European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0140OS00006.18S.0213.000
Spruch:
Snjezan A***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.
Die Grundrechtsbeschwerde wird abgewiesen.
Gründe:
Mit Beschluss vom 28. November 2017 (ON 54 S 20, ON 55) setzte die Vorsitzende des Schöffengerichts die über Snjezan A***** am 28. Juni 2017 (ON 6) verhängte Untersuchungshaft aus den Haftgründen der Tatbegehungs- und Tatausführungsgefahr gemäß § 173 Abs 2 Z 3 lit a, b und d StPO fort. Der dagegen gerichteten Beschwerde des Genannten (ON 58) gab das Oberlandesgericht Linz mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss nicht Folge und setzte die Untersuchungshaft aus denselben Haftgründen fort.
Dabei erachtete das Oberlandesgericht Snjezan A***** dringend verdächtig, er habe in Linz gegen eine andere Person eine längere Zeit hindurch fortgesetzt Gewalt ausgeübt,
„I./ und zwar im Zeitraum vom 7. März 2017 bis 25. Juni 2017 gegen seine Ehegattin Sanja A*****, wobei er durch die Tat eine umfassende Kontrolle des Verhaltens der verletzten Person herstellte bzw eine erhebliche Einschränkung der autonomen Lebensführung der verletzten Person bewirkte und im Rahmen dieser fortgesetzten Gewaltausübung nach Abs 3 wiederholt Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung und Integrität beging, indem er (mit) Sanja A*****
1./ regelmäßig, zunächst einmal wöchentlich, zuletzt jedoch in immer kürzeren Zeitabständen, Schläge ins Gesicht und gegen den Körper versetzte;
2./ nahezu täglich durch gefährliche Drohung mit dem Tod zu Unterlassungen, nämlich zur Abstandnahme einer Anzeigeerstattung bzw der Einleitung rechtlicher Schritte gegen ihn sowie zur Abstandnahme der Kontaktaufnahme zu anderen Männern, genötigt, indem er in unterschiedlichen Wortvarianten äußerte, er werde sie köpfen, umbringen, schlachten, killen uä, wenn sie zur Polizei gehe, wenn sie rechtliche Schritte gegen ihn unternehme oder wenn sie einen anderen Mann habe, er werde nicht länger als zwei Minuten brauchen und sie sei tot und darüber hinaus durch gefährliche Drohung mit dem Tod zur Abstandnahme davon, persönlich mit dem Ehemann seiner neuen Lebensgefährtin zu sprechen, indem er ihr gegenüber äußerte, er werde ihr die Hand abschneiden, er werde sie umbringen oder ihr den Kopf abschneiden, wenn sie diesem Mann jemals die Hand geben sollte sowie zuletzt am Nachmittag des 25. Juni 2017 durch die Äußerung, er werde sie um 0:00 Uhr umbringen, gefährlich mit dem Tod bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen;
3./ am 10. Mai 2017 durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben, nämlich durch die Äußerung, dass er sie 'UKH- oder AKH-reif' schlagen werde, wenn sie sich weigere mit ihm 'jetzt ficken zu gehen', zur Duldung des Beischlafs nötigte;
4./ am 1. Juni 2017 durch Gewalt und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben, nämlich durch einen Biss in die Schulter und durch die Androhung von Schlägen, zur Duldung des Beischlafs nötigte;
5./ am 17. Juni 2017 nach vorangegangener Einschüchterung, nämlich der seit 7. März 2017 stattfindenden regelmäßigen Gewaltausübung gegen sie, den Beischlaf vornahm;
6./ zu einem nicht mehr näher konkretisierbaren Datum nach vorangegangener Einschüchterung, nämlich der seit 7. März 2017 stattfindenden regelmäßigen Gewaltausübung gegen sie, den Beischlaf vornahm, wobei die Tat beim Versuch blieb, da es ihm nicht gelang, mit seinem Penis in ihre Vagina einzudringen;
7./ am 25. Juni 2017 durch Gewalt und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben, nämlich durch Würgen am Hals, die anschließende Äußerung, dass er sie umbringen werde, das Hinunterstoßen der letzten Stufen in den Keller und die sinngemäße Androhung von weiteren Gewalthandlungen im Sinn von Würgen und Schlägen;
7.1./ zur Duldung einer dem Beischlaf gleichzusetzenden Handlung, nämlich zur Duldung des Oralverkehrs durch zweimaliges Einführen seines Penisses in den Mund, nötigte;
7.2./ zur Duldung des Beischlafs nötigte, wobei die Tat beim Versuch blieb, da es ihm nicht gelang, mit seinem Penis in ihre Vagina einzudringen;
II./ seinen am 9. Mai 2001 geborenen Sohn Marko A*****
1.1./ im Zeitraum von 1. Juni 2009 (Inkrafttretensdatum des § 107b StGB) bis 8. Mai 2015 als Unmündigen sowie
1.2./ im Zeitraum 9. Mai 2015 bis März 2017 als mündig Minderjährigen regelmäßig, durchschnittlich etwa alle zwei bis drei Monate
- zum Teil mit einem Gürtel gegen Oberkörper und Oberschenkel sowie auf die ausgestreckten Hände schlug, wodurch er rote Striemen an den betroffenen Stellen erlitt,
- zum Teil mit einem Ast gegen den Körper schlug, wodurch er Hämatome erlitt,
- zum Teil mit der flachen Hand ins Gesicht schlug, wodurch er Hämatome erlitt,
ihm zuletzt im März 2017 mit der flachen Hand auf die Wange schlug und ihn im Anschluss daran unter Erhebung der Faust und der Äußerung, wenn er die Polizei verständige, werde er ihn k.o. schlagen, sohin durch gefährliche Drohung zu einer Unterlassung, nämlich der Abstandnahme einer Anzeigeerstattung gegen ihn nötigte;
2./ seine am 21. Oktober 2002 geborene Tochter Marina A*****
2.1./ im Zeitraum von 1. Juli 2009 (Inkrafttretensdatum des § 107b StGB) bis 20. Oktober 2016 als Unmündige sowie
2.2./ im Zeitraum vom 21. Oktober 2016 bis Mai 2017 als mündig Minderjährige regelmäßig, durchschnittlich etwa alle zwei Monate
- zum Teil mit einem Gürtel,
- zum Teil mit einem Ast auf Hände und Beine schlug, wodurch sie rote Striemen erlitt,
- zum Teil mit der flachen Hand ins Gesicht schlug, wodurch sie Rötungen erlitt und sie zuletzt im Mai 2017 am Ohr zog, ihr Ohr drehte und sie an den Haaren riss.“
In rechtlicher Hinsicht (vgl aber iA 24. GP 35 f; Ratz, EvBl 2015/21, 131) subsumierte das Oberlandesgericht dieses Verhalten dem Verbrechen der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1 und 3 Z 2, Abs 4 erster Satz zweiter Fall StGB (I./), den Verbrechen der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1 und 3 Z 1 erster Fall, Abs 4 zweiter Satz zweiter Fall StGB (II./1.1./ und 2.1./) und den Vergehen der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1 StGB (II./1.2./ und 2.2./).
