsfrage kann beim Rechtsmittelgericht geltend gemacht werden. Die Sachverhaltsgrundlage für eine prozessleitende Anordnung wird hingegen durch das jeweils zur Handhabung der im Rechtsmittel angesprochenen Verfahrensregel zuständig gewesene richterliche Organ in freier Beweiswürdigung festgestellt. Dies und die Begründung dafür sind nur nach Maßgabe der Kriterien der Z 5 (und zugunsten des Angeklagten auch der Z 5a) anfechtbar (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 40, 41, 46, 48, 50; 11 Os 20/05h; 12 Os 26/05y; 11 Os 34/04).

Alle mit Bezug auf das Gutachten der Sachverständigen Diplom-Psychologin/Psychotherapeutin/ Supervisionärin Dr. Erika N***** dagegen vorgebrachten Einwände zeigen aber weder einen Mangel iSd § 281 Abs 1 Z 5 StPO noch erhebliche Bedenken iSd § 281 Abs 1 Z 5a StPO betreffend die Sachverhaltsgrundlage für eine Verlesungszulässigkeit auf, zumal sich die Tatrichter mit der Wiedergabefähigkeit und dem Verständnisvermögen des fünfjährigen Kindes eingehend auseinandersetzten und die Beschwerde aus der Expertise der Sachverständigen Dr. N***** lediglich andere Schlüsse als der Schöffensenat zieht.

Soweit sich der Rechtsmittelwerber gegen die Verlesung der Aussage des seiner Ansicht nach zeugnisunfähigen und das Wesen des ihr zustehenden Entschlagungsrechtes nicht erfassenden Tatopfers auch unter dem Gesichtspunkt des § 281 Abs 1 Z 3 StPO wendet, übersieht er, dass es für die Verlesungszulässigkeit nicht darauf ankommt, ob der Inhalt des Schriftstückes rechtens zustande gekommen ist (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 239).

Entgegen der eine Unvollständigkeit behauptenden Mängelrüge (Z 5) berücksichtigten die erkennenden Richter die von der psychologischen Sachverständigen aufgezeigten entwicklungsbedingten Schwächen des fünfjährigen Tatopfers, maßen ihnen aber kein die Wiedergabefähigkeit von real Erlebtem beeinträchtigendes Gewicht bei (US 8 ff). In der Tatsachenrüge (Z 5a) wiederholt der Nichtigkeitswerber - abermals gestützt auf das von den Tatrichtern umfassend gewürdigte Gutachten - die bereits zuvor aufgezeigten Bedenken gegen die Zeugnisfähigkeit der unmündigen Carmen B*****, ohne damit sich aus den Akten ergebende erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Schuldspruch zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen aufzuzeigen. Gleiches gilt für den Einwand einer Sensibilisierung der Zeugen Maria und Robert F***** auf Grund des vom Angeklagten zu verantwortenden zurückliegenden Missbrauchs ihrer Tochter und einer möglicherweise daraus resultierenden Beeinflussung der Zeugin Carmen B*****. Im Hinblick auf das vom Schöffengericht dazu erwogene Gutachten, wonach es der Unmündigen kaum möglich wäre, einen durch verbale Beeinflussung vermittelten unrichtigen Sachverhalt längere Zeit im Gedächtnis zu behalten (US 10), werden auch insoweit keine erheblichen Bedenken geweckt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme des Generalprokurators, jedoch entgegen der hiezu gemäß § 35 Abs 2 StPO erstatteten Äußerung des Verteidigers - bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d StPO). Daraus folgt, dass zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde der Gerichtshof zweiter Instanz zuständig ist (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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