Spruch:
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Text
Gründe:
Mit Urteil der Einzelrichterin des Landesgerichts Eisenstadt vom 22. Juni 2004, GZ 12 Hv 194/03g-31, das auch Erkenntnisse gemäß §§ 6 Abs 1, 34 Abs 1 MedienG enthält, wurde Dr. Marijan B***** des Vergehens der üblen Nachrede nach § 111 Abs 1 und Abs 2 StGB schuldig erkannt und nach § 111 Abs 2 StGB zu einer Geldstrafe verurteilt. In der Privatanklage (ON 2) wurde ihm angelastet, durch die Verfassung des Artikels „Udba - Jugoslawiens Wächter" auf Seite 14 der periodischen Druckschrift „„H*****"" den Privatankläger Pero K***** dadurch einer verächtlichen Eigenschaft oder Gesinnung geziehen und/oder eines unehrenhaften Verhaltens oder eines gegen die guten Sitten verstoßenden Verhaltens beschuldigt zu haben, das geeignet ist, ihn in der öffentlichen Meinung verächtlich zu machen, dass er diesen Artikel mit den Textstellen
- „auf diese Weise operierten die Mitarbeiter der Udba mit schwer anklagenden und vernichtenden Informationen, wofür unschuldige Menschen bis zu zehn Jahre Haft erhielten oder wegen falscher Informationen einfach liquidiert wurden,
- die Berichte von 'Toni', den Wiener Kroaten als P.K. bekannt, haben gewiss zum Tod von Djuro H***** geführt, welcher erschossen wurde und
- die Zahl jener Misshandelten und bis zum Tode Gequälten sowie jener, welchen Exekution durch Udba in Österreich, Kroatien und Bosnien angedroht wurde, ist aufgrund der Menge an falschen Berichten groß",
verfasste und zur Drucklegung befördert hat.
Das Erstgericht beurteilte die zweitangeführte Textstelle als tatbestandsmäßig, verneinte dies jedoch hinsichtlich der beiden anderen (als Teil einer Gesamtmenge der durch eine tatbestandliche Handlungseinheit erfassten) Textstellen.
Gegen dieses Urteil wandten sich die Berufungen (jeweils) wegen Nichtigkeit, Schuld und des Ausspruchs über die Strafe des Angeklagten (ON 43) und des Privatanklägers (ON 44). Das Oberlandesgericht Wien gab nach öffentlicher mündlicher Verhandlung mit Urteil vom 9. März 2005, AZ 17 Bs 291/04 (ON 49), der Berufung des Privatangeklagten nicht Folge, jener des Privatanklägers hingegen dahin Folge, „dass das erstinstanzliche Urteil, das hinsichtlich des erfolgten Schuldspruchs nach § 111 Abs 1 und Abs 2 StGB sowie im Zuspruch einer Entschädigung nach § 6 MedienG unberührt bleibt, im Strafausspruch sowie im bezüglichen Kostenausspruch aufgehoben und zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückgewiesen wird".
Mit Erkenntnis vom 19. Jänner 2006, GZ 15 Os 129/07t-7 (ON 58), stellte der Oberste Gerichtshof fest, dass dieses Urteil des Oberlandesgerichts des Gesetz in § 474 StPO iVm § 489 Abs 1 StPO verletzt, hob dieses Urteil gemäß § 292 letzter Satz StPO insoweit auf, als es über die Berufungen des Privatanklägers und des Angeklagten wegen des Ausspruchs über die Strafe und den Kostenausspruch erkannte und verwies die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht.