Rechtliche Beurteilung
Die gegen die Annahme dringenden Tatverdachts (rechtzeitig) erhobene Grundrechtsbeschwerde des Angeklagten schlägt fehl.
Gegenstand des Verfahrens über eine Grundrechtsbeschwerde ist – anders als bei einer Haftbeschwerde an das Oberlandesgericht – nicht die Haft als solche, sondern die Entscheidung über diese. Demzufolge kann im Grundrechtsbeschwerdeverfahren die Sachverhaltsgrundlage des dringenden Tatverdachts nur nach Maßgabe der Mängel- und der Tatsachenrüge (Z 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO) bekämpft werden (RIS-Justiz RS0110146).
Diesen Anfechtungsvoraussetzungen entspricht die Beschwerde nicht.
Den Rechtsmittelausführungen zuwider ist der Verweis auf die als belastend erachteten Zeugenaussagen unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden.
Aus welchem Grund die – in freier richterlicher Würdigung der Verfahrensergebnisse gewonnene – Erwägung des Oberlandesgerichts, wonach sich nach der (den Bezugspunkt der Haftprüfung darstellenden) „Aktenlage“ keine Anhaltspunkte für eine Falschbezichtigung des Angeklagten durch die Opfer ergäben, eine offenbar unzureichende Begründung (Z 5 vierter Fall) darstellen soll, wird nicht klar.
Ob der Angeklagte die Zeugin Sanja A***** zeitlich vor den ihm aktuell angelasteten Tathandlungen geschlagen hat, ist nicht entscheidend. Demgemäß musste sich das Beschwerdegericht auch nicht mit den darauf bezogenen Angaben des Dejan A***** befassen.
Dies gilt ebenso, soweit die Beschwerde auf – der Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Angaben des Opfers Sanja A***** per se nicht entgegenstehende – Zeugenaussagen betreffend Eifersuchts- und Wutreaktionen der genannten Zeugin aufgrund der vom Angeklagten eingegangenen neuen Beziehung mit Roxana P***** hinweist und weiters den Umstand ins Treffen führt, dass die dem Angeklagten angelasteten Gewalthandlungen zeitlich nach Eingehen dieser Partnerschaft begonnen haben sollen.
Das auf Aufzeichnungen der Zeugin Roxana P***** gestützte Vorbringen, dass sexuelle Übergriffe am 1. Juni und am 17. Juni 2017 in zeitlicher Hinsicht unwahrscheinlich seien, scheitert schon daran, dass der Beschwerdeführer diesen Einwand erstmals im Grundrechtsbeschwerdeverfahren erhebt, womit er den Rechtsweg nicht erschöpft hat (vgl RIS-Justiz RS0114487). Abgesehen davon übt er insoweit bloß unzulässige Beweiswürdigungskritik.
Soweit der Rechtsmittelwerber die (abstrakten) Ausführungen des Beschwerdegerichts zur Irrelevanz der Frage der Verurteilungswahrscheinlichkeit im Haftprüfungsverfahren anspricht und insoweit das Vorliegen einer mehr als 50%-igen Wahrscheinlichkeitsprognose fordert (zur beschränkten Tauglichkeit eines solchen Bezugspunktes vgl aber Hinterhofer/Oshidari , Strafverfahren, Rz 8.14), zeigt er nicht auf, inwieweit durch eine solche Annahme das Grundrecht auf persönliche Freiheit tangiert sein soll.
Da die Beschwerde somit die bereits hafttragenden Erwägungen des Oberlandesgerichts betreffend den Vorwurf fortgesetzter Gewaltausübung zum Nachteil der Zeugin Sanja A***** erfolglos in Frage gestellt hat, spielen die weiteren dem Angeklagten angelasteten Tathandlungen betreffend die Opfer Marko und Marina A***** unter dem vorliegenden Grundrechtsaspekt keine Rolle mehr. Die darauf bezogenen Beschwerdeeinwände können daher auf sich beruhen.
Der Beschwerdeführer wurde durch den angefochtenen Beschluss im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt, weshalb seine Beschwerde ohne Kostenzuspruch abzuweisen war (§ 8 GRBG).
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