OGH 14Os186/93

OGH14Os186/9321.12.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 21.Dezember 1993 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Walenta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Brustbauer und Dr.Massauer als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Obergmeiner als Schriftführerin, in der beim Landesgericht Wels zum AZ 18 Vr 1477/92 anhängigen Strafsache gegen Ahmet T* und andere wegen des Vergehens des Ansammelns von Kampfmitteln nach § 280 Abs. 1 StGB über die Grundrechtsbeschwerde des Angeklagten Ahmet T* gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz vom 20.Oktober 1993, AZ 7 Bs 305/93 (= ON 137) nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1993:0140OS00186.9300000.1221.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Durch den angefochtenen Beschluß wurde Ahmet T* im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

 

 

Gründe:

 

 

Rechtliche Beurteilung

Der türkische Staatsangehörige Ahmet T* befindet sich seit 1.August 1993 in Untersuchungshaft (ON 34, 35). Die mittlerweile rechtswirksame (ON 145) Anklageschrift vom 5.November 1993 (ON 143) wirft ihm und Mitangeklagten das in die Geschworenengerichtsbarkeit (§ 14 Abs. 1 Z 8 StPO) fallende Vergehen des Ansammelns von Kampfmitteln nach § 280 Abs. 1 StGB vor. Darnach haben ua er und zwei weitere türkische Staatsbürger "im bewußten und gewollten Zusammenwirken in der Zeit von spätestens Dezember 1992 bis 26.Juli 1993 zunächst in Bad Aussee nachstehend angeführten Vorrat an Schießbedarf angesammelt und bereit gehalten und diesen sodann vom 26.Juli 1993 bis 29.Juli 1993 in Bad Ischl und anderen Orten Oberösterreichs bereit gehalten, und zwar:

a) 5.000 Stück 8‑mm‑Para Hirtenberg‑Pistolenmunition,

b) 5.000 Stück 9‑mm‑Luger Pistolenmunition,

c) 951 Stück 8 x 57 mm Trigon IS Stahlmantel‑Spitz‑Gewehrmunition für automatische Kriegswaffen und

d) 52 Stück 8 x 57 mm HD IS Stahlmantel‑Spitz‑Gewehrmunition für automatische Kriegswaffen".

Mit dem angefochtenen Beschluß hat das Oberlandesgericht Linz einer Beschwerde des Ahmet T* gegen die Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft durch die Ratskammer des Landesgerichtes Wels nicht Folge gegeben und die Fortsetzung der Haft aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs. 1 und 2 Z 3 lit. a StPO angeordnet.

In seiner dagegen erhobenen Grundrechtsbeschwerde wendet sich T* gegen die Annahme des angeführten Haftgrundes. Er sei nicht, wie das Oberlandesgericht in seinem Beschluß feststellt, im illegalen Waffenhandel "fest verwurzelt", sondern auf diesem Gebiet eher ein "Laienspieler". Die betroffene, gegen eine "Anlaßtat" mit schweren Folgen sprechende Munitionsmenge sei auch nicht sehr groß, damit könne nur der Trainingsbedarf eines Sportschützen für sechs Monate gedeckt werden. Darüber hinaus könnte seine Überstellung in Auslieferungshaft die Untersuchungshaft ersetzen; auch hindere ihn das "zwingend" zu verhängende Aufenthaltsverbot, künftig in Österreich rückfällig zu werden.

Der Beschwerdeführer ist nicht im Recht.

Zutreffend hat das Oberlandesgericht zur Begründung der Tatbegehungsgefahr ua darauf verwiesen, daß gegen Ahmet T* in einem seit Dezember 1992 in Deutschland (Amtsgericht Recklinghausen) anhängigen Strafverfahren wegen des "typisch einschlägigen" Deliktes des unbefugten Waffenhandels am 19.Mai 1993 ein Haftbefehl erlassen, der Genannte zwar am 15.Juni 1993 gegen eine Kaution von 25.000 DM und das Gelöbnis, sich wöchentlich bei der Polizeidienststelle seines Wohnortes (in Deutschland) zu melden, enthaftet worden war, nach der bestehenden dringenden Verdachtslage in der Folge jedoch sein strafbares Verhalten nach Österreich verlagerte, ua einen Mittäter zum Ankauf für die in die Türkei zu liefernde Waffen bestimmte und die finanziellen Mittel hiezu bereitstellte. Daß eine noch "professionellere" Vorgangsweise beim Ansammeln der Kampfmittel denkbar ist, als sie der Beschwerdeführer gewählt haben soll, spricht nicht gegen die begründete Befürchtung des Gerichtshofes zweiter Instanz, daß T* unter Verwertung der bisherigen Kenntnisse gleichartige strafbare Handlungen in Hinkunft begehen könnte.

Der hypothetische durchschnittliche Munitionsbedarf eines Sportschützen steht mit dem inkriminierten strafgesetzwidrigen Ansammeln von Kampfmitteln, die nach den nicht in Beschwerde gezogenen Annahmen des Oberlandesgerichtes für automatische Gewehre geeignet und für die (in mehreren Staaten wegen terroristischer Aktivitäten verbotene) Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) bestimmt waren, in keinem relevanten Konnex.

Dem Beschwerdeeinwand, daß die "Anlaßtat" keine solche mit schweren Folgen sei, ist zu entgegnen, daß schon die aus einer tatbestandsmäßigen - für die Kampfausrüstung einer größeren Zahl von Menschen geeigneten ‑ Schießbedarfsmenge resultierende abstrakte Gefahr für den öffentlichen Frieden (vgl. Leukauf‑Steininger3 § 280 RN 1) als "schwere Folge" beurteilt werden kann, sofern dies auf Grund aller konkreten Tatauswirkungen in der gesellschaftlichen Wirklichkeit, sohin nach Art, Ausmaß und Wichtigkeit aller effektiven Nachteile gerechtfertigt ist (zum Begriff der "schweren Folgen" im Sinne des § 180 Abs. 2 Z 3 lit. a StPO, der mit jenen der §§ 21 und 23 StGB ident ist und nicht nur die tatbestandsmäßigen Folgen erfaßt, siehe die Literatur und Judikatur zu § 21 StGB, ua Leukauf‑Steininger3 § 21 RN 13).

Mit zutreffender Begründung hat das Oberlandesgericht auch die Möglichkeit der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes für Österreich als einerseits derzeit nicht aktuell und andererseits als nicht ausreichend dafür angesehen, daß T* im Inland keine strafbaren Handlungen gleicher Art mehr begehen werde.

Der Einwand einer Substituierbarkeit der Untersuchungshaft durch eine Auslieferungshaft läßt ua unberücksichtigt, daß gemäß § 29 Abs. 2 ARHG eine Auslieferungshaft gar nicht verhängt werden darf, wenn die (Auslieferungs‑) Haftzwecke durch eine gleichzeitige Untersuchungshaft erreicht werden können (Priorität der U‑Haft).

Die Verhinderung einer "Prognosetat" ist ‑ im Rahmen eines inländischen Strafverfahrens ‑ nicht Aufgabe der deutschen, sondern der österreichischen Justizbehörden. Auf eine Fortsetzung der Haft im Ausland hat Österreich im übrigen keinerlei Einfluß, weshalb die von der Beschwerde diesbezüglich angestellten Überlegungen bei der Frage der (inländischen) Untersuchungshaft außer Betracht zu bleiben haben.

Der Grundrechtsbeschwerde war daher ein Erfolg zu versagen.

 

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