Unter anderem führte der Oberste Gerichtshof aus, dass die Grundsätze der tatbestandlichen Handlungseinheit auch bei Ehrenbeleidigungs- und Medienstrafsachen Geltung haben (Ratz in WK² Vor §§ 28-31 Rz 23 und 104; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 521; siehe dazu auch Jescheck/Weigend AT5
712) und Teilaspekte einer solchen Handlungseinheit als Strafzumessungsgesichtspunkte (Strafbemessungstatsachen) - ohne Einschränkung durch das für Nichtigkeitsgründe geltende Neuerungsverbot - mit Berufung releviert werden können. Das Oberlandesgericht Wien entschied daraufhin mit Urteil vom 12. März 2007, AZ 18 Bs 47/06b (ON 61), erneut über die gegen den Strafausspruch gerichteten Berufungen und verhängte über Dr. Marijan B***** für die bereits rechtskräftig festgestellte Tatbegehung des Vergehens der üblen Nachrede nach § 111 Abs 1 und Abs 2 StGB nach § 111 Abs 2 StGB eine unter Setzung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehene Geldstrafe. Eine eigenständige ehrenstrafrechtliche Bedeutung der beiden vom Schuldspruch nicht umfassten, eingangs angeführten Textpassagen verneinte es (US 7). Unter Bezugnahme auf eine Vielzahl von Urteilen der Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), beginnend mit dem Erkenntnis vom 26. November 1991 Observer ua/Vereinigtes Königsreich, ÖJZ 1992/16 (MRK), mit welchen der Gerichtshof eine Verletzung des Art 10 MRK durch die zugrunde liegenden Verurteilungen (die in keinem Zusammenhang mit der gegenständlichen Sache stehen) feststellte, beantragt der Verurteilte Dr. Marijan B***** mit dem Vorbringen, es handele sich bei dem inkriminierten Beitrag um die Rezension von im Handel frei erhältlichen Büchern, weshalb lediglich „fremde Äußerungen" wiedergegeben würden, nun die Erneuerung des Strafverfahrens gemäß § 363a StPO; indes ohne Erfolg.
Rechtliche Beurteilung
Wie der Oberste Gerichtshof in seiner zu AZ 13 Os 135/06m (= EvBl 2007/154, 832) ergangenen Leitentscheidung (nachfolgend AZ 11 Os 132/06f = EvBl 2008/8, 32) dargelegt hat, gelten die gegenüber dem EGMR normierten Zulässigkeitsvoraussetzungen der Art 34 und 35 Abs 1 und Abs 2 MRK sinngemäß auch für Anträge auf Erneuerung des Strafverfahrens nach § 363a StPO (vgl auch Art 35 Abs 4 erster Satz MRK).
Ein Zulässigkeitskriterium für die Befassung des EGMR durch Erhebung einer Individualbeschwerde ist das Einhalten einer sechsmonatigen Frist nach der endgültigen innerstaatlichen Entscheidung (Art 35 Abs 1 MRK). Als solche kommt eine Entscheidung in Betracht, die letztinstanzlich infolge eines effektiven Rechtsmittels und in Bezug auf den Beschwerdegegenstand ergangen ist (Grabenwarter, Europäische Menschrechtskonvention³ § 13 Rz 35).
Vorliegend zieht der Antrag auf Erneuerung des Strafverfahrens die gesetzliche Beschränkung des Ausschlussgrundes des guten Glaubens bei Anwendung journalistischer Sorgfalt (§ 29 Abs 1 MedienG) auf Medienmitarbeiter (§ 1 Abs 1 Z 11 MedienG) als mit Art 10 MRK unvereinbar in Beschwerde.
Die Medienmitarbeitereigenschaft des Dr. Marijan B***** wurde letztinstanzlich mit dem - dem Vertreter des Verurteilten am 22. März 2005 zugestellten - Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom 9. März 2005, AZ 17 Bs 291/04 (ON 49), verneint, indem sein darauf gerichtetes effektives Rechtsmittel (die Berufung wegen Schuld) verworfen wurde, sodass der am 31. August 2007 zur Post gegebene (beim Obersten Gerichtshof am 3. September 2007 eingelangte) Antrag nach § 363a StPO in Betreff dieser Entscheidung das Erfordernis rechtzeitiger Geltendmachung nicht erfüllt.
Der weiteren Behauptung einer Verletzung des Art 6 Abs 1 MRK zufolge unangemessen langer Dauer des Strafverfahrens ist zu erwidern, dass das Oberlandesgericht Wien einem diesbezüglichen Einwand des Dr. Marijan B***** folgend den besonderen Milderungsgrund des § 34 Abs 2 StGB in der die Straffrage abschließend klärenden Entscheidung vom 12. März 2007, AZ 18 Bs 47/06b (ON 61), ausdrücklich veranschlagt hat (BS 8; vgl Reindl, WK-StPO § 363a Rz 11) und es der Antragsteller unterlassen hat, deutlich und bestimmt vorzubringen, weshalb er dessen ungeachtet zum Zeitpunkt der Antragstellung nach § 363a StPO (noch) Opfer einer entsprechenden Grundrechtsverletzung gewesen sei (Art 34 MRK; Grabenwarter, aaO Rz 13, 15).
Der Antrag auf Erneuerung des Strafverfahrens war demnach in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur bereits bei der nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen (§ 363b Abs 2 Z 3 StPO).
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