OGH 14Os170/10x

OGH14Os170/10x28.12.2010

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. Dezember 2010 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Marek sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Fries als Schriftführer in der Strafsache gegen Tihomir M***** und eine andere Angeklagte wegen Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter, dritter und fünfter Fall, Abs 2 Z 1 und Abs 4 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Tihomir M***** und Dusanka Z***** gegen das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Schöffengericht vom 29. September 2010, GZ 25 Hv 101/10t-83, sowie die Beschwerde des Tihomir M***** gegen den gemeinsam mit dem Urteil gefassten Beschluss auf Widerruf bedingter Strafnachsicht nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Tihomir M***** und Dusanka Z***** der Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (I/1/a und b) und nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (I/2/a und b), Erstgenannter jeweils auch nach Abs 2 Z 1 des § 28a SMG und zudem mehrerer Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG (II) schuldig erkannt.

Danach haben vorschriftswidrig Suchgift

(I) in einer das 25-fache der Grenzmenge übersteigenden Menge

1) ein- und ausgeführt, und zwar

a) Tihomir M***** im Jahr 2006 fünf Gramm Heroin von Bosnien über Serbien nach Ungarn und von dort in Nickelsdorf nach Österreich;

b) Tihomir M***** und Dusanka Z***** im einverständlichen Zusammenwirken von Jänner 2008 bis November 2009 in einer Mehrzahl von Angriffen insgesamt zumindest 2.771 Gramm Heroin mit einer Reinsubstanz von zumindest 555,58 Gramm Diacetylmorphin von Bosnien über Kroatien und Slowenien und von dort in Spielfeld nach Österreich;

2) in Wien anderen gewinnbringend überlassen, und zwar

a) Tihomir M***** von Jänner 2008 bis Sommer 2009 zumindest 1.821 Gramm Heroin mit einer Reinsubstanz von 365,75 Gramm Diacetylmorphin und 3.000 Gramm Cannabiskraut mit einer Reinsubstanz von 150 Gramm Delta-9-THC an Kawi R***** sowie an andere nur unter ihren Spitznamen bekannte oder namentlich unbekannte Personen und

b) Dusanka Z***** von Mai 2009 bis Dezember 2009 800 Gramm Heroin mit einer Reinsubstanz von 160,4 Gramm Diacetylmorphin an Kavi R*****,

wobei Tihomir M***** die zu I/1 und I/2/a beschriebenen Taten gewerbsmäßig beging und schon einmal wegen einer Straftat nach § 28a Abs 1 SMG verurteilt worden ist;

(II) Tihomir M***** seit einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt bis zum 28. März 2010 in Wien über die zu (richtig:) I/1 und I/2/a genannten Suchtgiftmengen hinaus Heroin in einer nicht mehr feststellbaren Menge ausschließlich zum persönlichen Gebrauch erworben und besessen.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen von Tihomir M***** aus dem Grund der Z 5a des § 281 Abs 1 StPO, von Dusanka Z***** aus den Gründen der Z 4, 10 und 11 des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden verfehlen ihr Ziel.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Tihomir M*****:

Mit dem nominell aus Z 5a erhobenen, gegen die Abschöpfung der Bereicherung gerichteten Einwand, es wäre als „Grundlage“ für diesen Ausspruch eine „gegenüberstellende Feststellung“ erforderlich gewesen, welche durch den Suchtgifthandel lukrierten Geldbeträge der Beschwerdeführer „für den Suchtmittelkonsum und Beschaffung aufwendet und welche Beträge zur angeblichen Hebung seines Lebensstils“, wird - ohne die unrichtige Lösung einer Rechtsfrage (Z 11) aufzuzeigen - bloß ein Berufungsvorbringen erstattet (RIS-Justiz RS0114233; Fuchs/Tipold, WK-StPO § 443 Rz 55 ff). Inwiefern die Verwendung eines - insoweit auch von der Beschwerde unbestritten - aus einer strafbaren Handlung erlangten Geldbetrags für die Entscheidung nach § 20 StGB relevant sein sollte, ist im Übrigen nicht nachvollziehbar.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Dusanka Z*****:

