OGH 14Os169/08x

OGH14Os169/08x16.12.2008

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. Dezember 2008 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Holzweber als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp und Hon.-Prof. Dr. Schroll und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Fuchs in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Trebuch als Schriftführer in der Strafsache gegen Mario P***** und einen weiteren Angeklagten wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Mario P***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 28. April 2008, GZ 7 Hv 68/07t-84, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In teilweiser Stattgebung sowie aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den den Angeklagten Mario P***** betreffenden Schuldsprüchen A/II/1 und A/II/2 und demzufolge auch im Strafausspruch aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Graz verwiesen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte Mario P***** auf diese Entscheidung verwiesen.

Ihm fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen rechtskräftigen Schuldspruch des Kurt H***** sowie Freisprüche beider Angeklagten enthält, wurde Mario P***** - rechtlich verfehlt, aber im Nichtigkeitsverfahren sanktionslos (vgl dazu unten) - mehrerer Verbrechen des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB (A/I), des Vergehens (zu ergänzen: des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften) nach § 27 Abs 1 Z 1 erster, zweiter und achter Fall, Abs 3 SMG (A/II/1) sowie des Vergehens nach den §§ 15 StGB, 27 Abs 1 erster Fall SMG aF (A/II/2) schuldig erkannt.

Danach hat er

A/I als Justizwachebeamter der Justizanstalt Graz-Karlau in wiederholten Angriffen im Zeitraum von September 2006 bis 19. Jänner 2007 mit dem Vorsatz, dadurch die Republik Österreich an ihrem Recht, an einem Verurteilten eine Freiheitsstrafe nach den Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes zu vollziehen, zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes, mithin als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich missbraucht, indem er

1. im Zuge der unter Punkt A/II/1 angeführten Tathandlung mindestens 230 Gramm Cannabisharz in den Vollzugsbereich der Justizanstalt Graz-Karlau schmuggelte und Strafgefangenen dessen unerlaubten Besitz durch Übergabe ermöglichte,

2. im Zuge mehrerer Angriffe neun Mobiltelefone in den Vollzugsbereich der Justizanstalt Graz-Karlau schmuggelte und dem abgesondert verfolgten Semsettin A***** deren unerlaubten Besitz durch Übergabe ermöglichte;

3. zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt im Herbst 2006 und am 19. Jänner 2007 vom Strafgefangenen Harald W***** unerlaubt besessene Bargeldbeträge in der Höhe von 400 Euro und 300 Euro übernahm und in der Folge auf ein bekannt gegebenes Konto zur Einzahlung brachte, statt den unerlaubten Besitz pflichtgemäß der Anstaltsleitung zu melden und die Geldbeträge zur Sicherung des staatlichen Verfallsanspruchs nach § 37 StVG abzunehmen;

II. vorschriftswidrig Suchtgift

1. erworben, besessen sowie in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung solcher Taten eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, einem anderen überlassen, indem er an einem nicht näher bekannten Tag im November 2006 mindestens 230 Gramm Cannabisharz von der abgesondert verfolgten Tanja P***** entgegennahm und gegen Entgelt in den Vollzugsbereich der Justizanstalt Graz-Karlau schmuggelte und an den Strafgefangenen Kurt H***** übergab;

2. zu erwerben versucht, indem er am 18. Jänner 2007 Margarethe G***** mehrmals telefonisch kontaktierte und zur Durchführung des zum Zweck der Übergabe von 200 Gramm Cannabisharz vereinbarten Treffens zu veranlassen versuchte.

Rechtliche Beurteilung

Ausdrücklich bloß gegen die Schuldsprüche nach dem Suchtmittelgesetz (A/II/1 und 2) sowie gegen die zu A/I/1 getroffene Feststellung, wonach der Angeklagte in Kenntnis des Inhalts des in die Justizanstalt geschmuggelten Päckchens gewesen sei, richtet sich die dagegen nominell aus den Gründen der Z 5, 5 a und „9" des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Mario P*****. Aus deren Anlass hat sich der Oberste Gerichtshof zunächst davon überzeugt, dass dem Urteil zum Schuldspruch A/II/2 zufolge fehlender Feststellungen zur subjektiven Tatseite der vom Beschwerdeführer nicht geltend gemachte, sich jedoch zu seinem Nachteil auswirkende und damit von Amts wegen wahrzunehmende (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 616, § 290 Rz 9) Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO anhaftet.

