OGH 14Os50/22t

OGH14Os50/22t31.5.2022

Der Oberste Gerichtshof hat am 31. Mai 2022 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Nordmeyer, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz‑Hummel LL.M. sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Fleischhacker in der Strafsache gegen * H* wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 12 zweiter und dritter Fall, 146, 147 Abs 1 Z 1, Abs 2, §§ 148 zweiter Fall und 15 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 18. November 2021, GZ 220 Hv 25/19b‑255, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0140OS00050.22T.0531.000

 

Spruch:

 

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Punkt A/2 des Schuldspruchs, in der zu dessen Punkt A gebildeten Subsumtionseinheit, demgemäß auch im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) und im Verfallserkenntnis, aufgehoben, in diesem Umfang eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache an das Landesgericht für Strafsachen Graz verwiesen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde im Übrigen wird zurückgewiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Ihm fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * H* – soweit hier von Bedeutung – des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 12 zweiter und dritter Fall, 146, 147 Abs 1 Z 1, Abs 2, §§ 148 zweiter Fall und 15 StGB (A) und des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 3 WaffG (B) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er in G*

A/ vom 20. Mai 2017 bis Dezember 2018 mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung von schwerem Betrug (§ 147 Abs 2 StGB) längere Zeit hindurch ein nicht bloß geringfügiges fortlaufendes Einkommen zu verschaffen, die jeweils abgesondert verfolgten unmittelbaren Täter bestimmt oder zu bestimmen versucht, durch die Vorgabe, (rück‑)zahlungsfähige und ‑willige Kunden zu sein, Mitarbeiter folgender Unternehmen zu diese schädigenden Handlungen zu verleiten, wobei der 5.000 Euro übersteigende Gesamtschaden 68.542,39 Euro betrug oder – im Ausmaß von 12.000 Euro – betragen sollte, und zwar

1/ am 26. Juli 2018 * J* der M* GmbH und in weiterer Folge der B* durch Stellung eines Kreditantrags zur Vergabe eines Kredits für Einrichtungsgegenstände von 12.680,78 Euro;

2/ * N*

a/ am 29. September, 19. Oktober, 6., 7. und 8. November 2017 der M* GmbH und in weiterer Folge der B* jeweils durch Stellung von Kreditanträgen zur Vergabe von Krediten für Einrichtungsgegenstände von insgesamt 13.235,37 Euro;

b/ vom 4. August bis zum 7. September 2017 der K* GmbH zur Genehmigung und Ausstellung einer Credit‑Plus Card, mit der erst am Ende eines Monats eine Sammelrechnung über sämtliche in diesem Monat vorgenommenen Einkäufe an den Kunden übersandt wird, wodurch dem Unternehmen durch in den Monaten August und September 2017 getätigte, unbezahlt gebliebene Einkäufe ein Schaden von 5.679,09 Euro entstand;

c/ vom 20. April bis Mitte Mai 2018 der W* KG zur Anfertigung und Herausgabe von vier Brillen im Gesamtwert von 1.624 Euro;

d/ am 6. Juli 2017 der A* GmbH zum Abschluss von Mobilfunkverträgen und zur Übergabe zweier Mobiltelefone im Gesamtwert von 2.298 Euro;

e/ am 6. und am 8. Juli 2017 der T* GmbH zum Abschluss von Mobilfunkverträgen und zur Übergabe dreier Mobiltelefone im Gesamtwert von insgesamt 2.592 Euro;

3/ * Ha*

a/ am 11. Oktober 2018 der M* GmbH und in weiterer Folge der B* durch Stellung eines Kreditantrags zur Vergabe eines Kredits für Einrichtungsgegenstände von 5.956,15 Euro;

b/ vom 20. Mai bis Anfang Juni 2017 der W* KG zur Anfertigung und Herausgabe von zwei Brillen im Gesamtwert von 797 Euro;

c/ am 22. Dezember 2018 der T* GmbH zum Abschluss von Mobilfunkverträgen und zur Übergabe zweier Mobiltelefone im Gesamtwert von insgesamt 1.680 Euro;

4/ im Winter 2018 * Ba* der M* GmbH und in weiterer Folge der B* durch Stellung eines Kreditantrags zur Vergabe eines Kredits für Einrichtungsgegenstände von 12.000 Euro, wobei es aufgrund der Weigerung des Ba* beim Versuch blieb;

5/ am 30. Mai 2018 * F* der M* GmbH und in weiterer Folge der B* durch Stellung eines Kreditantrags zur Vergabe eines Kredits für Einrichtungsgegenstände von 10.000 Euro;

B/ am 19. September 2019, wenn auch nur fahrlässig, eine (im angefochtenen Urteil näher bezeichnete) Gas-Alarmpistole, mithin eine Waffe, besessen, obwohl ihm dies gemäß § 12 WaffG verboten war.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die dagegen aus den Gründen der Z 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist teilweise im Recht.

