OGH 14Os149/19x

OGH14Os149/19x25.2.2020

Der Oberste Gerichtshof hat am 25. Februar 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz‑Hummel in Gegenwart der Schriftführerin Dr. Ondreasova in der Strafsache gegen Mohammad H***** wegen des Verbrechens der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1, Abs 3 Z 2, Abs 4 vierter Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 27. September 2019, GZ 64 Hv 103/19p‑43, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0140OS00149.19X.0225.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung der Staatsanwaltschaft werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Mohammad H***** je eines Verbrechens der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1, Abs 3 Z 2, Abs 4 vierter Fall StGB (A) und der absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 15, 87 Abs 1 StGB (B) schuldig erkannt.

Danach hat er in W*****

(A) von Frühjahr 2016 bis 15. Mai 2019, sohin eine längere Zeit hindurch, durch die Begehung vorsätzlicher mit Strafe bedrohter Handlungen gegen Leib und Leben oder gegen die Freiheit, nämlich der Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (I), der Nötigung nach § 105 Abs 1, § 15 StGB (II) und der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (III), gegen D***** P***** fortgesetzt Gewalt ausgeübt, wobei er durch die Tat eine umfassende Kontrolle deren Verhaltens herstellte, indem er sie sowie ihr Mobiltelefon regelmäßig kontrollierte und ihr soziale Kontakte außerhalb der Familie (gemeint:) verbot, und diese Gewalt länger als ein Jahr ausgeübt wurde, indem er die Genannte

I) anfangs alle zwei bis drei Tage und ab Februar 2019 täglich ohrfeigte, ihr mit der Faust ins Gesicht und gegen den Körper schlug, sie trat, würgte oder mit Gegenständen bewarf, wodurch sie zahlreiche Blutergüsse, Hautverletzungen und Kratzwunden, zumindest eine Rissquetschwunde am Hinterkopf, einen Bruch der Rippe rechtsseitig, einen Sprung im Nasenbein und weitere nicht mehr feststellbare Verletzungen erlitt,

II) durch die wiederholte Äußerung, er werde sie umbringen, wenn sie jemandem von den Übergriffen erzähle oder zur Polizei gehe, sohin durch gefährliche Drohungen, zur Abstandnahme von der Erstattung einer Anzeige nötigte und zu nötigen versuchte,

III) durch die wiederholte Äußerung, er werde sie zusammenschlagen, sie werde sterben oder im Krankenhaus liegen, gefährlich mit der Zufügung zumindest einer Verletzung am Körper bedrohte, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen;

(B) Anfang Mai 2019 D***** P***** eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) absichtlich zuzufügen versucht, indem er ein Messer mit einer Klingenlänge von rund 15 Zentimeter wuchtig und gezielt nach ihr warf, wobei es nur deswegen beim Versuch blieb, weil er ihren Oberschenkel knapp verfehlte.

Unmittelbar nach der Verkündung des Urteils in der Hauptverhandlung am 27. September 2019 meldete der durch einen Wahlverteidiger vertretene (vgl ON 23) Angeklagte dagegen „Berufung und Nichtigkeitsbeschwerde“ an (ON 42 S 43). Das Urteil und das Hauptverhandlungsprotokoll wurden dem Verteidiger am 5. November 2019 zugestellt (ON 1 S 25).

Am 13. November 2019 gab dieser die Auflösung des Vollmachtsverhältnisses bekannt (ON 48). Am 14. November 2019 wurde dem Angeklagten gemäß § 61 Abs 2 StPO ein Verfahrenshilfeverteidiger beigegeben (ON 1 S 28 f) und diesem wurden das Urteil und das Hauptverhandlungsprotokoll am 25. November 2019 neuerlich zugestellt (ON 49, ON 1 S 27), wobei die Vorsitzende des Schöffengerichts – wie schon anlässlich der Verteidigerbeigebung – auf die am 5. November 2019 erfolgte Zustellung des Urteils an den Wahlverteidiger hinwies.

Die Rechtsmittelausführung wurde am 17. Dezember 2019 im elektronischen Rechtsverkehr beim Erstgericht eingebracht (ON 51).

Rechtliche Beurteilung

Nach der Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde hat der Beschwerdeführer das Recht, binnen vier Wochen nach Zustellung einer Urteilsabschrift eine Ausführung seiner Beschwerdegründe bei Gericht zu überreichen (§ 285 Abs 1 StPO).

Diese vierwöchige Frist begann mit der Zustellung der Urteilsausfertigung an den Wahlverteidiger am 5. November 2019 und endete demzufolge (vgl § 84 Abs 1 StPO) mit Ablauf des 3. Dezember 2019. Durch die Auflösung des Vollmachtsverhältnisses zum Wahlverteidiger und neuerliche Urteilszustellung an den nachfolgend bestellten Verfahrenshilfeverteidiger wurde diese Frist nicht beeinflusst (§ 63 Abs 2 StPO; RIS‑Justiz RS0125686; RS0116182; Soyer/Schuhmann , WK‑StPO § 63 Rz 29 f; Murschetz , WK‑StPO § 84 Rz 4). Die erst am 17. Dezember 2019 eingebrachte Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde ist daher verspätet, sodass auf sie keine Rücksicht zu nehmen war.

Da bei deren Anmeldung keine Nichtigkeitsgründe deutlich und bestimmt bezeichnet wurden, war die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 Z 1 iVm § 285a Z 2 StPO).

Im Übrigen haften dem Urteil die in der verspätet ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerde geltend gemachten Nichtigkeitsgründe ebenso wenig an wie von Amts wegen wahrzunehmende.

Die gleichfalls

verspätet ausgeführte Berufung war ebenso zurückzuweisen, weil der Angeklagte bei deren Anmeldung (ON 42 S 43) nicht deutlich erklärte, ob sich diese gegen den Ausspruch über die Strafe oder gegen das Adhäsionserkenntnis (US 2) richtet (§ 296 Abs 2 iVm § 

294 Abs 4 StPO; RIS‑Justiz RS0100042, RS0100395; Ratz, WK‑StPO § 

294 Rz 10 und § 296 Rz 5).

Die Entscheidung über die Berufung der Staatsanwaltschaft kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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