OGH 14Os134/21v

OGH14Os134/21v16.12.2021

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. Dezember 2021 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Nordmeyer, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz-Hummel LL.M. sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Schaffhauser in der Strafsache gegen * N* und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 1 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten N* und * T* gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 17. September 2021, GZ 65 Hv 61/21x‑223, sowie über die Beschwerden dieser beiden Angeklagten gegen zugleich gefasste Beschlüsse auf Widerruf einer bedingten Strafnachsicht und einer bedingten Entlassung in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0140OS00134.21V.1216.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerden werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Den Angeklagten N* und T* fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurden – soweit hier von Bedeutung – * N* und * T* jeweils eines Verbrechens des Suchtgifthandels und der Vorbereitung von Suchtgifthandel, und zwar Ersterer nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 1 SMG (I/A/1) und nach § 28 Abs 1 erster und zweiter Fall, Abs 3 SMG (I/B/1), Letzterer nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 2 und Abs 3 zweiter Fall SMG, § 15 StGB (I/A/3) sowie nach § 28 Abs 1 erster und zweiter Fall, Abs 3 und 4 dritter Fall SMG (I/B/3) schuldig erkannt.

[2] Danach haben in W*

I/ als Mitglieder einer kriminellen Vereinigung vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge

A/ anderen überlassen oder (zu I/A/3/a/ii) zu überlassen versucht, und zwar

1/ N*, wobei er mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien schon einmal wegen einer Straftat nach § 28a Abs 1 SMG verurteilt worden war, von Mitte Jänner bis zum 9. März 2021 acht (im angefochtenen Urteil namentlich genannten) Abnehmern insgesamt 235,2 Gramm Heroin (Reinsubstanz unter anderem 19,29 Gramm Heroin) und 17 Gramm Kokain (Reinsubstanz 3,84 Gramm Cocain);

3/ T*, wobei er selbst an Suchtmittel gewöhnt war und die Straftaten vorwiegend deshalb beging, um sich für seinen persönlichen Gebrauch Suchtmittel oder Mittel zu deren Erwerb zu verschaffen, von Februar bis zum 13. April 2021 einem Mitangeklagten und weiteren nicht ausgeforschten Abnehmern insgesamt 120 Gramm Heroin (Reinsubstanz unter anderem 10,47 Gramm Heroin);

B/ mit dem Vorsatz, dass es in Verkehr gesetzt werde, erworben und besessen, und zwar

1/ N* bis zum 9. März 2021, nämlich 193 Gramm Heroin (Reinsubstanz unter anderem 16,5 Gramm Heroin) und 26,9 Gramm Kokain (Reinsubstanz 6,07 Gramm Cocain);

3/ T* am 13. April 2021, nämlich 104,3 Gramm Heroin (Reinsubstanz unter anderem 8,55 Gramm Heroin), wobei er selbst an Suchtmittel gewöhnt war und die Straftat vorwiegend deshalb beging, um sich für seinen persönlichen Gebrauch Suchtmittel oder Mittel zu deren Erwerb zu verschaffen.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richten sich Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten N* und T*, wobei Ersterer den Strafausspruch aus Z 11, Letzterer den Schuldspruch aus Z 10, jeweils des § 281 Abs 1 StPO, bekämpft. Keine der Nichtigkeitsbeschwerden ist im Recht.

 

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten N*:

[4] Dem Beschwerdevorbringen zuwider resultiert aus einer erschwerenden Wertung von auch die Voraussetzungen einer Strafschärfung nach § 39 Abs 1 StGB begründenden Vorstrafen im Rahmen der Strafbemessung keine Verletzung des Doppelverwertungsverbots (§ 32 Abs 2 erster Satz StGB), weil sich dieses nach gefestigter jüngerer Rechtsprechung nur auf subsumtionsrelevante Umstände bezieht (RIS-Justiz RS0130193), während § 39 StGB eine reine – den Strafsatz nicht bestimmende – Strafrahmenvorschrift darstellt (RIS-Justiz RS0091527; jüngst 14 Os 82/21x; eingehend Ratz, WK-StPO § 281 Rz 668/4; kritisch Ebner in WK2 StGB § 32 Rz 59 ff; vgl auch RIS‑Justiz RS0133690 [zur Rechtsnatur des § 39 StGB als Strafrahmenvorschrift]).