[4] Unvollständig (Z 5 zweiter Fall) ist ein Urteil dann, wenn das Gericht bei der für die Feststellung entscheidender Tatsachen angestellten Beweiswürdigung erhebliche, in der Hauptverhandlung vorgekommene (§ 258 Abs 1 StPO) Verfahrensergebnisse unberücksichtigt ließ. Bei der Prüfung greift das Rechtsmittelgericht nicht in die Bewertung der vom Erstgericht berücksichtigten Verfahrensergebnisse, mit anderen Worten in deren Würdigung, sondern (bloß) in die Auswahl ein. Dem Rechtsmittelgericht obliegt also nur die Kontrolle, ob alles aus seiner Sicht Erwägenswerte erwogen wurde, nicht aber des Inhalts dieser Erwägungen (RIS-Justiz RS0118316). Die Beurteilung der Überzeugungskraft von Aussagen wiederum kann unter dem Gesichtspunkt der Unvollständigkeit mangelhaft sein, wenn sich das Gericht mit gegen die Glaubwürdigkeit sprechenden Beweisergebnissen nicht auseinandergesetzt hat. Dabei besteht der Bezugspunkt nicht in der Annahme der Glaubwürdigkeit oder Unglaubwürdigkeit, sondern ausschließlich in den Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (RIS-Justiz RS0119422 T4).

[5] Davon ausgehend begründet das von der Mängelrüge monierte Unterbleiben einer Erörterung der Aussage des Zeugen * S*, (*) C* sei dafür verantwortlich, dass der Beschwerdeführer „zu Unrecht monatelang im Gefängnis sich aufgehalten“ habe, keine Unvollständigkeit, weil Letzterer in der Begründung der Feststellung entscheidender Tatsachen keinerlei Rolle spielt.

[6] Mit den Angaben des (ursprünglich) Mitangeklagten J* hat sich das Erstgericht einschließlich des in der Hauptverhandlung zugunsten des Beschwerdeführers geänderten Inhalts, ohnehin auseinandergesetzt (US 22). Mit Blick auf das Gebot zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) war es nicht verhalten, auf sämtliche Einzelheiten der Depositionen im Urteil einzugehen (RIS-Justiz RS0106642), weshalb der von der Mängelrüge erhobene Vorwurf der Unvollständigkeit insoweit ins Leere geht.

[7] Im Recht ist allerdings die Kritik, die Tatrichter hätten die Aussage des Zeugen * St*, sein Onkel N* habe ihn – wie dieser ihm gegenüber teils selbst zugestanden habe – „angelogen“, er sei „erst jetzt darauf gekommen, dass nicht“ der Beschwerdeführer „hinter den Betrügereien steckt und dass er nicht“ seinen „Onkel manipuliert“ habe (ON 251 S 13 f), mit Stillschweigen übergangen. Dieses Beweismittel stellt nämlich die Annahme des Erstgerichts von der Glaubhaftigkeit der Angaben des (ursprünglich) Mitangeklagten N* (US 24) mit Bezug auf Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen, nämlich zur Weckung dessen Tatentschlusses durch den Beschwerdeführer (US 9 ff), in erörterungsbedürftiger Weise in Frage.

[8] Der solcherart aufgezeigte Begründungsmangel (Z 5 zweiter Fall) erforderte die Aufhebung des davon betroffenen Punktes A/2 des Schuldspruchs und der zu Punkt A gebildeten Subsumtionseinheit, demgemäß auch des Strafausspruchs (einschließlich der Vorhaftanrechnung) samt Rückverweisung der Sache an das Erstgericht in diesem Umfang. Gleiches gilt für den Verfallsausspruch, der – ohne betragsmäßige Aufschlüsselung der vom Beschwerdeführer aus einzelnen mit Strafe bedrohten Handlungen erlangten Vermögenswerte – undifferenziert auf sämtliche von Punkt A erfassten Betrugssachverhalte gestützt wurde (US 7 iVm US 26 und 28 f), sodass nicht beurteilt werden kann, ob er im rechtskräftigen Teil des Schuldspruchs Deckung findet (vgl Ratz, WK‑StPO § 289 Rz 7).

[9] Im weiteren Verfahren wird die Subsumtionseinheit (im Fall eines neuerlichen Schuldspruchs unter Einbeziehung des von der Aufhebung betroffenen Vorwurfs) neu zu bilden sein.

[10] Weiters wird darauf hingewiesen, dass die Subsumtion (auch) nach § 147 Abs 1 Z 1 StGB einer ausreichenden Feststellungsgrundlage (insbesondere zur subjektiven Tatseite) entbehrt. Der darin gelegene Subsumtionsfehler war nicht von Amts wegen aufzugreifen, weil er keinen Einfluss auf den Strafrahmen hatte und auch sonst kein konkreter Nachteil ersichtlich ist. Angesichts dieser Klarstellung ist das Erstgericht im weiteren Verfahren bei der Strafbemessung nicht an den insoweit fehlerhaften Schuldspruch gebunden (RIS‑Justiz RS0129614 T1).

[11] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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