European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0140OS00128.18G.0521.000
Spruch:
Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch I./, demzufolge auch im Strafausspruch und im Zuspruch von 152.994,91 Euro an die Privatbeteiligte B***** Ltd aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Klagenfurt verwiesen.
Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.
Mit seiner gegen den Ausspruch über die Strafe und über die privatrechtlichen Ansprüche der B***** Ltd gerichteten Berufung wird der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.
Die Entscheidung über die Berufung gegen das darüber hinausgehende Adhäsionserkenntnis obliegt dem Oberlandesgericht Graz.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Michael Y***** – soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde relevant – der Vergehen des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 (richtig [US 7]:) fünfter Fall und Abs 2 StGB (I./) und der Untreue nach § 153 Abs 1 und 3 erster Fall StGB (II./) schuldig erkannt.
Danach hat er in V*****
I./ am 2. Februar 2015 „Michael Bo*****, Viktoriya K*****, Ekaterina T*****, Alan J***** bzw Verantwortliche der B***** Ltd“ mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz durch Täuschung über Tatsachen unter Verwendung eines falschen Beweismittels, nämlich einer von der P*****, Inc. ausgestellten Rechnung mit unwahrem Inhalt, zur Überweisung von (umgerechnet) 152.994,91 Euro an die F***** GmbH verleitet, die die B***** Ltd in einem 5.000 Euro, nicht jedoch 300.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen schädigte, indem er vorgab, mit diesem Geldbetrag 50 % der Zahlung für die A***** der F***** GmbH bei der P*****, Inc. zu begleichen, während er mit der Weiterleitung des Geldbetrags an die P*****, Inc. einen offenen Außenstand aus einer früheren Geschäftsbeziehung beglich;
II./3./ seine Befugnis, über das Vermögen der F***** GmbH zu verfügen, wissentlich missbraucht und dadurch diese Gesellschaft in einem 5.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen geschädigt, indem er als deren Geschäftsführer im Zeitraum 16. März bis 2. Oktober 2015 rechtsgrundlos die Überweisung eines Gesamtbetrags von 180.000 Euro vom Konto der F***** GmbH zugunsten der zypriotischen Anwaltsgesellschaft P.***** Ltd veranlasste.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die aus den Gründen der Z 5, 5a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, dass dem Urteil zu I./ nicht geltend gemachte, dem Angeklagten zum Nachteil gereichende Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO) anhaftet.
Nach den hier wesentlichen Urteilsfeststellungen wurden „die Investitionen des Michael Bo*****“ in die geplante Waffenproduktion des Angeklagten „in Form von Darlehen an die F***** GmbH gewährt“, wobei – nach jeweils monatlichen Besprechungen des Angeklagten mit Vertretern des Geldgebers über das benötigte Budget – „bezughabend Darlehensverträge abgeschlossen“ wurden und die Zahlungen sodann von verschiedenen, Bo***** zuzurechnenden Gesellschaften auf das Konto der F***** GmbH eingingen. Zwischen Jänner und Oktober 2015 veranlasste Bo***** solcherart insgesamt die Überweisung von acht bis zehn Millionen Euro auf das Konto der F***** GmbH. Diese Form „der Finanzierung der F***** GmbH über Darlehensverträge“ war zwischen dem Angeklagten und Bo***** „von Anbeginn an vereinbart“, wobei der Angeklagte auch wusste, dass Bo***** „in späterer Folge wünscht, mit einer in seinem Einflussbereich stehenden Firma als Gesellschafterin bei der F***** GmbH einzusteigen“, was in der Folge am 25. Juni 2015 in Form der Beteiligung „mit einer in seinem Einflussbereich stehenden Firma“ im Ausmaß von 47,5 % erfolgte (US 5). Darüber hinausgehende Feststellungen zu allfälligen Rückzahlungsvereinbarungen hat das Erstgericht nicht getroffen.
