Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung des Angeklagten Anatol von A*** wird Folge gegeben und die Freiheitsstrafe auf 14 (vierzehn) Jahre herabgesetzt. Im übrigen wird den Berufungen nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen den drei Angeklagten die Kosten des Verfahrens über ihre Rechtsmittel zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem auf dem Wahrspruch der Geschwornen beruhenden angefochtenen Urteil wurde (u.a.) der am 3.Juli 1951 geborene (aus Polen stammende) staatenlose Anatol von A*** (geborener M***) des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143 zweiter und dritter Fall StGB (Punkt A/I und II des Urteilssatzes) und des Vergehens nach § 36 Abs. 1 Z 1, 2 und 5 WaffG (Punkt F/I/1 und 2) schuldig erkannt.
Darnach hat er in der Zeit vom 17.Oktober 1986 bis 29.Juli 1987 unter Verwendung von Waffen teils allein, teils im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit dem Mitangeklagten Gerrit P*** als Mittäter insgesamt fünf Raubüberfälle auf S*** und
R*** in S*** (zweimal), S***, B*** und
B*** verübt, wobei er insgesamt 1,122.540 S Bargeld sowie Valuten im Gesamtwert von 17.502 S und zwei Alben mit Münzen im Wert von 37.542 S erbeutete. Bei dem am 29.Juli 1987 unternommenen Raub wurde der Angestellte der S*** in S*** Christian
B*** durch einen vom Angeklagten aus einer Pistole der Marke Radum VIS, Kal. 9 mm Para, abgegebenen Schuß schwer verletzt (A/I und II). Ferner liegt dem Angeklagten Anatol von A*** zur Last, Faustfeuerwaffen besessen und geführt sowie (gemäß § 11 Abs. 1 Z 5 WaffG) verbotene Waffen, nämlich mindestens
5 Tränengasspraydosen, besessen zu haben, wovon er mindestens vier an Personen überlassen hatte, die zu deren Besitz nicht befugt waren (F/I/1 und 2).
Der Angeklagte bekämpft den Schuldspruch mit einer auf die "Z 5 a und 9 lit. b des § 281 Abs. 1" StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.
Rechtliche Beurteilung
Mit dem Einwand, den Geschwornen seien zu Unrecht keine Zusatzfragen darüber gestellt worden, welche "psychischen und geistigen Vorgänge" ihn "zur Begehung der Straftaten motivierten oder während des delinquenten Verhaltens in ihm abliefen und sein konkretes Handeln beeinflußten" und es seien daher jene Feststellungen hinsichtlich einer verminderten Zurechnungsfähigkeit nicht getroffen worden, welche notwendig gewesen wären, um die Frage nach seiner Verantwortlichkeit und dem Grad der Schuld beurteilen zu können, macht der Beschwerdeführer der Sache nach den Nichtigkeitsgrund der Z 6 des § 345 Abs. 1 StPO geltend. Gemäß § 313 StPO ist u.a. eine entsprechende (Zusatz-)Frage nach einem Strafausschließungsgrund zu stellen, wenn in der Hauptverhandlung Tatsachen vorgebracht worden sind, die - wenn sie als erwiesen angenommen werden - die Strafbarkeit ausschließen würden. Daß der Beschwerdeführer zur Tatzeit zurechnungsunfähig gewesen wäre, wurde aber in der Hauptverhandlung von keiner Seite vorgebracht und ergibt sich insbesondere auch nicht aus dem völlig eindeutigen - das Gutachten des psychologischen Sachverständigen Dr. K*** (S 189 ff/IV und S 395 ff/VI) mitberücksichtigenden - Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen Dr. G*** (ON 92, insbesondere S 333 ff/IV iVm S 405 ff/VI), welches an der Schuldfähigkeit des Beschwerdeführers, der sich zudem in der Hauptverhandlung selbst zu allen Fakten - außer zum Anklagevorwurf des "Mordversuches" (an Christian B***) - schuldig bekannte (S 289, 465/VI), keinen Zweifel läßt. Entgegen dem Beschwerdevorbringen, welches Passagen des in Rede stehenden Gutachtens völlig aus dem Zusammenhang gerissen, in einem Fall sogar unter Zitierung