Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Michael S***** - anklagedifform - des Finanzvergehens der Abgabenhehlerei nach § 37 Abs 1 lit a FinStrG schuldig erkannt.
Demnach hat er im Juli 2001 in Wöllersdorf, an anderen Orten Österreichs und in Köln (BRD) vorsätzlich Sachen, hinsichtlich welcher ein Schmuggel oder eine Verkürzung von Eingangs- und Ausgangsabgaben begangen wurde, verheimlicht und verhandelt, indem er 3,800.000 Stück Zigaretten der Marke Benson & Hedges, welche vom gesondert verfolgten Peter H***** von Ungarn nach Österreich und weiter nach Deutschland geschmuggelt worden waren, mit einem vom gesondert verfolgten Damir Se***** angemieteten Lastkraftwagen, welchen er in Wöllersdorf vom gesondert verfolgten Karl Heinz R***** übernommen und nach Köln verbracht hatte, von Köln nach Großbritannien transportierte.
Rechtliche Beurteilung
Die vom Angeklagten dagegen aus den Gründen der Z 3, 5, 5a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde geht fehl. Der Verfahrensrüge (Z 3) zuwider ist in der Verwertung (US 6) der Seite 177 des Schlussberichts des Zollamts Wien (ON 3) kein Verstoß gegen die Bestimmungen der §§ 258 und 252 StPO zu erblicken. Nach dem vollen Beweis machenden Hauptverhandlungsprotokoll wurden - nach Verzicht der Parteien auf weitere Anträge - „die beantragten Verlesungen vorgenommen", wobei weitere Verlesungen nicht beantragt wurden (S 375). In Ermangelung anderer Anträge handelt es sich bei den „beantragten Verlesungen" um jene, die in der Anklageschrift angesprochen wurden (S 293), demgemäß auch um die „Erhebungen des (Haupt-)Zollamts Wien". Zum Vorbringen, die Hauptverhandlung vom 26. Juni 2007 habe bis zu deren Schluss nur 35 Minuten gedauert, sodass gar nicht alle Anzeigen verlesen worden sein könnten, genügt der Hinweis auf die durch § 252 Abs 2a StPO eröffnete Möglichkeit, Verlesungen durch einen Vortrag des Vorsitzenden über den erheblichen Inhalt von Aktenstücken zu ersetzen. Eine weitergehende Verlesung einzelner Schriftstücke wurde nicht beantragt (S 375 letzter Satz). Im Übrigen handelt es sich bei der in Rede stehenden Passage des Schlussberichts um ein Schriftstück iSd § 252 Abs 2 StPO, welches demgemäß verlesen werden musste (Kirchbacher, WK-StPO § 252 Rz 122). Wenn die Mängelrüge moniert (Z 5 erster Fall), dem Urteil sei mit Ausnahme des Spruchs nicht zu entnehmen, dass die Zigaretten über Österreich transportiert wurden, ist sie zum einen darauf zu verweisen, dass zur Verdeutlichung des Urteilsinhalts auch das Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) in den Blick zu nehmen ist (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 393, 419), zum anderen darauf, dass sich der über Österreich führende Verlauf der Schmuggelroute sehr wohl auch aus den Gründen ergibt (US 4 dritter Absatz, US 6 zweiter, dritter Absatz). Der Rüge (Z 5 vierter Fall) zuwider ist die Ableitung des über Österreich erfolgten Zigarettentransports und des Wissens des Beschwerdeführers davon aus den Erhebungsergebnissen des Hauptzollamts Wien, den Ausführungen des Zeugen Karl Heinz R***** und der Aufdeckung eines Schmuggeltransports an der österreichisch-ungarischen Grenze (US 6 zweiter Absatz) logisch und empirisch einwandfrei.
Das Vorbringen, der informierte Vertreter des Hauptzollamts Wien, Josef E*****, habe als Zeuge ausgesagt, er könne ausschließen, dass sich die Zigaretten jemals auf österreichischem Bundesgebiet befanden, verfehlt den Bezug zum Hauptverhandlungsprotokoll, weil dieses vom Vorsitzenden - letztlich - mit rechtskräftigem (14 Os 115/08f) Beschluss vom 21. April 2008 (ON 51) dahin korrigiert wurde, dass der Zeuge angab, er könne dies nicht ausschließen (S 357). Mit der Deposition dieses Zeugen, es seien damals auch Zigaretten aus China containerweise in das Lager bei Köln gebracht worden, setzte sich das Erstgericht sehr wohl auseinander, gelangt jedoch beweiswürdigend zum Ergebnis, aufgrund der im Vorabsatz erwähnten Hinweise sei von einem Zigarettenschmuggel über Österreich auszugehen (US 6 dritter Absatz). Im Übrigen sind Einschätzungen eines in die Tat nicht ingerierten Zeugen, woher das Schmuggelgut stammen könnte, nicht entscheidungsrelevant.
Weiters vermisst die Rüge (Z 5 zweiter Fall) ein Eingehen des Erstgerichts auf folgende Aussage des Zeugen Karl Heinz R***** (S 373 f):
„Ich glaube nicht, dass der Angeklagte darüber informiert wurde, dass der Schmuggel von mehreren Personen durchorganisiert wurde. Ich habe ihm gesagt, dass ich eine Fuhr für ihn habe, aber das andere hat er alles nicht gewusst. ... Der Angeklagte hat weder ein Lager gewusst noch sonst irgendwas. Er hat auch nicht nachgefragt, woher die Zigaretten kommen oder so. ...."