Wenngleich „das monatliche Budget der F***** GmbH […] vom Angeklagten entweder mit Bo***** oder Ekaterina T***** besprochen“ wurde, die Überweisung einer „konkret bestimmten Summe Geld“ veranlasst wurde, wenn „die für einen bestimmten Zweck […] der F***** GmbH benötigten Geldmittel von Bo***** bzw. T***** für in Ordnung befunden“ wurden, und der Angeklagte „jeweils die Höhe der monatlichen Geldmittel […] und auch deren Zweck dem Investor Bo***** entweder direkt oder über Ekaterina T*****“ mitteilte, „setzte er die überwiesenen Geldmittel nach seinem Dafürhalten und wie er es wollte ein“. „Als Geschäftsführer der F***** GmbH sah er dies als sein Recht an und war aus seiner Sicht das der F***** GmbH überwiesene Geld, wobei die Grundlage dafür Darlehensverträge waren, auch zu seiner freien Verfügung, lediglich beschränkt durch das GmbH-Gesetz (GmbHG)“. Auch gab es „in den erwähnten Darlehens- und Kreditverträgen [...] keine Auflagen oder Zweckbindungen für die Verwendung der Gelder“ (US 6 f).
„Schon zumindest am 1. Februar 2015“ übermittelte der Angeklagte Bo***** und dessen Mitarbeitern „einen 'neuen' Letter of Intent der P*****, Inc.“, in dem dieses Unternehmen die Absicht erklärt, ab 1. Februar 2015 bis 2019 „abhängig von der Fertigungskapazität der F***** GmbH 300.000 MP1 Gewehre zu einem Preis von 1.000 Euro je Einheit zu kaufen“, wobei „auch diesbezüglich die Besicherung der Zahlung ausgeführt wurde“. Am 2. Februar 2015 übermittelte der Angeklagte an die Genannten eine Rechnung der P*****, Inc. vom 19. Jänner 2015 über 174.200 USD mit dem Rechnungsgrund „50 % of ATF Certification Cost for MPP1 Prototyp“, gab an, „dass es sich dabei um 50 % der Zahlung für die ATF-Bestätigung handelt“ und ersuchte um direkte Überweisung des Geldes an die P*****, Inc. Dabei wurde vom Angeklagten „bewusst und gewollt nicht offengelegt“, dass der Betrag nicht der Finanzierung der ATF-Bestätigung, sondern der Abdeckung eines Verlusts der P*****, Inc. dienen soll, der dieser aus einem „über Kontakte des Angeklagten“ abgeschlossenen „Geschäft mit russischen Personen“ entstanden ist und dessen Abdeckung zur Bedingung für das „Eingehen einer neuen Geschäftsverbindung mit (…) der F***** GmbH“ gemacht wurde (US 7 f).
„Auf Grundlage dieses Ansuchens und im Glauben der Richtigkeit der Angaben des Angeklagten überwies in der Folge die B***** Ltd [eines jener Unternehmen, deren sich Bo***** zur Kreditgewährung bediente; vgl US 5] einen Betrag von 180.000 Euro an die F***** GmbH“, worauf der Angeklagte die Zahlung der Rechnung der P*****, Inc. veranlasste (US 8 f).
Ausgehend von diesen Feststellungen bleiben die Urteilsannahmen zur Vermögensschädigung sowie zum Schädigungs- und Bereicherungsvorsatz (US 8 f), der Angeklagte habe eine Mitarbeiterin Bo*****s zur irrtumsbedingten Überweisung von 174.200 USD an die F***** GmbH veranlasst, wodurch die B***** Ltd – vom Vorsatz des Angeklagten umfasst – im Betrag von (nach damaliger Umrechnung) 155.535 Euro am Vermögen geschädigt wurde und sich der Angeklagte dadurch unrechtmäßig bereichern wollte (US 9), inhaltsleer.