bloß eines Satzteiles, wiedergibt, ist dem Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen zu entnehmen, daß der Angeklagte auf Grund der bei ihm auftretenden Zykloidie (Neigung zu Stimmungsschwankungen) im "positiven Skalenbereich", d.h. bei "angehobener Stimmung" auch zu kriminellen Handlungen neigt, daß aber diese an sich eine schwere Persönlichkeitsstörung bedeutende Zykloidie den Stellenwert einer effektiven Psychose (manisch-depressive Krankheit) jedenfalls nicht erreicht (S 335/IV, 406/VI) und demnach beim Angeklagten auch keine andere, einer Geisteskrankheit oder einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung gleichwertige schwere seelische Störung vorlag, die ihn in den kritischen Augenblicken außerstande setzte, das Unrechtmäßige seiner ihm zum Vorwurf gemachten Handlungen einzusehen (Diskretionsfähigkeit), bzw. einsichtsgemäß (Dispositionsfähigkeit) zu handeln (S 341/IV, 408/VI). Der von der Beschwerde behauptete Widerspruch zwischen dem vom Sachverständigen Dr. G*** im Vorverfahren erstatteten Gutachten (ON 92) und dessen in der Hauptverhandlung vorgenommener Ergänzung (S 405 ff/VI) liegt daher gleichfalls nicht vor. Ist aber die für die Annahme der Schuldausschließungsgründe nach § 11 StGB erforderliche pathologische Grundlage nach dem Sachverständigengutachten nicht vorhanden und sind auch sonst keine in diese Richtung weisenden Umstände vorgebracht worden, so durfte eine Zusatzfrage nach diesen Schuldausschließungsgründen gar nicht gestellt werden (vgl. Mayerhofer-Rieder StPO2 ENr. 16 und 17 zu § 313).
Soweit aber die Beschwerde zum Ausdruck bringt, die Stellung einer Zusatzfrage sei zur Klärung einer "verminderten Verantwortlichkeit" des Angeklagten erforderlich gewesen, ist ihr zu erwidern, daß gemäß § 316 StPO Erschwerungs- und Milderungsumstände nur unter der Voraussetzung Gegenstand einer Zusatzfrage an die Geschwornen sind, daß sie Tatsachen betreffen, die - wenn sie als erwiesen angenommen werden - einen im Gesetz (also im Zusammenhang mit dem anzuwendenden Tatbestand) namentlich angeführten Erschwerungs- oder Milderungsumstand begründen würden, der die Anwendung eines anderen Strafsatzes bedingt, was vorliegend nicht zutrifft.
Der der Sache nach außerdem relevierte Nichtigkeitsgrund nach § 345 Abs. 1 Z 10 a StPO kommt vorliegend gleichfalls nicht zum Tragen. Mit der durch das StRÄG 1987 geschaffenen Tatsachenrüge können zwar erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschwornen festgestellten entscheidenden Tatsachen geltend gemacht werden. Dies setzt jedoch voraus, daß die betreffenden Tatsachen überhaupt Gegenstand einer Fragestellung waren und von den Geschwornen durch die Beantwortung der Fragen in ihrem Verdikt hiezu Feststellungen getroffen wurden. Ist dagegen eine Frage über entscheidungswesentliche Tatsachen, die Gegenstand des Wahrspruches der Geschwornen hätten sein sollen, gar nicht gestellt, kann dies nur (als Mangel der Fragestellung) mit dem Nichtigkeitsgrund der Z 6, nicht aber (auch) mit jenem der Z 10 a des § 345 Abs. 1 StPO bekämpft werden. Dies gilt gleichermaßen für den in diesem Zusammenhang angezogenen materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund (sachlich Z 11 lit. b). § 345 Abs. 1 Z 11 StPO ist nämlich kein Gegenstück zu den Nichtigkeitsgründen nach § 281 Abs. 1 Z 9 StPO, wie schon ein Textvergleich auf den ersten Blick erkennen läßt (vgl. Mayerhofer-Rieder aaO ENr. 9 zu § 345 und ENr. 4 zu § 345 Z 11 b).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Das Geschwornengericht verurteilte den Angeklagten Anatol von A*** nach §§ 28, 143 erster Strafsatz StGB zu fünfzehn Jahren Freiheitsstrafe.
Mit demselben Urteil wurden auch der am 19.September 1949 geborene Gerrit P*** und der am 20.August 1948 geborene Herbert G*** des Verbrechens des teils (und zwar von P*** in zwei Fällen und von G*** in vier Fällen) vollendeten, teils (nämlich von P*** in zwei Fällen und von G*** in einem Fall) versuchten schweren Raubes - mit einem Wert der weggenommenen bzw. abgenötigten Sachen von rund 814.00 S (bei P***) bzw. von ca. 714.000 S (bei G***) - nach §§ 142 Abs. 1, 143 zweiter Fall und 15 StGB, G*** teils als Beteiligter nach § 12 dritter Fall StGB, und des (von P*** in fünfzehn Fällen und von G*** in fünf Fällen verübten) Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Diebstahls durch Einbruch - mit einem Wert des Diebsgutes von rund 1,209.000 S (bei P***) und von ca. 561.000 S (bei G***) - nach §§ 127, 128 Abs. 2, 129 Z 1, 130 dritter und vierter Fall StGB, G*** teils als Beteiligter nach § 12 zweiter Fall StGB sowie des Vergehens, und zwar Gerrit P*** nach § 36 Abs. 1 Z 1, 2 und 4 WaffG und Herbert G*** nach § 36 Abs. 1 Z 1 und 5 WaffG schuldig erkannt. Sie wurden hiefür gleichfalls nach §§ 28, 143 erster Strafsatz StGB zu Freiheitsstrafen, und zwar Gerrit P*** in der Dauer von zehn Jahren und Herbert G*** in der Dauer von neun Jahren verurteilt. Bei der Strafbemessung wertete das Geschwornengericht als erschwerend beim Angeklagten Anatol von A*** eine einschlägige Vorstrafe, das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen, die Tatwiederholung und die zweifache Qualifikation zum schweren Raub, bei Gerrit P*** drei einschlägige Vorstrafen, das Zusammentreffen von zwei Verbrechen mit einem Vergehen und "die mehrfache Qualifikation" sowie bei Gerhard G*** sechs einschlägige, bereits die Voraussetzungen der Strafschärfung bei Rückfall nach § 39 StGB erfüllende Vorstrafen, das Zusammentreffen von zwei Verbrechen mit einem Vergehen und "die mehrfache Qualifikation"; als mildernd nahm es hingegen an: bei allen drei Angeklagten das reumütige Geständnis und die teilweise objektive Schadensgutmachung, bei Anatol von A*** außerdem noch eine geringe geistige Abnormität und bei P*** und G*** auch den Umstand, daß es beim Raub teilweise beim Versuch blieb und der im Jahr 1972 versuchte "Postraub" (Punkt B/1 des Urteilssatzes) bereits relativ lang zurückliegt.
Mit ihren Berufungen streben alle drei Angeklagten eine Herabsetzung der Freiheitsstrafen an, während die Staatsanwaltschaft mit ihrer Berufung hinsichtlich der Angeklagten Gerrit P*** und Herbert G*** eine Erhöhung des Strafmaßes begehrt.
Die Angeklagten P*** und G*** wie auch die Staatsanwaltschaft sind mit diesem Begehren nicht im Recht. Entgegen dem Berufungsvorbringen des Angeklagten G***, der eine unzureichende Berücksichtigung des Umstands ins Treffen führt, daß der versuchte "Postraub" bereits im Jahr 1972 begangen worden sei, hat das Erstgericht das relativ lange Zurückliegen der bezüglichen Raubtat angesichts der von den Angeklagten P*** und G*** in der Folgezeit (immer wieder) begangenen, den Vorverurteilungen zugrundeliegenden Straftaten zu Unrecht als Milderungsgrund gewertet. Im übrigen vermag der Umstand, daß diese Raubtat zeitlich vor jenen Verurteilungen lag, mit welchen die Angeklagten P*** und G*** in der Folgezeit wegen gleichartiger Delikte bestraft worden sind, angesichts des Umstands, daß die zahlreichen weiteren Straftaten nach diesen Urteilen begangen worden sind, keinen Milderungsgrund herzustellen (Leukauf-Steininger Komm.2 § 31 RN 12). Von einer vom Angeklagten P*** als mildernden Umstand reklamierten Tatbegehung (bloß) unter Einwirkung des Angeklagten G*** kann angesichts der gemeinsamen sorgfältigen Planung des bezeichneten "Postraubes" keine Rede sein. Dem Einwand der Tatbegehung unter dem Einfluß seiner tristen wirtschaftlichen Situation ist entgegenzuhalten, daß der finanzielle Niedergang des Unternehmens des Angeklagten P*** ersichtlich durch einen relativ sorglosen und wenig realitätsbezogenen Umgang mit der wirtschaftlichen Existenz wie auch durch spontanes Nachgeben von momentanen Bedürfnissen und Wunschvorstellungen herbeigeführt wurde (S 401 f/VI). Die vom Angeklagten G*** hervorgekehrte Rolle seiner Beteiligung als "nur kleiner, kaum bedeutender Gehilfe" findet im Akteninhalt keine Deckung. Der Einwand dieses Angeklagten schließlich, daß seine Vorverurteilungen zwar durchwegs Eigentumsdelikte betreffen, in keinem einzigen Fall jedoch "Drohung oder Gewalt gegen Menschen" angewendet worden sei, übersieht, daß mit Strafe bedrohte Handlungen dann auf der gleichen schädlichen Neigung beruhen, wenn sie gegen dasselbe Rechtsgut gerichtet oder auf gleichartige verwerfliche Beweggründe oder auf den gleichen Charaktermangel zurückzuführen sind (§ 71 StGB).
