European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0140OS00025.18K.0306.000
Spruch:
Das Urteil des Bezirksgerichts Hollabrunn vom 11. September 2017, GZ 3 U 64/17k-8, verletzt im Zuspruch von 250 Euro an die „Privatbeteiligte“ Marktgemeinde H***** §§ 67 Abs 2 und 3, 366 Abs 2, 369 Abs 1 StPO.
Gründe:
Mit Urteil des Bezirksgerichts Hollabrunn vom 11. September 2017, GZ 3 U 64/17k-8, wurde Christoph W***** des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB schuldig erkannt, weil er am 27. Juni 2017 in H***** eine Parkbank der Marktgemeinde H***** durch Hochheben und Fallenlassen beschädigt hat, wodurch der genannten Gebietskörperschaft ein Schaden in Höhe von 250 Euro entstand.
Das Bezirksgericht Hollabrunn verurteilte den Angeklagten hiefür zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe sowie „gemäß § 369 Abs 1 StPO“ zur Zahlung von 250 Euro an die Marktgemeinde H*****.
Dass dieser Zuspruch auf eine Erklärung der Marktgemeinde H*****, den Ersatz des durch die Straftat erlittenen – vom Angeklagten anerkannten (US 4; vgl auch S 1 des Protokolls in ON 7) – Schadens (§ 67 Abs 1 StPO) zu begehren, gründet, ist dem Akt (vgl ON 2a und ON 7) nicht zu entnehmen.
Der Angeklagte erhob gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel, der dagegen zu seinem Nachteil ergriffenen Berufung der Staatsanwaltschaft gegen den Ausspruch über die Strafe gab das Landesgericht Korneuburg mit Urteil vom 19. Jänner 2018, AZ 900 Bl 98/17b, nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Wie die Generalprokuratur in ihrer dagegen erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur
Wahrung des Gesetzes zutreffend aufzeigt, verletzt das Urteil des Bezirksgerichts Hollabrunn im Adhäsionserkenntnis das Gesetz.
Nach § 67 Abs 1 StPO haben Opfer – soweit fallbezogen relevant – das Recht, den Ersatz des durch die Straftat erlittenen Schadens zu begehren. Sie werden durch Erklärung zu Privatbeteiligten und haben ihre Berechtigung, am Verfahren mitzuwirken, und ihre Ansprüche zu begründen (§ 67 Abs 2 StPO). Eine solche Erklärung muss längstens bis zum Schluss der Hauptverhandlung abgegeben werden (§ 67 Abs 3 StPO). Im Falle eines Schuldspruchs ist nach § 366 Abs 2 StPO grundsätzlich auch über die privatrechtlichen Ansprüche zu entscheiden. Hat das Opfer einen Schaden erlitten, ist im Strafurteil die Schadloshaltung zuzuerkennen (§ 369 Abs 1 StPO). Eine solche Entscheidung hat aber nicht von Amts wegen, sondern lediglich auf Antrag einer dazu legitimierten Partei zu erfolgen (Spenling, WK-StPO Vor §§ 366–379 Rz 7; Korn/Zöchbauer, WK-StPO § 67 Rz 2), welcher im aktuellen Fall nicht gestellt wurde.
Wenn auch ein dem Verurteilten nachteiliger Einfluss der aufgezeigten Gesetzesverletzung nicht
auszuschließen ist, sah sich der Oberste Gerichtshof nicht veranlasst, deren Feststellung mit konkreter Wirkung zu verknüpfen (§ 292 letzter Satz StPO).
Eine Durchbrechung der Rechtskraft von im Strafverfahren ergangenen Entscheidungen über zivilrechtliche Ansprüche in Stattgebung einer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes ist nämlich wegen des damit verbundenen Eingriffs in eine durch Art 1 1. ZPMRK geschützte Rechtsposition (und den sich aus Art 6 Abs 1 MRK ergebenden Anspruch auf Rechtssicherheit) nicht möglich, wenn die von der Nichtigkeitsbeschwerde aufgegriffene Gesetzesverletzung – wie hier – nur ein Adhäsionserkenntnis betrifft (ohne den Bestand des Schuldspruchs zu tangieren) und das Opfer auf dessen Rechtskraft vertrauen darf (RIS‑Justiz RS0124740,
RS0124838, RS0124798; Ratz, WK‑StPO § 362 Rz 3).
Mit Blick auf den hier unangefochten in Rechtskraft erwachsenen und damit auch nicht mehr im Wege einer Erneuerung des Strafverfahrens nach § 363a StPO anfechtbaren (RIS-Justiz RS0122737) Zuspruch an die Marktgemeinde H***** greift genau dieser Vertrauensschutz hier Platz (erneut RIS‑Justiz RS0124798 [T2 und T4]). Die – nur (mehr) im Exekutionsverfahren relevante – Begleichung des durch die Straftat bewirkten Schadens durch den Verurteilten bereits am 16. Oktober 2017 (also vor Eintritt der Rechtskraft des Urteils des Bezirksgerichts Hollabrunn; vgl S 2 des Protokolls über die Berufungsverhandlung zu AZ 900 Bl 98/17b des Landesgerichts Korneuburg sowie die dort vorgelegte Einzahlungsquittung) ändert daran – entgegen der Ansicht der Generalprokuratur – ebensowenig wie die (bislang) unterbliebene Urteilszustellung an die Geschädigte.
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