OGH 14Os184/08b

OGH14Os184/08b14.1.2009

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. Jänner 2009 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig als Vorsitzenden, den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Schörghuber als Schriftführerin in der Strafsache gegen Markus M***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3, 148 zweiter Fall StGB und anderer strafbarer Handlungen, AZ 31 HR 248/08b des Landesgerichts Innsbruck (= AZ 4 St 334/06p der Staatsanwaltschaft Innsbruck), über die Grundrechtsbeschwerde des Beschuldigten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Beschwerdegericht vom 11. November 2008, AZ 6 Bs 645/08s (bzw t) (= ON 97), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Markus M***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Mit der angefochtenen Entscheidung gab das Oberlandesgericht Innsbruck einer (erneuten) Beschwerde des Beschuldigten Markus M***** gegen den Haftbeschluss des Landesgerichts Innsbruck vom 6. Oktober 2008 (ON 84 im Ermittlungsverfahren AZ 4 St 334/06p der Staatsanwaltschaft Innsbruck) nicht Folge und setzte die über den Genannten am 21. Mai 2008 verhängte (ON 10 in ON 41) Untersuchungshaft aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 3 lit b StPO fort.

Dabei ging das Oberlandesgericht - wie schon in seiner Entscheidung vom 5. August 2008 (ON 73) - von der Dringlichkeit des Tatverdachts in Richtung gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3, 148 zweiter Fall StGB aus, demgemäß der Angeklagte zumindest ab dem Jahr 2000 teilweise als Privatperson, teilweise unter Zuhilfenahme eines seiner zahlreichen Unternehmen gewerbsmäßig unter Vortäuschung falscher Tatsachen, nämlich seiner Bonität und Zahlungswilligkeit, Waren und Dienstleistungen von Unternehmen und Privatpersonen betrügerisch herausgelockt habe, wobei er sich auch gefälschter Dokumente bedient habe. Dazu verweist das Oberlandesgericht auf die Abschlussberichte der PI Kematen bezüglich 21 Fakten mit einer Schadenssumme von zumindest 166.000 Euro (ON 44) und der PI Leonding betreffend zumindest 13 Geschädigte und eine Schadenssumme von zumindest 179.080,74 Euro (ON 85-87) sowie einige weitere Anzeigen (BS 2 f).

Weitere aktenkundige Vergehenstatbestände (Veruntreuung, Urkundenfälschung ua) wurden als für die Haft nicht entscheidend keiner Erörterung unterzogen.

Rechtliche Beurteilung

Der Grundrechtsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu. Die Sachverhaltsgrundlage des dringenden Tatverdachts ist im Verfahren über eine Grundrechtsbeschwerde nach ständiger Rechtsprechung nur nach Maßgabe der Mängel- und Tatsachenrüge des § 281 Abs 1 Z 5 und 5a StPO bekämpfbar (RIS-Justiz RS0110146). Somit können lediglich formale Mängel der Begründung der Konstatierungen entscheidender Tatsachen releviert werden (Z 5) oder es kann nach Maßgabe deutlich und bestimmt bezeichneter Aktenteile und der in der Z 5a genannten Erheblichkeitsschwelle versucht werden, erhebliche Bedenken des Obersten Gerichtshofs gegen die Richtigkeit der Feststellungen zu wecken. Eine Betrachtung der Verdachtslage aus der Sicht des Antragstellers ohne konkreten Bezug zur Begründung des Oberlandesgerichts nimmt dem Obersten Gerichtshof die Möglichkeit, der Beschwerde zu erwidern (RIS-Justiz RS0112012).

Insoweit die Beschwerde undeutliche Sachverhaltsannahmen zur Haftvoraussetzung des dringenden Tatverdachts kritisiert, ist ihr entgegenzuhalten, dass das Oberlandesgericht jene unter Bezugnahme auf die zitierten Faktenaufstellungen in den Abschlussberichten ausreichend konkretisierte (BS 2) und zudem aktenkonform auf das Auftreten des Beschuldigten als erfolgreicher Manager, potenzieller BAWAG-Käufer und liquider Großinvestor verwies. Im Übrigen reichen schon die explizit angeführten Fakten hinsichtlich betrügerischer Herauslockung eines Pkw Audi A6 3,0 Quattro zum Preis von 64.630 Euro im Mai 2006 (S 145 f/I) und eines Pkw VW Passat im Wert von 42.550 Euro im Mai 2008 (Faktum I in ON 41), jeweils unter Verwendung verfälschter Urkunden, für die Annahme dringenden Tatverdachts in Richtung des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3, 148 zweiter Fall StGB hin (BS 3). Warum ein Freispruch des Beschuldigten vom Vorwurf schweren Betrugs zum Nachteil eines Walter G***** zu AZ 35 Hv 182/06v des Landesgerichts Innsbruck für die Beurteilung des hier in Rede stehenden Sachverhalts relevant sein sollte, legt die Beschwerde nicht substantiiert dar.

