European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E132211
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
Der Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Beschwerdegericht vom 16. März 2021, AZ 18 Bs 55/21a, verletzt § 166 Z 2 lit b iVm § 165 Abs 2 StVG.
Dieser Beschluss wird aufgehoben und es wird dem Oberlandesgericht Wien die neuerliche Entscheidung über die Beschwerde des Mag. * B* gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Vollzugsgericht vom 3. Februar 2021, GZ 189 Ns 1/21f‑4, aufgetragen.
Gründe:
[1] Mit Beschluss vom 3. Februar 2021, GZ 189 Ns 1/21f‑4, wies das Landesgericht für Strafsachen Wien als Vollzugsgericht den Antrag auf Unterbrechung der Unterbringung des gemäß § 21 Abs 1 und 2 StGB untergebrachten Mag. * B* ab.
[2] Dessen dagegen gerichteter Beschwerde gab das Oberlandesgericht Wien mit dem angefochtenen Beschluss „mit der Maßgabe, dass der Antrag zurück- und nicht abzuweisen ist, nicht Folge“. Begründend führte es aus, bei nach § 21 Abs 1 StGB Untergebrachten sei eine Unterbrechung der Unterbringung „gar nicht zulässig“, sodass der Antrag – „abgesehen von der Möglichkeit eines Vorgehens gemäß § 165 Abs 1 Z 1 letzter Satz StVG“ – zurückzuweisen gewesen wäre.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dieser Beschluss verletzt – wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt – das Gesetz.
[4] Gemäß § 166 Z 2 StVG ist eine Unterbrechung der Unterbringung nach § 21 Abs 2 StGB – unter den dort normierten Voraussetzungen – zulässig, sobald die voraussichtlich noch zu verbüßende Strafzeit eine bestimmte Dauer nicht übersteigen würde (lit a) oder soweit dies zur Behandlung des Zustands des Untergebrachten oder zur Vorbereitung auf das Leben in Freiheit notwendig oder zweckmäßig erscheint (lit b). Nach § 165 Abs 2 StVG ist § 166 StVG auch auf den Vollzug der Unterbringung nach § 21 Abs 1 StGB anzuwenden, soweit sich aus § 165 Abs 1 StVG nichts anderes ergibt.
[5] Da im Verfahren zur Unterbringung nach § 21 Abs 1 StGB keine Strafe verhängt wird, kommt im Maßnahmenvollzug nach dieser Bestimmung eine Unterbrechung nach § 166 Z 2 lit a StVG nicht in Betracht. Eine solche nach § 166 Z 2 lit b StVG ist hingegen – mangels widerstreitender Anordnung des § 165 Abs 1 StVG – nicht von vornherein ausgeschlossen (Drexler/Weger, StVG4 § 165 Rz 6 und § 166 Rz 3; Pieber in WK2 StVG § 162 Rz 25 ff; vgl RIS‑Justiz RS0131336).
[6] Der angefochtene Beschluss verletzt daher § 166 Z 2 lit b iVm § 165 Abs 2 StVG.
[7] Der Oberste Gerichtshof sah sich veranlasst, die Feststellung dieser Gesetzesverletzung gemäß § 292 letzter Satz StPO mit konkreter Wirkung zu verknüpfen, weil eine nachteilige Wirkung für den Untergebrachten nicht auszuschließen ist. Indem das Beschwerdegericht den hinreichend deutlich auf eine Unterbrechung von mehr als vierzehn Tagen zur Behandlung im Sinn des § 166 Z 2 lit b erster Fall StVG gerichteten Antrag für (formal) unzulässig erachtete, unterließ es nämlich die ihm aufgetragene selbständige Prüfung seiner inhaltlichen Berechtigung (vgl [zur Entscheidungskompetenz im Beschwerdeverfahren] 14 Os 84/14f, 85/14b; RIS‑Justiz RS0089977 [insbes T11 und T12]; Ratz, WK‑StPO Vor §§ 280–296a Rz 6/1).
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