Nach den diesbezüglichen Urteilsannahmen hat Mario P***** am 16. Jänner 2007 anlässlich eines Telefonats von Margarethe G***** „ein Wäschepaket" verlangt, ein Treffen vereinbart und die Genannte zum festgelegten Zeitpunkt zwei Mal telefonisch „zur Durchführung der Übergabe" zu überreden versucht (US 16). Dass er zuvor entsprechende Absprachen mit seinen Auftraggebern traf, über den Inhalt der konstatierten vorangehenden Gespräche zwischen Helmut F***** und Margarethe G***** oder darüber informiert war, dass Letztgenannte „sich mit einer Platte Cannabisharz zu 200 mg auf den Weg machte", geht daraus nicht hervor, sodass den Entscheidungsgründen insgesamt nicht zu entnehmen ist, ob sein Vorsatz überhaupt auf den Erwerb von Suchtgift gerichtet war. Die Ausführungen im Urteilsspruch vermögen die Anführung jener Tatsachen in den Urteilsgründen, die als erwiesen angenommen wurden, nicht zu ersetzen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 580, RIS-Justiz RS0114639).

Dass sich an keiner Stelle der angefochtenen Entscheidung eine Begründung auch nur für diese - demnach unzureichenden - Konstatierungen findet, wie die Mängelrüge zu Recht moniert, sei der Vollständigkeit halber erwähnt.

Zutreffend wendet der Beschwerdeführer zum Schuldspruch A/II/1 zudem offenbar unzureichende Begründung (Z 5 vierter Fall) der Feststellungen zur Gewerbsmäßigkeit ein.

Die statt einer Begründung aufgestellte lapidare Behauptung der Tatrichter, „ein anderes Motiv wäre für seine Mitarbeit als Schmuggler von Suchtgift in die Justizanstalt nicht denkbar," reicht nämlich schon angesichts bloß einmaliger Tatbegehung ebenso wenig aus, wie der Hinweis, „ein Justizwachebeamter würde ein Risiko einer derartigen strafbaren Handlung überführt zu werden, die ihm letztlich seinen Job kostet, wohl nur gegen entsprechend finanzielle Abgeltung übernehmen" (US 28), den Schluss auf die Absicht des Angeklagten, sich durch die wiederkehrende Begehung gleichartiger Taten eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (§ 70 StGB), zulässt. Der aufgezeigte Rechtsfehler mangels Feststellungen sowie der zuletzt erörterte Begründungsmangel führen bereits bei der nicht öffentlichen Beratung sofort zur Aufhebung des Urteils im den Beschwerdeführer betreffenden Schuldspruch A/II/2 sowie in der rechtlichen Unterstellung der im Schuldspruch A/II/1 angeführten Straftat des Angeklagten Mario P***** unter § 27 Abs 3 SMG (§§ 285e erster Satz, 288 Abs 2 Z 1 und 3 erster Satz, 290 Abs 1 zweiter SatzStPO) und im Strafausspruch, was auch die Kassation des verbleibenden Schuldspruchs A/II/1 wegen § 27 Abs 1 Z 1 erster, zweiter und achter Fall SMG zur Konsequenz hat (§ 289 StPO). Im Hinblick auf die Aufhebung der Qualifikation nach § 27 Abs 3 SMG war nämlich dem Erstgericht die Möglichkeit, im zweiten Rechtsgang das Vorliegen schwerer Schuld - auf Basis der im Falle der Verneinung gewerbsmäßiger Absicht (die übrigens die Anwendbarkeit des § 27 Abs 1 SMG aF zur Folge hätte; § 61 StGB) geänderter Beurteilungsgrundlage - erneut zu überprüfen und damit die Option eines allfällig gesetzlich gebotenen diversionellen Vorgehens (hier: §§ 37 iVm 35 Abs 2 erster Fall SMG) zu eröffnen.