Da das Schöffengericht - abweichend von der Anklage (ON 21) - Tatbegehung als Mitglied einer Bande (§ 38 Abs 1 lit b FinStrG) nicht annahm, stellt das Wissen des Angeklagten über die Organisation einen unerheblichen Umstand dar. Ebenso wenig entscheidungsrelevant und damit erörterungsbedürftig waren das mangelnde Wissen über ein Lager und das Unterbleiben des Nachfragens.
Der strafbestimmende Wertbetrag wurde entgegen der Rüge (Z 5 vierter Fall) denkgesetzkonform den - verlesenen - Erhebungsergebnissen des Hauptzollamts Wien entnommen (US 5 erster Absatz; vgl S 155). Der vom Beschwerdeführer bekämpfte Ausspruch, dass der Angeklagte (auch) in Wöllersdorf und an anderen Orten Österreichs handelte, betrifft keine entscheidende Tatsache, weil sich die inländische Gerichtsbarkeit jedenfalls auf den Umstand der Tatbegehung als österreichischer Staatsbürger - sei es auch im Ausland (§ 5 Abs 2 zweiter Satz zweiter Fall FinStrG) - gründet.
Nach Prüfung des Beschwerdevorbringens anhand der Akten (Z 5a) ergeben sich für den Obersten Gerichtshof keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrundeliegenden entscheidenden Tatsachen.
Der hier zusammengefasst erhobenen Behauptung, es mangle an schlüssigen Beweisen für die Feststellung eines über Österreich verlaufenden Schmuggelwegs, könnten die Zigaretten doch - wie es der Zeuge Karl Heinz E***** andeutete (S 357 f) - genau so gut per Schiff von China nach Deutschland gelangt sein, ist entgegenzuhalten, dass nach der Aktenlage die hier tätige Schmuggelorganisation von ungarischen Auftraggebern geleitet wurde (S 35), die Zigarettentransporte von Ungarn über Österreich und Deutschland nach England durchführten (S 33, 173), wobei hiefür laufend Lkw-Fahrer rekrutiert wurden (S 165, 171). Am 6. April 2001 wurde - wie bereits in der Mängelrüge angesprochen - ein der Organisation zuzuordnender Schmuggel an der österreichisch-ungarischen Grenze aufgedeckt (US 6 zweiter Absatz, S 177). Der Bruder des Angeklagten, Joachim S*****, wurde schuldig erkannt, im Mai und Juni 2001 im Rahmen der Schmuggelorganisation sechs Schmuggelfahrten von Köln nach Großbritannien durchgeführt zu haben, wobei alle Zigaretten vom gesondert verfolgten, auch hier als Hintermann agierenden (US 3 zweiter Satz) Peter H***** zuerst nach Österreich eingeschmuggelt worden waren (US 3 vorletzter Absatz, US 5 vorletzter Absatz; ON 36). Der Angeklagte wurde schließlich am 25. Juli 2001 in England mit dem Schmuggelgut betreten (S 41).
Mag sohin die Möglichkeit einer chinesischen Herkunft der Zigaretten auch nicht völlig auszuschließen sein, so bietet die referierte Aktenlage doch eine so hohe Wahrscheinlichkeit des Zigarettentransports von Ungarn vorerst nach Österreich, dass die relevierte Zeugenaussage Bedenken erheblicher Art gegen die getroffenen Feststellungen nicht auszulösen vermag. Mit der Behauptung, das in § 5 Abs 2 zweiter Satz zweiter Fall FinStrG zur Begründung inländischer Gerichtsbarkeit vorgesehene Personalitätsprinzip (vgl Fabrizy StGB9 § 65 Rz 1) sei verfassungswidrig, wird die Rechtsrüge (Z 9 lit a) nicht gesetzeskonform ausgeführt, weil mit diesem Vorbringen keine Nichtigkeit zur Darstellung gebracht wird (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 597).
Mit Blick auf den behaupteten Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot nach Art 14 MRK sieht sich der Oberste Gerichtshof nicht veranlasst, einen Antrag gemäß Art 89 Abs 2 B-VG auf Aufhebung der Regelung des § 5 Abs 2 zweiter Satz zweiter Fall FinStrG beim Verfassungsgerichtshof zu stellen (vgl Grabenwarter MRK³
§ 26 Rz 9, Mayer B-VG³ Art 14 MRK Anm II.2., Dorazil/Harbich FinStrG
§ 5 Anm 3).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO). Dieses wird im Rahmen der Berufungsentscheidung zu beachten haben, dass vorliegend zufolge Nichtannahme der Qualifikation bandenmäßiger Begehung dem - nicht bekämpften (vgl RIS-Justiz RS0119220) - Ausspruch über die Verhängung einer (anteiligen) Wertersatzstrafe die Basis entzogen ist (vgl §§ 17 Abs 2 lit c, 38 Abs 1 lit c letzter SatzFinStrG).
Die Kostenersatzpflicht gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
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