OGH 14Os48/92-6

OGH14Os48/92-628.4.1992

Der Oberste Gerichtshof hat am 28.April 1992 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Lachner, Dr. Brustbauer, Dr. Massauer und Dr. Markel als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Kohout als Schriftführer, in der Strafsache gegen Alfred B***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßig schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Z 1 und 2, 130 StGB sowie anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Sachwalters des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 23.Jänner 1992, GZ 32 Vr 1935/91-46, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Rechtliche Beurteilung

Gründe:

Alfred B***** wurde des Verbrechens des gewerbsmäßig schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Z 1 und 2, 130 (letzter Fall) StGB (I) sowie der Vergehen der dauernden Sachentziehung nach § 135 Abs. 1 StGB (II), der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB (III) und der Vortäuschung einer mit Strafe bedrohten Handlung nach § 298 Abs. 1 StGB (IV) schuldig erkannt. Der Angeklagte wurde zu einer Freiheitsstrafe verurteilt und gemäß § 21 Abs. 2 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.

Den Schuldsprüchen liegt zugrunde, daß der Angeklagte in Linz

I. Sachen im Gesamtwert von ca. 96.000 S bei insgesamt zehn gewerbsmäßig begangenen Einbruchsdiebstählen erbeutet hat,

II. eine fremde Geldbörse dauernd entzogen und

III. einen Führerschein und sonstige fremde Ausweise, über die er nicht allein verfügen durfte, mit dem Vorsatz unterdrückt hat, zu verhindern, daß sie im Rechtsverkehr zu Beweiszwecken gebraucht werden, indem er Geldbörse und Urkunden unauffindbar in einen Mistkübel warf sowie

IV. zwei Linzer Polizeibeamten einen an ihm angeblich begangenen Raubüberfall wissentlich vorgetäuscht hat.

Der im wesentlichen geständige Angeklagte hat nach Urteilsverkündung auf Rechtsmittel verzichtet. Sein Sachwalter, der zur Erhebung einer Nichtigkeitsbeschwerde auch gegen den Willen des Angeklagten berechtigt ist (15 Os 16/90, 15 Os 62/90), bekämpft das Diebstahlsfaktum I 8, die Annahme der gewerbsmäßigen Diebstahlsbegehung, die Vergehen der dauernden Sachentziehung und der Urkundenunterdrückung und die Unterbringungsanordnung mit Nichtigkeitsbeschwerde unter formeller Heranziehung der Gründe des § 281 Abs. 1 Z 5, 5 a, Z 9 lit. a, 10 und 11 StPO.

Die Mängelrüge (Z 5) zitiert eingangs Passagen aus dem Sachverständigengutachten, die in Bezug auf die Annahme gewerbsmäßiger Diebstahlsbegehung nicht erörtert worden seien. Ein Eingehen auf diese - übrigens aus dem Zusammenhang gerissenen - Sätze im Sachverständigengutachten war aber angesichts des Gebotes einer gedrängten Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs. 2 Z 5 StPO) und des Umstands, daß der Sachverständige im Ergebnis keine den Feststellungen des Gerichtes widerstreitende Ansicht vertrat, nicht geboten (Mayerhofer-Rieder StPO3 ENr. 78, 104, 105 zu § 270). Denn wenn auch der Angeklagte nach den Ausführungen des Sachverständigen dazu neigt, "von der Hand in den Mund zu leben" und ohne weite Vorausplanung "sich kurzschlußartig zu irgendeiner Fehlhandlung entschließt", konnte das Erstgericht, ohne Diskrepanz dazu, auf Grund der laufend vom Angeklagten begangenen Einbruchsdiebstähle, deren Beute ihm die Erreichung konkret vorgesteckter Ziele finanziell ermöglichen sollte, den Schluß ziehen, daß er die Einbruchsdiebstähle in der Absicht vorgenommen hat, sich durch ihre wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen.

Auch der Hinweis des Sachverständigen, daß der Angeklagte möglicherweise "alles was nicht aus Geld besteht oder unmittelbar verwertbar ist, praktisch ungesehen wegwirft", steht der Annahme des Schöffengerichts nicht entgegen, der Angeklagte habe "gestohlene" Urkunden mit dem Vorsatz, sie zu unterdrücken, in einen Mistkübel geworfen. Hat doch der Sachverständige in diesem Zusammenhang ausdrücklich angegeben, daß der Angeklagte bei entsprechender Aufmerksamkeit eine Urkunde als solche und deren Bedeutung durchaus erkennen kann (S 347). Die diesbezüglichen Konstatierungen zur subjektiven Tatseite sind auch

sonst - entgegen den Beschwerdeausführungen - nicht ohne jegliche Grundlage. Denn neben dem Geständnis des Angeklagten in der Hauptverhandlung hat dazu das Schöffengericht außerdem den beschriebenen äußeren Geschehensablauf verwertet.

Der weitere Beschwerdeeinwand, daß das Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen nirgends zum Schluß komme, daß beim Angeklagten "man von einer höhergradigen geistigen Abartigkeit sprechen könne", ist aktenwidrig, hat doch der Sachverständige die höhergradige geistige Abartigkeit des Angeklagten geradezu als "sicher" bezeichnet (S 347). Das genannte Sachverständigengutachten wurde vom Schöffengericht ausdrücklich diesen seinen Konstatierungen zugrunde gelegt, welche damit auch ausreichend begründet sind.

Auch die Annahme, daß wegen der beschriebenen Abartigkeit des Angeklagten zu befürchten ist, daß er unter deren Einfluß strafbare Handlungen (= Vermögensdelikte) mit schweren Folgen begehen werde, hat das Erstgericht im Einklang mit dem Sachverständigen begründet. Dieser spricht ausdrücklich davon, daß der Angeklagte immer wieder in ähnliche Situationen kommen wird und zu befürchten ist, daß er in diesen ein ähnliches Fehlverhalten wie das vorliegende, zeigen werde (S 346, 348). Die Erstellung der Gefährlichkeitsprognose ist außerdem eine im Rahmen der ohnehin erhobenen Berufung zu prüfende Ermessensentscheidung. Mit der dagegen gerichteten Mängelrüge wird somit kein formeller Begründungsfehler betreffend irgendwelche Tatsachenfeststellungen geltend gemacht, die dafür maßgebend wären, ob das Gericht durch die Entscheidung über die vorbeugende Maßnahme seine Befugnis überschritten hat (13 Os 46/89).

Angesichts des Gleichklangs des vom Schöffengericht für überzeugend erachteten Gutachtens, dem konkrete Verfahrensergebnisse nicht entgegenstanden, bedurfte es keiner weiteren, von der Beschwerde geforderten, detaillierten Auseinandersetzung mit diesem Gutachten. Soweit aber die Beschwerde aus dem Gutachten und den damit nicht im Widerspruch stehenden Zeugenaussagen dennoch andere Schlüsse gezogen wissen will, bekämpft sie nur unzulässig die Beweiswürdigung des Schöffengerichts.

Das Erstgericht hat - entgegen der Mängelrüge - gar wohl ausdrücklich (S 368 f) begründet, warum es (zu Faktum I 8) von einer Mittäterschaft des Angeklagten mit dem diesbezüglich gesondert verfolgten Herbert S***** und deren gemeinsamen Vorsatz ausgegangen ist, ein Maximum an Geld und Wertgegenständen zu erbeuten.

Aus den Akten ergeben sich auch keine erheblichen Bedenken gegen die vom Angeklagten grundsätzlich eingestandene Richtigkeit der dem Ausspruch über seine Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen (Z 5 a).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit. a) vermißt zu Unrecht Feststellungen zum Vorsatz des Angeklagten, daß er anläßlich des Wegwerfens der Geldbörse (II) sie aus fremdem Gewahrsam dauernd entziehen wollte. Die als fehlend reklamierte Konstatierung wird vielmehr ausdrücklich getroffen, indem auf die Art der Beseitigung dieser "gestohlenen" Sache und darauf hingewiesen wird, daß diesbezüglich ein Zueignungsvorsatz im Zeitpunkt der Wegnahme nicht festgestellt werden konnte (US 10 f).

Unzutreffend ist die Rechtsrüge aber auch, wenn sie die vom Mittäter Helmut S***** erlangte Beute (Faktum I 8) aus dem Schuldspruch des Angeklagten ausklammern will und dabei ihren Ausführungen nicht den ausdrücklich konstatierten Entschluß der Täter gemeinsam eine größtmögliche Beute zu erlangen, zugrundelegt (US 12). Dies widerspricht der Prozeßordnung, welche bei Geltendmachung eines Rechtsirrtums (Z 9, 10 und 11) verlangt, daß von den tatsächlichen Urteilsannahmen ausgegangen wird. Dieser Vorschrift folgt auch nicht die eine gewerbsmäßige Begehung der Einbruchsdiebstähle verneinende Beschwerde (Z 10), weil sie nicht von der festgestellten Absicht (siehe § 70 StGB) des Angeklagten ausgeht, sich durch wiederkehrende Begehung von Einbruchsdiebstählen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, sondern - in Wahrheit abermals die Tatfrage relevierend - auf Verfahrensergebnisse zurückgreift, die nach Ansicht der Beschwerde die Konstatierung einer solchen Absicht nicht gestattet hätten.

Schließlich wird in der Beschwerde (Z 11) auch keine Überschreitung der Strafbefugnis des Schöffengerichts (Z 11) durch den Ausspruch über die Anstaltseinweisung dargetan, wenn im Widerspruch zu der auf Grund des Sachverständigengutachtens festgestellten und im Urteil konkret umschriebenen geistigen und seelischen Abartigkeit des Angeklagten, nur eine solche noch innerhalb der Variationsbreite des Normalen behauptet und ebenso die weitere Feststellung des Urteils in Zweifel gezogen wird, daß der Angeklagte alle Taten, insbesondere aber die Einbruchsdiebstähle unter dem Einfluß dieser seiner geistigen und seelischen Abartigkeit begangen hat (US 11 f). Die weiteren Feststellungen aber, daß ohne Anstaltseinweisung zu befürchten sei, daß der Angeklagte unter dem Einfluß seiner beschriebenen Abartigkeit weitere Straftaten (insbesondere Einbruchsdiebstähle) mit schweren Folgen begehen werde, ist im Urteil enthalten und mit den diesbezüglich für zutreffend erachteten Ausführungen des Sachverständigengutachtens begründet worden. Sie betreffen außerdem - wie schon bei Erledigung der Mängelrüge ausgeführt - nur die im Berufungsverfahren zu prüfende Gefährlichkeitsprognose.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher teils als offenbar unbegründet gemäß § 285 d Abs. 1 Z 2 StPO, teils als nicht dem Gesetz entsprechend ausgeführt nach § 285 d Abs. 1 Z 1 StPO iVm § 285 a Z 2 StPO in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Das zuständige Oberlandesgericht hat daher gemäß § 285 i StPO über die gleichzeitig erhobene Berufung zu entscheiden.

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