OGH 14Os185/95

OGH14Os185/956.2.1996

Der Oberste Gerichtshof hat am 5.Feber 1996 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Walenta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Massauer, Dr.Ebner, Dr.E.Adamovic und Dr.Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Bartholner als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Thomas F***** wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten räuberischen Diebstahls nach §§ 127, 131 erster Fall und 15 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 6.Juni 1995, GZ 27 Vr 761/95-44, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Tiegs, und des Verteidigers Dr.Brandstetter, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben und es werden

1. das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in der rechtlichen Beurteilung des Schuldspruches Punkt 4 als Vergehen des (vollendeten) Diebstahls nach § 127 StGB, soweit darin die Verneinung der Qualifikation nach § 131 (erster Fall) StGB begriffen ist, und demgemäß auch im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung);

2. der zugleich ergangene Beschluß auf Widerruf einer

bedingten Entlassung

aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen unbekämpft gebliebenen Freispruch enthält, wurde der am 31.März 1971 geborene Thomas F***** des Vergehens des teils vollendeten, teils versuchten Diebstahls nach §§ 127 und 15 StGB schuldig erkannt und zu sechs Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Zugleich wurde eine bedingte Entlassung widerrufen (§ 494 a Abs 1 Z 4 StPO).

Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat er in Innsbruck fremde bewegliche Sachen in einem 25.000 S nicht übersteigenden Wert nachgenannten Personen mit dem Vorsatz, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern, weggenommen bzw wegzunehmen versucht, und zwar:

1. am 23.September 1994 der Adele M***** eine Geldtasche mit Bargeld in Höhe von 2.000 S, wobei es beim Versuch geblieben ist;

2. am 14.März 1995 im Kaufhaus "Interspar" einem Gewahrsamsträger dieser Firma eine Dose Lachs im Wert von 54,90 S, wobei es beim Versuch geblieben ist;

3. am 30.März 1995 im Kaufhaus "Interspar" der Irmgard H***** eine Handtasche im Gesamtwert von ca 1.000 S, wobei es ebenfalls beim Versuch geblieben ist, und

4. am 28.März 1995 im "Hofer-Markt" in der Museumstraße der Melitta B***** eine Handtasche mit Bargeld im Gesamtwert von 1.119 S.

Rechtliche Beurteilung

Dieses Urteil bekämpft die Staatsanwaltschaft in Ansehung des Schuldspruchs Punkt 4 mit einer auf die Z 5 und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

In ihrer Subsumtionsrüge (Z 10) bemängelt die Staatsanwaltschaft im Ergebnis zu Recht, das Erstgericht habe zwar festgestellt, daß sich der Angeklagte "lediglich" (von den ihn an der Flucht hindernden Zeuginnen F***** und B*****) losgerissen habe, jedoch auf Grund der rechtsirrigen Ansicht, Losreißen stelle grundsätzlich keine Gewaltanwendung dar, die erforderlichen Feststellungen zur subjektiven Tatseite eines räuberischen Diebstahls nach § 131 StGB, insbesondere zur vom Gesetz geforderten Absichtlichkeit, unterlassen.

Zwar ist - dem Beschwerdevorbringen zuwider - das Losreißen von einer Person nicht zwangsläufig mit einer Gewaltanwendung gegen die Person des Festhaltenden verbunden, sodaß im Einzelfall besonders zu prüfen ist, ob der mit einem Losreißen einhergehende Kraftaufwand des Täters die für den Gewaltbegriff maßgebende Erheblichkeitsschwelle überschritten hat (Leukauf-Steininger Komm3 RN 4, Kienapfel BT I3 RN 11 je zu § 105; siehe dazu insb 14 Os 118/94 = EvBl 1995/33). Der Staatsanwaltschaft ist jedoch darin zuzustimmen, daß das Erstgericht zu Unrecht der Sache nach davon ausgegangen ist, ein Sichlosreißen des Täters von einer ihn an der Flucht hindernden Person verwirkliche unter keinen Umständen eine Gewaltanwendung im Sinn des § 131 StGB (US 7 unten). Als Folge dieser verfehlten Rechtsansicht hat es nähere Feststellungen über die Art und Intensität des hindernden Zugriffes der Bestohlenen, der dagegen gerichteten Körperbewegungen des Angeklagten und deren Auswirkungen auf die ihn festhaltende Melitta B***** (vgl abermals EvBl 1995/33) sowie über das allfällige Vorliegen seiner Absicht unterlassen, Gewalt auch (vgl Leukauf-Steininger Komm3 § 131 RN 13) zur Erhaltung des Besitzes an der weggenommenen Sache anzuwenden.

Da nach der Aktenlage hinreichende Anhaltspunkte für Feststellungen sowohl hinsichtlich der Art und des Ausmaßes der Gewaltanwendung als auch hinsichtlich des Vorliegens der subjektiven Tatseite des § 131 StGB gegeben sind (S 361 f, 370, 416, 419 ff), kann erwartet werden, daß sich die als fehlend gerügten Feststellungen mit mängelfreier Begründung nachholen lassen.

Es waren daher das angefochtene Urteil in dem aus dem Spruch ersichtlichen Umfang sowie der darauf basierende Widerrufsbeschluß - ohne daß auf die Mängelrüge (Z 5) der Staatsanwaltschaft noch einzugehen wäre - aufzuheben und insoweit ein zweiter Rechtsgang anzuordnen (§ 288 Abs 2 Z 3 StPO).

Der Ausspruch über die Kostenersatzpflicht des Angeklagten gründet sich auf § 390 a StPO.

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