Ein Eingehen auf das weitere Beschwerdevorbringen zu den Schuldsprüchen nach dem Suchtmittelgesetz erübrigt sich daher. Soweit sich die Nichtigkeitsbeschwerde gegen einzelne den Schuldspruch A/I/1 betreffende Feststellungen richtet, verfehlt sie ihr Ziel.

Mit der (nominell auch unter dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 „Z 9" StPO wiederholten) Behauptung der Mängel- und Tatsachenrüge, es gäbe „keinerlei Anhaltspunkte" für die Urteilsannahme, der Nichtigkeitswerber habe wissentlich Suchtgift in die Justizanstalt eingeschmuggelt und an einen Strafgefangenen übergeben, spricht sie nämlich in Betreff des Schuldspruchs A/I/1 wegen § 302 Abs 1 StGB keine entscheidende Tatsache (zum Begriff vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 398 ff) an.

Mit Blick auf die - insoweit der Einlassung des Angeklagten entsprechenden - Urteilsannahmen, wonach er Karl H***** im Wissen um seinen dadurch bewirkten Befugnismissbrauch und mit Schädigungsvorsatz durch das festgestellte Verhalten bewusst den unerlaubten Besitz von Gegenständen entgegen der Bestimmung des § 33 StVG ermöglichte (US 11, 16 f), ist Kenntnis vom konkreten Inhalt des in den Bereich der Justizanstalt geschmuggelten Pakets für die rechtliche Beurteilung des Täterverhaltens als Verbrechen des Missbrauchs der Amtsgewalt nicht von Bedeutung, sodass selbst der Wegfall der bekämpften Konstatierung nichts am diesbezüglichen Schuldspruch ändern würde, wie der Beschwerdeführer zudem selbst einräumt.

Im Übrigen unterlässt die Beschwerde mit dem zitierten - pauschal auf Z 5 und 5a gestützten - Einwand die gebotene Gesamtbetrachtung der Entscheidungsgründe (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 392, 487; statt aller: 13 Os 68/08m), indem sie einzelne Elemente der erstgerichtlichen Argumentationskette (mit eigenen Beweiswerterwägungen) isoliert angreift und die insoweit zentralen Erwägungen der Tatrichter übergeht, die die kritisierte Konstatierung - in einer aus aus dem Blickwinkel der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden Weise - aus einer Reihe von Indizien (etwa aus Größe und Gewicht des Pakets, der für dessen Übergabe erhaltenen Gegenleistung und der Aussage des Zeugen Helmut F***** über Berichte des Karl H*****, wonach sich der Beschwerdeführer ein kleines Stück der geschmuggelten Cannabisplatte für sich selbst abgebrochen und behalten habe) ableiteten (US 20 ff). Insoweit war die Nichtigkeitsbeschwerde demgemäß bereits bei der nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen (§ 285d StPO). Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

Die - nur die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde, nicht die getroffene amtswegigeMaßnahme umfassende (vgl Lendl, WK-StPO § 390a Rz 12) - Kostenersatzpflicht des Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Anzumerken bleibt, dass die entgegen dem (seit der Einführung der Schadensqualifikation des § 302 Abs 2 zweiter Satz StGB durch BGBl I 2001/130) auch für Amtsmissbrauch geltenden Zusammenrechnungsgrundsatz nach § 29 StGB (13 Os 17/07k, ÖJZ-LS 2007/65, 704; 13 Os 149/07x) rechtlich verfehlte Annahme mehrerer Verbrechen des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB für eine amtswegige Maßnahme nach § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO keinen Anlass bietet. Die rechtsirrige Subsumtion hat nämlich den Angeklagten, der dies ungerügt ließ, über die unrichtige Lösung der Rechtsfrage hinaus nicht benachteiligt, weil zwar - dadurch ausgelöst - das Zusammentreffen „mehrerer Verbrechen" mit zwei Vergehen, nicht aber die Tatwiederholung als erschwerend gewertet wurde (US 31 f).

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