OGH 14Os142/13h

OGH14Os142/13h1.10.2013

Der Oberste Gerichtshof hat am 1. Oktober 2013 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Marek, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Fürnkranz in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Bandarra als Schriftführer in der Strafsache gegen Peter P***** wegen des Verbrechens des durch Einbruch begangenen und räuberischen gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 129 Z 2, 130 erster Fall, 131 erster Fall, 15 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung, AZ 112 Hv 15/13s des Landesgerichts für Strafsachen Wien, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil dieses Gerichts als Schöffengericht vom 30. April 2013, GZ 112 Hv 15/13s-22, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Leitner, und der Verteidigerin des Verurteilten Dr. Zeh-Gindl zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 30. April 2013, GZ 112 Hv 15/13s-22, verletzt im Schuldspruch II/1 §§ 146, 148 erster Fall StGB.

Dieses Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, wird im Schuldspruch II/1, in der rechtlichen Unterstellung der dem Schuldspruch II/2 zugrunde liegenden Tat unter § 148 erster Fall StGB, in den zu den Schuldsprüchen I und II gebildeten Subsumtionseinheiten und demzufolge auch im Strafausspruch ebenso wie der gemeinsam mit dem Urteil gefasste Beschluss auf Widerruf einer bedingten Strafnachsicht aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.

Text

Gründe:

Mit ‑ nach Rückziehung der gegen den Ausspruch über die Strafe erhobenen Berufung der Staatsanwaltschaft (ON 30) seit dem 9. Juli 2013 rechtskräftigem ‑ Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 30. April 2013, GZ 112 Hv 15/13s-22, wurde Peter P***** der Verbrechen des durch Einbruch begangenen und räuberischen gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 129 Z 2, 130 erster Fall, 131 erster Fall, 15 StGB (I) und des gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146, 148 erster Fall und 15 StGB (II) schuldig erkannt.

Danach hat er ‑ soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde relevant ‑

(II) in Wien mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz nachstehende Personen durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen verleitet (1/a und 2) und zu verleiten versucht (1/b), durch die die von ihnen vertretenen Unternehmen am Vermögen geschädigt wurden oder werden sollten, und zwar

1) am 24. und 27. August 2011 (a) sowie am 12. September 2011 (b) „Verfügungsberechtigte der M***** AG durch die Vorgabe, durch die erfolgte Rückgabe von Pfandflaschenleergut zur Refundierung des Flascheneinsatzes berechtigt zu sein, obwohl er lediglich leere Getränkekisten, die er erst im Geschäft an sich nahm, in den Leergutautomaten stellte, zur Herausgabe von Bargeld“, in Höhe von jeweils sechs Euro und

2) am 5. Juni 2011 Verfügungsberechtigte einer Pizzeria durch die Vorgabe, ein zahlungsfähiger und zahlungswilliger Kunde zu sein, zur Ausfolgung einer Packung Zigaretten, zweier Erfrischungsgetränke und einer Pizza im Wert von insgesamt 22,55 Euro.

Nach den insoweit wesentlichen Urteilsannahmen hat der Angeklagte zu den zu II/1 genannten Tatzeitpunkten in einer Filiale des geschädigten Unternehmens jeweils zwei leere Getränkekisten, die er nicht selbst mitgebracht hatte, an sich genommen, diese in den Leergutautomaten gestellt und sich jeweils einen Leergutbon über sechs Euro ausgedruckt, welchen er in allen drei Fällen anschließend an der Kassa vorzeigte, um sich dort das Kistenpfand auszahlen zu lassen, was in zwei Fällen gelang, am 12. September 2011 aber am Einschreiten eines Kaufhausdetektivs scheiterte. Dabei hielt er es jeweils ernstlich für möglich und fand sich damit ab, Angestellte der M***** AG über seine Berechtigung zur Refundierung des Kistenpfands zu täuschen und handelte mit auf unrechtmäßige Bereicherung und Schädigung gerichtetem Vorsatz. Es kam ihm zudem bei allen dem Schuldspruch II zugrunde liegenden Taten darauf an, sich durch die wiederkehrende Begehung von Betrügereien für zumindest einige Wochen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (US 6).

