European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1995:0140OS00003.9500000.0117.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden die Angeklagten Thomas P* und Christian P* (zu 1) des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 2 StGB und (zu 2/a und b) der Verbrechen der versuchten schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB, Thomas P* überdies (zu 3) des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB und (zu 4/a und b) zweier Vergehen nach § 36 Abs 1 Z 3 WaffG, Christian P* überdies (zu 5) des Vergehens nach § 36 Abs 1 Z 2 WaffG schuldig erkannt und zu je 15 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Bei Thomas P* wurde zugleich eine bedingte Strafnachsicht widerrufen (§ 494 a Abs 1 Z 4 StPO).
Nach dem Inhalt des Schuldspruches haben in Wien
1. Thomas P* und Christian P* am 9. Mai 1994 in verabredeter Verbindung mit dem gesondert verfolgten Jugendlichen Thomas H* den Günter K* durch Schläge und Tritte vorsätzlich am Körper verletzt, wobei die Tat eine Rißquetschwunde im rechten Mundwinkel, Abschürfungen am linken Knie und am linken Handballen sowie eine Prellung im Bereich der linken Niere, der Rippen und des Schultergürtels zur Folge hatte;
2. Thomas P* und Christian P* im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit dem gesondert verfolgten Jugendlichen Thomas H* als Mittäter durch folgende Äußerungen versucht, den Günter K* durch gefährliche Drohung mit dem Tode zu Unterlassungen zu nötigen, und zwar:
a) am 9. Mai 1994 dadurch, daß Thomas P* ein ca 40 cm langes Stilett mit der Spitze dem Günter K* an den Hals hielt, ihm drohte, er möge sich nie mehr "hier anschauen" lassen, wobei er ihm einen Faustschlag gegen den Mund versetzte und mit dem Stilett einige Male in die Hausmauer ritzte, sowie durch die weitere Äußerung des Thomas P*, sie würden Günter K* "wegblasen", wenn er die Polizei verständige, wobei Thomas P* mit der rechten Hand so unter die Lederjacke griff, als hätte er eine Schußwaffe, während Christian P* und Thomas H* jeweils drohend neben Günter K* standen, sowie durch die zu Punkt 1 beschriebene Handlung dazu, daß Günter K* den Ort Wien 11., Landwehrstraße 5, meide bzw keine Anzeige erstatte;
b) am 16. Mai 1994 dadurch, daß Thomas P* äußerte, sie (gemeint: er, Christian P* und Thomas H*) würden ihn "von unten bis oben aufmachen", wenn er Anzeige wegen der in den Punkten 1, 2/a und 3 bezeichneten Delikte erstatte, sie würden ihn erwischen und dann habe er einen Zettel an seiner Zehe hängen, sie hätten Freunde, die ihn "aufmachen" würden, wenn sie "auf Schmalz gehen", wobei er mit einem Finger vom Nabel bis zum Hals fuhr, während Christian P* einen Schlagring drohend gegen das Gesicht des Günter K* richtete und Thomas H* drohend daneben stand, zur Unterlassung der Anzeigenerstattung bzw deren Rückziehung;
3. Thomas P* am 9. Mai 1994 durch die zu Punkt 2/a beschriebene Handlung des Ritzens in die Hausmauer eine fremde Sache, nämlich die Mauer des Hauses Wien 11., Landwehrstraße 5, beschädigt;
4. Thomas P* Waffen besessen, obwohl ihm dies gemäß § 12 WaffG verboten ist, nämlich
a) im Jahre 1994 zwei Bajonette und eine Machete;
b) bis zum 19. Mai 1994 zehn CS‑Reizstoffpatronen, drei Leuchtpatronen und eine Platzpatrone;
5. Christian P* am 16. Mai 1994 eine verbotene Waffe, nämlich einen Schlagring (§ 11 Abs 1 Z 6 WaffG), unbefugt besessen.
Rechtliche Beurteilung
Diesen Schuldspruch bekämpfen die Angeklagten mit getrennt ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerden, die Thomas P* auf die Nichtigkeitsgründe der Z 5 a und 9 lit a, Christian P* auf jene der Z 3, 5 und 5 a des § 281 Abs 1 StPO stützt. Den Strafausspruch fechten beide, ebenso wie die Staatsanwaltschaft (hinsichtlich beider Angeklagten) mit Berufung an. Thomas P* beschwert sich außerdem gegen den Widerrufsbeschluß.
Die Nichtigkeitsbeschwerden versagen.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Thomas P*
Die dem Schuldspruch wegen der Deliktsqualifikationen nach § 84 Abs 2 Z 2 StGB (Faktum 1) und nach § 106 Abs 1 Z 1 StGB (Fakten 2/a und b) zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachenfeststellungen sind unbedenklich. Der Oberste Gerichtshof hat nach Prüfung des Beschwerdevorbringens (Z 5 a) an Hand der Akten keinen Grund gefunden, an der Richtigkeit der Urteilsannahmen, daß die Angeklagten und Thomas H* gegen Günter K*in verabredeter Verbindung tätlich geworden sind und diesen vorsätzlich mit dem Tode bedroht haben, ernsthaft zu zweifeln.
