European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0140OS00013.20Y.0319.000
Spruch:
In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen zu A/1/b und A/2, demgemäß auch im Strafausspruch, sowie der Beschluss auf Absehen vom Widerruf einer bedingten Strafnachsicht und Verlängerung der Probezeit aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Linz verwiesen.
Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.
Mit seiner Berufung und seiner Beschwerde wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Ihm fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde ***** K***** (verfehlt [RIS‑Justiz RS0121981]) mehrerer Verbrechen des Missbrauchs der Amtsgewalt nach §§ 15, 12 zweiter Fall, 302 Abs 1 StGB (A/1) und mehrerer Vergehen der Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB (A/2) schuldig erkannt.
Danach hat er in L*****
A/1/ Beamte wissentlich zu bestimmen versucht, ihre Befugnis, „im Namen des Bundes bzw. des Landes Oberösterreich“ als deren Organe in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, zu missbrauchen, indem er
a/ am 5. Oktober 2018 Dr. ***** G***** in dessen Funktion als Bezirkshauptmann zur „Unterlassung weiterführender Verfahrenshandlungen“ in einem im Urteil näher bezeichneten Verwaltungsstrafverfahren und zu dessen Einstellung aufforderte und ankündigte, im Fall „der gesetzmäßigen Amtshandlungen eine Forderung von EUR 100.000,-- aufgrund 'Allgemeiner Handelsbedingungen und Gebührenordnung' geltend zu machen“;
b/ am 12. Dezember 2018 Mag. ***** S***** und Mag. ***** E***** in deren Funktion als Richter des B***** „zur Unterlassung weiterführender Amtshandlungen“ in einem im angefochtenen Urteil näher bezeichneten Verfahren dadurch aufforderte, dass er „deren Anliegen für ungültig erklärte und deren persönlicher Haftung unterstellte sowie ankündigte, für den Fall“ seiner Verfolgung „seien sie nicht hoch genug versichert und die I.R.S. werde sie über ihren Vermögensschaden informieren“;
A/2/ durch die zu 1/a und b beschriebenen Tathandlungen die dort genannten Personen jeweils durch gefährliche Drohung mit einer Verletzung am Vermögen zu den dort angeführten Handlungen oder Unterlassungen zu nötigen versucht.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen aus den Gründen der Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist teilweise im Recht.
Im Ergebnis zutreffend macht der Beschwerdeführer im Rahmen der Rechtsrüge (Z 9 lit a) geltend, dass das angefochtene Urteil zu A/2 keine ausreichenden Feststellungen zum Tatbestandselement der gefährlichen Drohung enthalte. Zum Bedeutungsinhalt ist den Entscheidungsgründen bloß zu entnehmen, die Opfer seien „mit hohen vermögensrechtlichen Forderungen“ des Beschwerdeführers konfrontiert gewesen (US 7), nämlich Dr. G***** „in Höhe von EUR 100.000,--“ (US 4), Mag. S***** und Mag. E***** „in unbekannter Höhe“ bei diesen auch verbunden mit einer Eintragung „im amerikanischen Schuldenregister 'UCC'“ (US 5). Solcherart bleibt die Urteilsannahme einer Drohung mit einer Verletzung am Vermögen (US 4 und 6) ohne ausreichenden Sachverhaltsbezug (RIS‑Justiz RS0119090).
Zwar ist der Vermögensbegriff unter dem Aspekt gefährlicher Drohung weit auszulegen. Auch die Drohung mit Strafanzeige oder Klage kann (als eine solche mit Verletzung am Vermögen) tatbildlich sein, wenn damit beim Opfer der Eindruck erweckt wird, (Verfahrens‑)Kosten für die Abwehr ungerechtfertigter Ansprüche aufbringen zu müssen (RIS‑Justiz RS0131845; Schwaighofer in WK 2 StGB § 105 Rz 60; Kienapfel/Schroll BT I 4 § 105 Rz 39). Die bloße Ankündigung der Geltendmachung einer (offenbar unberechtigten) Forderung samt Eintragung in ein amerikanisches Schuldenregister, ohne dieses oder die Folgen einer solchen Eintragung (den Opfern gegenüber) näher darzustellen, bietet jedoch bei Anlegung des gebotenen objektiv-individuellen Maßstabs (RIS‑Justiz RS0092753) keine ausreichende Sachverhaltsgrundlage für die (rechtliche) Annahme der Eignung der inkriminierten Schreiben, eine solche Befürchtung (mit derartigen Abwehrkosten konfrontiert zu sein) oder gar die Besorgnis, die geforderten Summen tatsächlich zahlen zu müssen, zu wecken (17 Os 25/17f).