Denn dem Urteil ist nicht zu entnehmen, was der Angeklagte und seine Geldgeber über die Begleichung der gegenständlichen Zuwendung vereinbart hatten, ob der Angeklagte (nicht) fähig und willens war, sich an die ihm daraus ergebenden Verpflichtungen zu halten, und ob er diesen tatsächlich (nicht) nachkam. Nur im Fall der Vereinbarung einer Zahlung ohne wirtschaftliche Gegenleistung wäre ein Schaden bereits in der irrtumsbedingten Vermögensminderung begründet (Kirchbacher/Sadoghi, WK2 StGB § 146 Rz 51, 68; Kienapfel/Schmoller BT II2 § 146 Rz 185 ff). Im Fall vereinbarter Rückzahlung der Geldzuwendung oder sonst dafür zu erbringender Gegenleistungen (wie etwa der Überlassung von werthaltigen Gesellschaftsanteilen) käme es für den Schadenseintritt darauf an, dass der Angeklagte von vornherein nicht willens oder fähig war, diesen Verpflichtungen nachzukommen (vgl RIS-Justiz RS0128771; Kienapfel/Schmoller BT II2 § 146 Rz 197), oder ihnen tatsächlich nicht nachgekommen ist. Wenngleich der Schadenseintritt in diesem Zusammenhang (infolge rechtlicher Gleichwertigkeit von Tatvollendung und Versuch) für die Schuldfrage ohne Bedeutung ist (RIS-Justiz RS0122137), fehlt damit den auf die verba legalia reduzierten Feststellungen zum Schädigungs- und Bereicherungsvorsatz ein ausreichender Sachverhaltsbezug (RIS-Justiz RS0119090; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 8, 571).
Dieser Rechtsfehler mangels Feststellungen erfordert die Aufhebung des Schuldspruchs I./, demzufolge auch die Kassation des Strafausspruchs und des auf den Schuldspruch I./ gegründeten Privatbeteiligtenzuspruch samt Rückverweisung der Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht (§ 285e iVm § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO). Auf das zu I./ erstattete Vorbringen der Nichtigkeitsbeschwerde ist daher nicht einzugehen.
Im Übrigen verfehlt die Nichtigkeitsbeschwerde jedoch ihr Ziel:
Widersprüchlich sind zwei Urteilspassagen, wenn sie nach den Kriterien logischen Denkens oder nach der allgemeinen Lebenserfahrung nicht nebeneinander bestehen können (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 437 f). Der Hinweis auf Beweisergebnisse, die allenfalls gegen getroffene Feststellungen sprechen, ist hingegen unter dem Aspekt des dritten Falls der Z 5 unbeachtlich (RIS-Justiz RS0119089 [T1, T7]).
Keinen Widerspruch iSd Z 5 dritter Fall zeigt die Beschwerde daher mit der behaupteten „Divergenz“ zwischen der Feststellung, dass der Angeklagte für sich ein monatliches Geschäftsführergehalt von 30.000 Euro vorgesehen hat (US 6), und den Erwägungen des Erstgerichts auf, weshalb es bei den Überweisungen auf das zypriotische Treuhandkonto nicht von Gehaltszahlungen ausging (US 16). Vielmehr zielen einerseits die Hinweise auf Passagen der Verantwortung des Angeklagten sowie der Aussagen von Zeugen und andererseits die Behauptung, die Feststellungen würden nicht auf „denkrichtigen Schlussfolgerungen“ basieren und seien „rein willkürliche Annahmen“, darauf ab, die Beweiswürdigung des Schöffengerichts in unzulässiger Form in Zweifel zu ziehen.
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) geht nicht von den getroffenen Feststellungen aus, wonach der Angeklagte die Überweisungen an die Treuhänderin P.***** Ltd „rechtsgrundlos“ und mit Schädigungsvorsatz veranlasste (US 10) und diese kein Bestandteil seines Geschäftsführergehalts waren (US 16). Sie entzieht sich damit einer inhaltlichen Erwiderung.
Weshalb im Übrigen die „Ersparnis“, welche bei der F***** GmbH eingetreten sei, weil sich der Angeklagte über einen längeren Zeitraum kein Geschäftsführergehalt ausgezahlt habe (US 6), bei der Schadensberechnung zu berücksichtigen gewesen wäre, leitet die Beschwerde nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab (RIS-Justiz RS0116565; zur Schadensberechnung bei der Untreue vgl RS0094565, RS0094917).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher in diesem Umfang bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d StPO).
Über die Berufung gegen das auf den Schuldspruch II./3./ gegründete Adhäsionserkenntnis wird das Oberlandesgericht Graz zu entscheiden haben.
Die Kostenentscheidung, welche die amtswegige Maßnahme nicht umfasst (RIS-Justiz RS0101558), beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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