Der Rechtsrüge (Z 9 lit a) zuwider sind die für das Vergehen der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (3) erforderlichen objektiven und subjektiven Tatbestandselemente bei rechtem Verständnis der Urteilsausführungen in ihrer Gesamtheit (US 3, 4, 9, 12) vom Erstgericht ohnedies festgestellt worden. Warum mehrere mittels eines Stiletts ausgeführte sichtbare Ritzer an einer Hausfassade (US 12 iVm S 43, 45) weder eine Beschädigung noch etwa eine (dieser rechtlich gleichwertige) Verunstaltung darstellen sollten, wird in der Beschwerde nicht einmal andeutungsweise ausgeführt (§ 285 a Z 2 StPO), weshalb auf diesen Einwand auch nicht argumentativ eingegangen werden kann.
Daß aber das Erstgericht von einer vorsätzlichen Beschädigung an der Hausmauer ausgegangen ist, hat es deutlich genug damit zum Ausdruck gebracht, daß es diesen Vorgang entsprechend der zur Urteilsgrundlage genommenen (US 6, 11) Polizeiaussage des Tatopfers Günter K* als gezielt eingesetztes Nötigungsmittel (vgl S 43: "Zur Demonstration ...") gewertet hat.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Christian P*
Der Verfahrensrüge (Z 3) zuwider war die Verlesung der Polizeiaussage des Günter K* wegen dessen unbekannten Aufenthaltes (vgl ON 44 und 46) gemäß § 252 Abs 1 Z 1 StPO zulässig. Nachdem auch keine der Prozeßparteien der Verlesung widersprochen hatte (S 347), war nach Lage des Falles insoweit überdies ein stillschweigendes Einverständnis zustandegekommen (§ 252 Abs 1 Z 4 StPO).
Die im § 260 Abs 1 Z 1 bis 3 StPO angeführten Punkte eines Strafurteils sind zwar bei sonstiger Nichtigkeit zu verkünden, aber nicht unbedingt zu protokollieren. Die schriftliche Dokumentation des Urteilsinhalts ist vielmehr der Ausfertigung des Urteils vorbehalten (§ 270 StPO). Im Protokoll über die Hauptverhandlung genügt zur Beurkundung der Urteilsverkündung als einer "wesentlichen Förmlichkeit des Verfahrens" (§ 271 Abs 1 StPO) im allgemeinen die auch hier verwendete Formulierung, daß "der Vorsitzende das Urteil samt den wesentlichen Entscheidungsgründen verkündet" hat (S 348). Daß die mündliche Urteilsverkündung nicht dem § 260 StPO entsprochen hätte, wird aber in der Beschwerde nicht behauptet.
Entgegen dem Einwand (Z 5) dieses Angeklagten hat Günter K* bei der Polizei weder am 9. Mai 1994 (S 43 f, 47 f) noch am (richtig:) 18. Mai 1994 (S 59 f) Angaben gemacht, die der Urteilsannahme widersprechen, daß Christian P* im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit den beiden anderen Mittätern Nötigungshandlungen gesetzt hat. Günter K* hat vielmehr ausgesagt, daß am 9. Mai 1994 (Faktum 2/a) auch Christian P* nötigend tätlich geworden ist (S 49) und am 16. Mai 1994 (Faktum 2/b) mit dem Schlagring gedroht hat, um der Forderung seines Bruders Thomas P* nach Zurückziehung der Anzeige Nachdruck zu verleihen. Insoweit vermag der Beschwerdeführer daher keine ihn entlastenden Beweisergebnisse aufzuzeigen, die das Schöffengericht in seinen Entscheidungsgründen zu erörtern gehabt hätte.
Im übrigen ergeben sich auch in Ansehung des Angeklagten Christian P* aus den Akten keine erheblichen Bedenken (Z 5 a) gegen den Schuldspruch.
Somit waren beide Nichtigkeitsbeschwerden schon bei einer nichtöffentlichen Beratung als zum Teil nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt (§ 285 d Abs 1 Z 1 iVm § 285 a Z 2 StPO), im übrigen aber als offenbar unbegründet (§ 285 d Abs 1 Z 2 StPO) sofort zurückzuweisen, woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Wien zur Entscheidung über die Berufungen der Angeklagten und der Staatsanwaltschaft sowie über die Beschwerde des Angeklagten Thomas P* folgt (§§ 285 i, 498 Abs 3 StPO).
Die Entscheidung über die Kostenersatzpflicht ist in § 390 a StPO begründet.
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