Der Staatsanwaltschaft hinwieder ist einzuräumen, daß dem Angeklagten G*** angesichts der am 8.Feber 1985 erfolgten Entlassung aus der Strafhaft (nach Verbüßung einer zwanzigmonatigen Freiheitsstrafe wegen Diebstahls) und der neuerlichen Begehung eines Diebstahls (laut Punkt E des Urteilssatzes) im November 1985 der Erschwerungsgrund raschen Rückfalls zur Last fällt. Den erschwerenden Umstand aber, daß der von den Angeklagten P*** und G*** zu verantwortende Diebstahl sowohl nach dem Wert der insgesamt gestohlenen Sachen (von über 500.000 S) als auch auf Grund der angenommenen gewerbsmäßigen Tatbegehung den Strafsatz von einem bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe nach sich zieht, hat das Geschwornengericht durch den Hinweis auf die "mehrfache Qualifikation" ohnedies berücksichtigt und auch die Wiederholung der Raubtaten, wie sich aus der gesonderten Hervorhebung des "Faktums Postraub" ergibt, der Sache nach miteinbezogen (vgl. US 25). Alles in allem erscheinen auf der Basis der sohin berichtigten Strafzumessungsgründe die über die Angeklagten P*** und G*** verhängten Freiheitsstrafen von zehn bzw. neun Jahren, insbesondere mit Rücksicht auf den hohen Unrechtsgehalt der Straftaten sowie auf das durch mehrere einschlägige Verurteilungen getrübte Vorleben der beiden Angeklagten nach ihrer tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld (§ 32 StGB) - auch im Verhältnis zueinander - durchaus als angemessen. Es kam daher bei den Angeklagten P*** und G*** weder eine Herabsetzung der über sie verhängten Freiheitsstrafe noch deren Erhöhung in Betracht.
Hingegen kommt der Berufung des Angeklagten Anatol von A*** im Ergebnis Berechtigung zu.
Zwar kann auch bei diesem Angeklagten von einer als mildernd zu wertenden Tatbegehung unter Einwirkung des Angeklagten G*** ebensowenig gesprochen werden wie vom Vorliegen einer einem Schuldausschließungsgrund nahekommenden schweren Persönlichkeitsstörung. Läßt doch das Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen Dr. G*** keinen Zweifel daran, daß die - bei der Strafbemessung ohnedies berücksichtigte - Neigung des Angeklagten A*** zu Stimmungsschwankungen im Sinn einer sogenannten Zykliodie nie den Stellenwert einer geistigen Erkrankung oder einer anderen schweren diesem Zustand gleichwertigen seelischen Störung erlangt hat. Andrerseits darf nicht übersehen werden, daß dem umfassenden Geständnis des Angeklagten Anatol von A*** durch seine am 7. August 1987 bei der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich erfolgte Selbststellung (vgl. S 15 f, 27, 61/I, 19/II, 354/VI) - mag diese auch zunächst in der Absicht erfolgt sein, für die am 29.Juli 1987 in Spillern verübte Raubtat ein Alibi anzubieten - besonderes Gewicht zukommt.
Bei richtiger Wertung der sohin für die Strafbemessung beachtlichen Umstände mit dem ihnen zukommenden Gewicht, ist die vom Geschwornengericht beim Angeklagten Anatol von A*** mit der Höchststrafe von fünfzehn Jahren festgesetzte Freiheitsstrafe doch zu hoch bemessen. In Stattgebung seiner Berufung war daher die Strafe auf das aus dem Spruch ersichtliche Maß herabzusetzen. Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.
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