Weiters kritisiert der Beschwerdeführer im Ergebnis zu Recht, die Entscheidungsgründe ließen zu A/1/b nicht mit Bestimmtheit erkennen, zur Unterlassung welcher Verfahrenshandlungen er mit den inkriminierten Schreiben habe bestimmen wollen (vgl RIS‑Justiz RS0089717). Mit der ausschließlichen Verwendung des Begriffs „weiterführende Amtshandlungen“ (US 4 und 7), wird keine ausreichende Grundlage für die (rechtliche) Beurteilung geschaffen, ob die angesprochenen Beamten zur Vornahme weiterer (gegebenenfalls welcher) Verfahrenshandlungen verpflichtet waren und ob deren Unterlassung einen Befugnisfehlgebrauch begründet hätte. Dies fällt hier umso mehr ins Gewicht, als die konkrete Verfahrenssituation, in welcher sich der Beschwerdeführer befand, im Urteil nicht beschrieben wird und dem Akt zu entnehmen ist, dass die Adressaten des Schreibens im Tatzeitpunkt bereits über seine Beschwerde (rechtskräftig) entschieden und ein von ihm danach eingebrachtes Schreiben dem ***** vorgelegt hatten (ON 2 S 1 f).
Die aufgezeigten Rechtsfehler (Z 9 lit a, teils [im Zusammenhang mit A/1/a] Z 10) erfordern – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – die Aufhebung der betroffenen Schuldsprüche, demgemäß auch des Strafausspruchs sowie des Beschlusses auf Absehen vom Widerruf einer bedingten Strafnachsicht und Verlängerung der Probezeit, samt Verfahrenserneuerung bei der nichtöffentlichen Beratung (§ 285e StPO).
Mit seiner Berufung und seiner Beschwerde (§ 498 Abs 3 dritter Satz StPO) war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.
Im Fall eines neuerlichen Schuldspruchs wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt wird zu A/1 eine Subsumtionseinheit zu bilden sein.
Die zum Schuldspruch A/1/a ausgeführte Nichtigkeitsbeschwerde ist jedoch nicht im Recht:
Mit dem Einwand, die Sachverhaltsfeststellungen ließen sich „aus den Beweisergebnissen des Verfahrens in keiner Weise ableiten“, wird ein Begründungsmangel im Sinn der (nominell geltend gemachten) Z 5 nicht angesprochen.
Die Ableitung der Konstatierungen zur subjektiven Tatseite „aus den äußeren Tatumständen“, insbesondere aus dem Wortlaut des inkriminierten Schreibens, begegnet unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall) keinen Bedenken (RIS‑Justiz RS0116882).
Auf eine vom Beschwerdeführer selbst verfasste, an den Obersten Gerichtshof gerichtete und dem Rechtsmittel beigefügte Eingabe, der zu entnehmen sei, „worauf“ sein „Vorsatz tatsächlich gerichtet war“, war – zufolge des Grundsatzes der Einmaligkeit der Rechtsmittelausführung – nicht Rücksicht zu nehmen (RIS‑Justiz RS0100152).
Weshalb es erforderlich gewesen wäre, den genauen Wortlaut der inkriminierten Schreiben und nicht deren Bedeutungsinhalt als Grundlage der rechtlichen Beurteilung festzustellen (vgl aber RIS‑Justiz RS0092437 [T4]), legt der Beschwerdeführer (nominell Z 5) nicht dar.
Soweit die Rechtsrüge (Z 9 lit a, nominell auch Z 5) auch zu diesem Schuldspruch einen Rechtsfehler mangels Feststellungen dazu moniert, welche (gebotenen und in seine Kompetenz fallenden) Verfahrenshandlungen Dr. G***** nach der Intention des Beschwerdeführers hätte unterlassen sollen, geht sie nicht von der Gesamtheit des Urteilssachverhalts aus (RIS‑Justiz RS0099810). Mit der konstatierten Aufforderung, das „Verfahren einzustellen“ (US 4 und 7), wird hinreichend deutlich ( Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 19) das Anliegen zum Ausdruck gebracht, von jeglicher weiteren Amtshandlung, die – allenfalls nach (rechtskräftiger) Erlassung einer Strafverfügung (vgl US 5 iVm ON 3 S 3) – auch in der (amtswegigen) Eintreibung der solcherart festgesetzten Geldstrafe bestehen kann, Abstand zu nehmen. Dass dies nicht in die (abstrakte) Befugnis des Opfers falle, wird ohne methodengerechte Ableitung aus dem Gesetz (vgl RIS‑Justiz RS0116565) behauptet (vgl § 54b VStG iVm § 1 Abs 1 Z 1 VVG; Fister in Lewisch/Fister/Weilguni , VStG 2 § 54b Rz 4; [zur monokratischen Organisation von Bezirkshauptmannschaften] Mayer/Kucsko-Stadlmayer/Stöger , Bundesverfassungsrecht 11 Rz 832).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – ebenfalls in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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