Rechtliche Beurteilung

Wie die Generalprokuratur in ihrer gemäß § 23 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend aufzeigt, steht dieses Urteil im Schuldspruch II/1 mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Betrug kommt bei der hier vorliegenden Fallkonstellation einer widerrechtlichen Entnahme von einem Automaten hergestellter Leergutbons mit Hilfe einer lediglich fingierten Rückgabe von Leergut nur dann in Frage, wenn die solcherart erlangten Leergutbons bloß als verkürzte Urkunden mit Beweiswertfunktion (nämlich als Bestätigung, dass im Rückgabeautomaten Gebinde samt ausgewiesener Anzahl von Pfandflaschen in einem zugleich festgehaltenen Wert eingestellt wurden) anzusehen sind, demnach also ‑ anders als etwa von Parkscheinautomaten ‑ kein selbständiger Wertträger produziert wird (RIS-Justiz RS0117196).

Entsprechende Feststellungen, insbesonders dass die Vorweisung der Bons an der Kassa im normalen Geschäftsbetrieb erst nach näherer Prüfung einer Berechtigung zur Geltendmachung des ausgewiesenen Pfandrückforderungswerts, einen Anspruch auf eine geldwerte Leistung (entweder auf Verrechnung mit einem Warenwert oder auf Auszahlung von Geld) vermittelt, wurden im Urteil nicht getroffen, womit die Urteilsannahmen die Subsumtion unter §§ 146, 148 erster Fall StGB nicht zu tragen vermögen (15 Os 139/02, 140/02).

Wäre im hier vorliegenden Fall eine solche Prüfung der (schon sprachlich als Wertträger deklarierten) Leergutbons nicht vorgesehen, sondern deren Inhaber ohne weiteres zur jederzeitigen Realisierung des in ihnen verkörperten Wertes berechtigt, in welchem Falle sie als Wertträger zu qualifizieren sind, wird durch die (durch Einstellung zu Unrecht an sich genommenen Leerguts unberechtigte) Entgegennahme der Leergutbons aus einem Leergutautomaten ‑ bei Bejahung der (im vorliegenden Fall zwar indizierten, jedoch in Betreff eines auf die Wegnahme einer fremden Sache gerichteten Vorsatzes nicht konstatierten) subjektiven Tatseite ‑ hinwieder das Vergehen des Diebstahls nach § 127 StGB begründet.

Die nachfolgende Verwertung der solcherart durch Diebstahl erlangten Wertträger an den Kassen eines geschädigten Einkaufsmarkts unter Fingierung einer (tatsächlich nicht bestehenden) Pfandrückforderung würde in diesem Fall infolge Identität der beeinträchtigten Rechtsgüter und mangels eines über die Diebstähle hinausreichenden Schadens eine straflose (Betrugs-)Nachtat darstellen (vgl zum Ganzen erneut RIS-Justiz RS0117196; Ratz in WK² StGB § 28 Rz 66).

Da eine nachteilige Wirkung der aufgezeigten Gesetzesverletzung nicht auszuschließen ist, sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, deren Feststellung konkrete Wirkung zuzuerkennen (§ 292 letzter Satz StPO) und das Urteil im Schuldspruch II/1, weiters ‑ weil zur Begründung der Urteilsannahmen zur Gewerbsmäßigkeit (unter anderem) das Vorliegen mehrfacher betrügerischer Angriffe herangezogen wurde (US 7) ‑ in der rechtlichen Unterstellung der dem Schuldspruch II/2 zugrunde liegenden Tat unter § 148 erster Fall StGB, in den zu den Schuldsprüchen I und II gebildeten Subsumtionseinheiten und demzufolge auch im Strafausspruch sowie den von dessen Bestand abhängigen (RIS-Justiz RS0101886) Beschluss auf Widerruf einer bedingten Strafnachsicht aufzuheben. Die über § 29 StGB zu bildenden Subsumtionseinheiten werden ‑ gegebenenfalls nach entsprechenden Konstatierungen zu einem Diebstahl der inkriminierten Leergutbons oder zu einem durch deren Vorweisung begangenen Betrug im oben aufgezeigten Sinn ‑ unter oder ohne Einbeziehung der bisher vom Schuldspruch II/1 umfassten Taten wiederherzustellen sein.

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