Gleiches gilt im Bezug auf die Kritik am Unterbleiben einer - von der StPO indessen nicht zwingend vorgeschriebenen - Einvernahme des Beschwerdeführers durch die Staatsanwaltschaft.

Warum ihm hiedurch die Möglichkeit genommen worden sei, zu seiner Entlastung führende Urkunden vorzulegen, ist nicht nachvollziehbar. Im Übrigen hat der Beschuldigte das Recht, die Aufnahme entsprechender Beweise zu beantragen (§ 55 StPO).

Welche Urkunden die Fakten „Doris O***** und H*****" widerlegen sollten, legt die Beschwerde nicht deutlich und bestimmt dar. Das Oberlandesgericht war nicht gehalten, sich mit sämtlichen nun hinsichtlich einiger Fakten im Rechtsmittel angesprochenen Verfahrensergebnissen zu befassen (vgl § 270 Abs 2 Z 5 StPO). Auf die teils leugnende Verantwortung des Beschuldigten nahm das Oberlandesgericht aber sehr wohl Bezug (BS 3 f).

Mit eigenen Beweiswerterwägungen hinsichtlich einiger in den genannten Abschlussberichten zitierten Fakten, etwa der Behauptung über einen Deckungsfonds von 60.000 Euro verfügt zu haben, orientiert sich die Beschwerde nicht an der Gesamtheit der Beschlussbegründung und vermag insbesondere die oben genannten Fakten bezüglich Herauslockung zweier hochwertiger Pkw nicht in Zweifel zu ziehen. Der Beschwerde zuwider hat sich das Oberlandesgericht sehr wohl mit der subjektiven Tatseite befasst (BS 3 f) und entgegen ihrer Kritik die „charakterliche Neigung des Beschuldigten" keineswegs außer Acht gelassen.

Nach Prüfung des weiteren Beschwerdevorbringens anhand der Akten (Z 5a) ergeben sich für den Obersten Gerichtshof keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der der Annahme dringenden Tatverdachts zugrundeliegenden entscheidenden Tatsachen, was insbesondere den Beschwerdehinweis auf nunmehriges Zurücklegen der Gewerbeberechtigung und die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Beschuldigten betrifft.

Die rechtliche Annahme einer der von § 173 Abs 2 StPO genannten Gefahren wiederum wird vom Obersten Gerichtshof dahin geprüft, ob sie aus den in der angefochtenen Entscheidung angeführten bestimmten Tatsachen abgeleitet werden durfte, ohne dass die darin liegende Ermessensentscheidung als unvertretbar („willkürlich") angesehen werden müsste (RIS-Justiz RS0117806).

Das Oberlandesgericht hat seine Einschätzung, der Beschuldigte werde auf freiem Fuß ungeachtet des gegen ihn geführten Strafverfahrens eine strafbare Handlung mit nicht leichten Folgen begehen, die gegen dasselbe Rechtsgut gerichtet ist, wie die ihm angelastete strafbare Handlung derentwegen er bereits verurteilt wurde (AZ 23 Hv 176/02x des Landesgerichts für Strafsachen Wien) bzw wie die ihm nunmehr vorgeworfenen fortgesetzten bzw wiederholten Handlungen, mängelfrei auf den dringenden Verdacht spezifisch einschlägigen Rückfalls innerhalb offener Probezeit durch eine Vielzahl jahrelang wiederholter gewerbsmäßig begangener Betrugstaten gegründet (BS 4). Mit dem Hinweis auf seine Kooperationsneigung, das Erlöschen der Gewerbeberechtigung und die Einleitung des Konkursverfahrens vermag die Beschwerde dem nichts Substantielles entgegenzusetzen. Der Verneinung der Substituierbarkeit der Haft durch das Oberlandesgericht wird durch die schlichte Bestreitung der Richtigkeit dieser Prognose und das neuerliche, argumentativ nicht ausgeführte Anbot gelinderer Mittel nicht relevant entgegnet. Von einer Unverhältnismäßigkeit der Untersuchungshaft kann mit Blick auf den in Betracht kommenden Strafrahmen von einem bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe und die einschlägige Verurteilung des Beschwerdeführers sowie auf die Bedeutung der Sache keine Rede sein. Der behaupteten Verletzung des Beschleunigungsgebots zufolge vorgeblich verspäteter Erstattung des Abschlussberichts und Unterbleiben einer Beschuldigtenvernehmung durch den Staatsanwalt mangelt es schon an der gebotenen Ausschöpfung des Instanzenzugs, hat der Beschuldigte doch diesbezüglich in seiner Beschwerde gegen den Fortsetzungsbeschluss des Landesgerichts Innsbruck vom 6. Oktober 2008 kein deutliches und bestimmtes Vorbringen erstattet (ON 91; RIS-Justiz RS0114487).

Somit wurde der Beschuldigte im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt, weshalb die Beschwerde ohne Kostenausspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen war.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte