OGH 14Os146/21h

OGH14Os146/21h18.1.2022

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. Jänner 2022 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Nordmeyer, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz‑Hummel LL.M. sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart der Schriftührerin Mag. Frank im Verfahren zur Unterbringung des * R* in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 19. August 2021, GZ 49 Hv 11/21v‑30, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0140OS00146.21H.0118.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde die Unterbringung des * R* in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB angeordnet, weil er in W* unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht, nämlich einer (gegenwärtig manischen) schizoaffektiven Störung, einer psychischen Störung sowie Verhaltensstörung durch multiplen Substanzgebrauch (Abhängigkeitssyndrom),

I./ die Justizwachebeamtin * W* mit dem Tod gefährlich bedroht hat, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, und zwar

1./ am 31. Jänner (richtig: [US 3 f]) 2021, indem er zu ihr sagte „di stich i a no o, du scheiß Hur“;

2./ am 27. Jänner 2021, indem er ihr ankündigte, dass „man eventuell plötzlich ein Messer stecken haben könnte“ und sie gut aufpassen solle;

3./ am 20. Februar 2021, indem er ihr zuschrie „du verschissene Scheißhur, loss mi sofort auße, i stich di o, mach die scheiß Tür sofort auf!“ und dabei wütend mit einem Metallgegenstand gegen die Haftraumtür schlug;

II./ Beamte mit Gewalt und durch gefährliche Drohung an einer Amtshandlung zu hindern versucht hat, und zwar

1./ am 31. Jänner (richtig: [US 3]) 2021 an seiner Verbringung von einem Haftraum in den Hof, indem er dem Justizwachebeamten * N* ankündigte, eine Waffe, „nämlich eine MP“, zu holen, um ihn zu erschießen, und sich durch Wegreißen seines Oberarms aus dem Griff des Beamten löste (US 3 f);

2./ am 16. Februar 2021 an der Durchsetzung des Rauchverbots, indem er die Justizwachebeamtin * E* sinngemäß mit den Worten „deppates Weib, du brauchst mir gar nichts sagen“ anschrie und ihr einen Schlag gegen den Kopf zu versetzen versuchte (US 4);

3./ am 20. Februar 2021 im Anschluss an die zu I./3./ beschriebene Tat an seiner Verbringung in einen besonders gesicherten Haftraum und der Abnahme eines gefährlichen Gegenstands, nämlich eines Messers mit abgebrochener Spitze, indem er der Justizwachebeamtin W* mit im Rücken verborgenem Arm ankündigte: „komm nur, i wort scho“, und sich danach aus dem Festhaltegriff der Justizwachebeamten * Ro* sowie * S* loszureißen versuchte und gegen diese trat (US 5),

sohin Taten begangen hat, die als Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB (I./) und des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 StGB (II./) jeweils mit ein Jahr übersteigender Freiheitsstrafe bedroht sind.

Rechtliche Beurteilung

[2] Der auf § 281 Abs 1 Z 5 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen kommt keine Berechtigung zu.

[3] Indem die Mängelrüge die Feststellungen zur subjektiven Tatseite in Betreff sämtlicher Urteilsfakten als „unvollständig bzw. unzureichend begründet respektive aktenwidrig“ erachtet, weil dem psychiatrischen Gutachten zu entnehmen sei, dass der Betroffene „die Plausibilität von Handlungen überhaupt nicht kontrollieren“ könne, in zornmanischen Phasen gar nichts wisse und außerstande sei, Fehler zu erkennen und hieraus zu lernen, das Schöffengericht aber diese Umstände „nicht ausreichend berücksichtigt habe“, wird ein Begründungsmangel im Sinn des zweiten (RIS‑Justiz RS0118316), vierten (RIS-Justiz RS0116732) oder fünften (RIS‑Justiz RS0099547) Falls des § 281 Abs 1 Z 5 StPO nicht aufgezeigt.

[4] Im Übrigen haben die Tatrichter die genannten Passagen des Gutachtens zum Krankheitsbild des Betroffenen erörtert (US 7), daraus aber nicht die in der Beschwerde angestrebte Annahme abgeleitet, der Betroffene sei außerstande, den nach den Tatbeständen jeweils erforderlichen Vorsatz zu bilden (vgl zur Unterscheidung zwischen der Bildung eines Vorsatzes durch einen Betroffenen und dem [die Schuldfähigkeit betreffenden] krankheitsbedingten Fehlen der Diskretions- und Dispositionsfähigkeit zur Tatzeit RIS‑Justiz RS0090295; Reindl‑Krauskopf in WK2 StGB § 5 Rz 4 und Ratz in WK2 StGB § 21 Rz 14 ff).

[5] Die Ableitung der Feststellungen zur subjektiven Tatseite aus dem äußeren Tatgeschehen (US 7) ist – der Beschwerde (Z 5 vierter Fall) zuwider – unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden und bei – wie hier – nicht geständigen Betroffenen methodisch meist auch gar nicht zu ersetzen (RIS‑Justiz RS0116882).

[6] Mit der Forderung, das Erstgericht hätte sich näher mit den Hintergründen der gegenständlichen Handlungen beschäftigen müssen, sowie den Hinweisen auf das psychiatrische Gutachten und auf die bereits durch ein anderes Urteil erfolgte Anordnung der Unterbringung des Betroffenen nach § 21 Abs 1 StGB wird die Beweiswürdigung nach Art einer – im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen – Schuldberufung bekämpft.

[7] Indem die Beschwerde es für „wenig nachvollziehbar“ hält, dass Justizwachebeamte von einer psychisch kranken, medizinisch schlecht behandelten Person in Furcht und Unruhe versetzt werden können, wird ein Nichtigkeitsgrund nicht deutlich und bestimmt angesprochen (vgl im Übrigen zur Rechtsfrage der Eignung einer Äußerung, den Bedrohten in Furcht und Unruhe zu versetzen RIS‑Justiz RS0092160 [T1], RS0092102 [T2]).

[8] Gleiches gilt für die Behauptungen, dass die Justizwachebeamten im Wissen um den Zustand des Betroffenen agieren sowie deeskalierend handeln hätten können, aufgrund unzureichender Behandlung und Betreuung des Betroffenen Organisationsversagen vorliege und diese Umstände dem Betroffenen nicht strafrechtlich vorgeworfen werden dürften.

[9] Bei – gebotener – Gesamtschau der Verantwortung des Betroffenen, der sowohl im Ermittlungsverfahren als auch in der Hauptverhandlung angegeben hatte, sich an die verfahrensgegenständlichen Vorfälle nicht erinnern zu können (ON 14 S 2 [= ON 15 S 84], ON 29 S 4, vgl auch S 17 und 18), bestand für die Tatrichter unter dem Aspekt von – der Sache nach geltend gemachter – Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) keine Verpflichtung, sich mit seiner im Anschluss – auf konkreten Vorhalt der zu I/1 und I/3 gegen ihn erhobenen Vorwürfe – getätigten Aussage, „das nicht gesagt“ zu haben (ON 29 S 5), explizit auseinanderzusetzen (RIS‑Justiz RS0106642 [T1, T2, T5]).

[10] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

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