[5] Im Übrigen kritisiert die Rüge – auch mit dem Vorbringen zur die Qualifikation nach § 28a Abs 4 Z 1 SMG (mit‑)begründenden Vorverurteilung – nur die Anzahl der als erschwerend gewerteten Vorstrafen und bezieht sich damit auf das Gewicht des – selbst nach dem Beschwerdestandpunkt zu Recht angenommenen – Erschwerungsgrundes nach § 33 Abs 1 Z 2 StGB, womit sie bloß ein Berufungsvorbringen zur Darstellung bringt (RIS‑Justiz RS0116878).

 

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten T*:

[6] Die Subsumtionsrüge (Z 10) verfehlt mit ihrer Kritik, dem Urteil mangle es an Feststellungen zu einem auf das Überlassen einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Suchtgiftmenge bezogenen Vorsatz des Beschwerdeführers, die gebotene Bezugnahme auf die Gesamtheit des Urteilssachverhalts (RIS-Justiz RS0099810). Hinsichtlich des Bezugspunktes des Vorsatzes verweist das Erstgericht nämlich zulässig (US 14; vgl RIS-Justiz RS0119090 [T4]) auf das Referat der entscheidenden Tatsachen im Urteilstenor (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO), in welchem die für die bekämpfte Subsumtion erforderlichen Reinsubstanzmengen angeführt sind (US 4 iVm US 3).

[7] Die gegen die Subsumtionen nach § 28a Abs 2 Z 2 und § 28 Abs 3 SMG gerichtete Rüge legt nicht dar, weshalb die Feststellungen die Annahme eines tatbildlichen Zusammenschlusses von mindestens drei Personen nicht tragen sollten. Nach dem Urteilssachverhalt schlossen sich die (hier) vier Angeklagten nämlich einer serbischen Tätergruppe aus „zahlreichen Mitgliedern“ zwecks „Beteiligung am Handel mit Kokain bzw. Heroin“ an, wobei die Gruppierung professionell agiert und hierarchisch gegliedert ist. Diese besteht aus Personen, die das Suchtgift in „Bunkerwohnungen“ aufbewahren, solchen, die das Suchtgift an „Läufer“ weiter verteilen und solchen, die das Suchtgift an die Abnehmer verkaufen (US 11).

[8] Das weitere Vorbringen leitet nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab (RIS‑Justiz RS0116565), weshalb dessen Wortlaut zuwider angesichts der konstatierten (vorsätzlichen) Beteiligung des Beschwerdeführers („als Mitglied“) an der kriminellen Vereinigung (deren Zweckausrichtung entsprechend [vgl US 11]) durch Begehung von Verbrechen nach dem SMG (§ 278 Abs 3 erster Fall StGB) weitere Feststellungen zu einer wissentlichen Förderung dieser Vereinigung durch seine Aktivitäten (im Sinn des § 278 Abs 3 zweiter oder dritter Fall StGB) zur rechtsrichtigen Subsumtion nach § 28a Abs 2 Z 2 oder § 28 Abs 3 SMG erforderlich seien (vgl 14 Os 156/10p; [zu § 130 Abs 1 zweiter Fall StGB] 15 Os 34/21w; vgl auch 14 Os 83/14h). Warum (von der gemeinsamen Zielsetzung abweichende) Eigeninteressen des Beschwerdeführers (sich durch die inkriminierten Handlungen Suchtmittel für den Eigenkonsum verschaffen zu können [vgl US 11]) Einfluss auf die Annahme der Begehung von Straftaten als Mitglied der kriminellen Vereinigung hätten, wird nicht erklärt (zum Ganzen Plöchl in WK2 StGB § 278 Rz 33 ff [insbesondere Rz 35]).

[9] Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

[10] Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerden (§§ 285i, 498 Abs 3 letzter Satz StPO).

[11] Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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