Zu der gegen das Unterbleiben der - insoweit von der Beschwerde übergangen - antragsgemäß beschlossenen (ON 77 S 35) Beweisaufnahme („Beischaffung des Schuldscheins“) gerichteten Verfahrensrüge (Z 4) ist die Angeklagte nicht legitimiert: Wurde einem Antrag stattgegeben, die Verfügung aber nicht effektuiert, liegt der Mangel nämlich, anders als Z 4 verlangt, nicht im Zwischenerkenntnis, außer das Verhalten des Gerichtshofs läuft im Ergebnis auf eine Täuschung des Antragstellers hinaus, was die Beschwerde nicht einmal behauptet. So gesehen muss der aus dem Zwischenerkenntnis Berechtigte erforderlichenfalls auch dessen Umsetzung verlangen, um in Hinsicht auf die Entscheidung über dieses Begehren zur Anfechtung berechtigt zu sein (13 Os 15/03, ÖJZ-LSK 2003/114 = SSt 2003/16).

Davon abgesehen zielte der - von der Beschwerde im Übrigen prozessordnungswidrig ohne Angabe der Fundstelle in den Akten angesprochene (vgl dazu RIS-Justiz RS0124172) - Beweisantrag ausdrücklich bloß auf die Überprüfung der Glaubwürdigkeit der Zeugin Kawi R***** ab (ON 77 S 35). Ein zu einem solchen Beweisthema begehrter Verfahrensschritt betrifft nur dann einen erheblichen Umstand, der also geeignet ist, die Feststellung entscheidender Tatsachen maßgeblich zu beeinflussen (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 340 f), wenn sich aus dem Antragsvorbringen ergibt, dass dieser Zeuge etwa bereits wegen Verleumdung verurteilt wurde, zum Verfahrensgegenstand falsche Angaben gemacht hat oder sein bisheriges Verhalten eine habituelle Falschbezichtigungstendenz erkennen lässt (RIS-Justiz RS0120109; Fabrizy, StPO10 § 55 Rz 4). Warum die Beischaffung „des Schuldscheins“, dessen konkreter Inhalt weder im Antragsvorbringen näher definiert noch sonst in der Hauptverhandlung thematisiert wurde, geeignet sein sollte, die Glaubwürdigkeit der Zeugin in Frage zu stellen, obwohl diese ohnehin eingestand, den Angeklagten 2.000 Euro für die Kaution betreffend ihre Wohnung sowie einen weiteren Betrag, dessen Höhe sie nicht mehr genau angeben könne, für erhaltenes Suchtgift zu schulden (ON 77 S 27 f), war dem Antrag nicht zu entnehmen.

Die Subsumtionsrüge (Z 10) orientiert sich mit der Behauptung fehlender Feststellungen zur - dem Schuldspruch I/1/b zugrunde liegenden - Ausfuhr von Suchtgift nicht an den Urteilsfeststellungen (wonach das verfahrengegenständliche Heroin in Bosnien gekauft, über Kroatien nach Slowenien transportiert und von dort nach Österreich eingeführt wurde [US 2, 6 f]) und verfehlt solcherart den gerade darin gelegenen Bezugspunkt (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 581). Im Übrigen ist das Verbrechen nach § 28a Abs 1 SMG hinsichtlich der Begehungsformen der Einfuhr und der Ausfuhr als alternatives Mischdelikt angelegt, womit erfolgreiche Anfechtung bloß einer dieser Varianten (ohne Einwand gegen die andere) ausscheidet (RIS-Justiz RS0115527).

Entgegen der Strafzumessungsrüge (Z 11) verstößt die Berücksichtigung der großen Menge an eingeführtem und verkauftem Suchtgift als Erschwerungsgrund angesichts der gegenständlichen Überschreitung des 25-fachen der Grenzmenge des § 28b SMG um ein Vielfaches nicht gegen das Doppelverwertungsverbot, weil dieser Umstand weder Strafbarkeit noch Strafdrohung bestimmt (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 704, 711, 714; RIS-Justiz RS0088028).

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde (§§ 285i, 498 Abs 3 letzter SatzStPO).

Die Kostenersatzpflicht beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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