OGH 14Os130/95

OGH14Os130/9517.10.1995

Der Oberste Gerichtshof hat am 17.Oktober 1995 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Walenta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Massauer, Dr.Ebner, Dr.E.Adamovic und Dr.Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Neumayr als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Josef B***** wegen des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 5.April 1995, GZ 3 b Vr 10.931/94-22, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Jerabek, des Angeklagten und der Verteidigerin Dr. Scheed zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird Folge gegeben und die Strafe auf 20 (zwanzig) Monate herabgesetzt.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen (auch in Rechtskraft erwachsene Teilfreisprüche enthaltenden) Urteil wurde Josef B***** des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1 StGB schuldig erkannt, weil er in der Nacht zum 8.Februar 1995 in Wien einen Geldbetrag von ca 2.000 S dem Matthias J***** durch Einbruch in dessen in 1030 Wien, Landstraßer Hauptstraße 20, etabliertes Geschäft, somit in ein Gebäude, mit dem Vorsatz weggenommen hat, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern.

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte bekämpft diesen Schuldspruch mit einer auf die Z 5 a und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der Berechtigung nicht zukommt.

Unter dem erstbezeichneten Nichtigkeitsgrund (Z 5 a) wirft der Beschwerdeführer dem Erstgericht eine Verletzung seiner Pflicht zur amtswegigen Wahrheitserforschung vor, weil es ungeachtet der für eine Volltrunkenheit zum Zeitpunkt der Tatausführung sprechenden Indizien die Einholung eines Sachverständigengutachtens verabsäumt habe.

Der Beschwerdeführer übersieht, daß die unvollständige Ausschöpfung möglicher Beweisquellen auch nach Einführung des Nichtigkeitsgrundes der Z 5 a des § 281 Abs 1 StPO grundsätzlich nur unter der Voraussetzung der erfolglosen Antragstellung in der Hauptverhandlung gerügt werden kann (§ 281 Abs 1 Z 4 StPO); allein schwerwiegende Mängel der Sachverhaltsermittlung, die insbesondere unter dem Gesichtspunkt des Gebotes eines Art 6 EMRK entsprechenden fairen Verfahrens erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit von für den Schuldspruch entscheidenden Tatsachenfeststellungen erwecken, könnten Nichtigkeit im Sinn des geltend gemachten Anfechtungsgrundes begründen (Mayerhofer/Rieder StPO3 ENr 5 zu § 281 Z 5 a).

Davon kann vorliegend keine Rede sein. Der Beschwerdeführer selbst hat sich in der Hauptverhandlung zur Antragstellung in Richtung der nunmehr für notwendig erachteten Beweisaufnahme nicht veranlaßt gesehen; er ist auch - wie die Generalprokuratur zutreffend aufzeigt - nicht in der Lage, sich aus der Aktenlage ergebende Anhaltspunkte aufzuzeigen, aus denen erhebliche Bedenken gegen die bekämpfte Annahme der Zurechnungsfähigkeit ableitbar wären.

Auch mit der Subsumtionsrüge (Z 10) gegen die Annahme eines bereits vollendeten Diebstahls ist der Beschwerdeführer nicht im Recht.

Ein Diebstahl ist vollendet, wenn die fremde bewegliche Sache weggenommen ist, das heißt der bisher an ihr bestehende Gewahrsam eines anderen gegen dessen Willen gebrochen und ein neuer Alleingewahrsam daran begründet wurde (Leukauf/Steininger Komm3 § 127 RN 59). Dies bedeutet angesichts der Kennzeichnung des Gewahrsams als von einem natürlichen Herrschaftswillen getragene tatsächliche Sachherrschaft für die hier interessierende Abgrenzungsfrage, daß eine schematisch generalisierende, alle nur denkbaren Fallgestaltungen erfassende Regelung nicht möglich ist; es muß vielmehr unter Einbeziehung der spezifischen Umstände des Einzelfalles eine Prüfung angestellt werden, ob eine Sache bei lebensnaher Betrachtung noch zum Herrschaftsbereich des bisherigen Gewahrsamsinhabers gezählt werden kann oder ob diese Herrschaft bereits faktisch auf einen anderen Inhaber übergegangen ist (Kienapfel BT II3 § 127 RN 54).

Bei kleineren Sachen, die - wie die verfahrensgegenständlichen Geldscheine und Münzen (S 225) - leicht am Körper bzw in der Kleidung verborgen werden können, ist der Diebstahl im Sinn der ständigen Rechtsprechung in der Regel bereits mit dem eigenmächtigen Einstecken der Sache vollendet, weil dies im allgemeinen zum endgültigen Verlassen des Machtbereichs des bisherigen Gewahrsamsinhabers und zur Begründung des neuen Alleingewahrsams des Täters ausreicht. Nur wenn eine solche Ansichnahme vom bisherigen Gewahrsamsinhaber oder einem in seinem Auftrag gewissermaßen als verlängerter Arm handelnden Kontrollorgan beobachtet wird, bleibt die Sache, mag sie auch dem äußeren Anschein nach schon der Herrschaft des Täters unterliegen, realistisch gesehen noch immer dem (allenfalls durch Einschaltung des Kontrollorganes mittelbaren) Zugriff des bisherigen Gewahrsamsinhabers ausgesetzt; dessen Gewahrsam ist bei dieser Fallgestaltung noch nicht zur Gänze beseitigt, der Diebstahl demzufolge bloß versucht (Leukauf/Steininger Komm3 § 127 RN 60 bis 62).

Dem Urteilssachverhalt zufolge wurde der Beschwerdeführer mit der in seinen Hosentaschen und der Jackeninnentasche verwahrten Diebsbeute beim Verlassen des Geschäftes von einem Sicherheitswachebeamten betreten und festgenommen (US 2 und 7 iVm S 95). Das Einstecken der Geldscheine und Münzen wurde weder vom bisherigen Gewahrsamsinhaber noch von einem seiner Kontrollorgane (zB Verkäufer oder Kaufhausdetektiv) beobachtet. Legt man die erörterten Abgrenzungskriterien zugrunde, war der Diebstahl demzufolge vollendet, woran der Umstand nichts zu ändern vermag (vgl 11 Os 171/80), daß ein Außenstehender (also kein Beauftragter des bisherigen Gewahrsamsinhabers), nämlich der Polizeibeamte, den Täter beim Entnehmen des Geldes aus der Kasse beobachtet hatte.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über Josef B***** nach § 129 StGB eine Freiheitsstrafe von 27 Monaten. Dabei wertete es "24 einschlägige Vorstrafen, die bereits die Anwendung des § 39 StGB gerechtfertigt hätten" und den relativ raschen Rückfall als erschwerend, als mildernd hingegen das Geständnis und die Sicherstellung der Beute.

Der auf Herabsetzung des Strafmaßes gerichteten Berufung des Angeklagten kommt Berechtigung zu.

Angesichts des unterdurchschnittlichen objektiven Erfolgsunwertes der Tat erweist sich - trotz der hohen personalen Täterschuld - die Reduktion der Sanktion auf das im Spruch ersichtliche Ausmaß als geboten.

Die Kostenentscheidung ist in § 390 a StPO begründet.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte