OGH 14Os127/16g

OGH14Os127/16g28.2.2017

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. Februar 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Adamowitsch als Schriftführerin in der Strafsache gegen Ioachim P***** wegen des Verbrechens der Schlepperei nach § 114 Abs 1, 3 Z 2 und 3, Abs 4 erster Fall FPG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Schöffengericht vom 25. Oktober 2016, GZ 15 Hv 38/16p‑63, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0140OS00127.16G.0228.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Ioachim P***** des Verbrechens der Schlepperei nach § 114 Abs 1, 3 Z 2 und 3, Abs 4 erster Fall FPG schuldig erkannt.

Danach hat er am 1. Juli 2016 in H***** und an anderen Orten als Mitglied einer kriminellen Vereinigung im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgten Dan‑Ioan B***** und weiteren unbekannten Mittätern die rechtswidrige Ein‑ und Durchreise von mindestens drei Fremden, nämlich sechs syrischen, elf afghanischen und einem ägyptischen Staatsangehörigen, in und durch Mitgliedstaaten der Europäischen Union, und zwar Ungarn und Österreich, mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz gefördert, indem er Dan‑Ioan B***** anwies, einen im angefochtenen Urteil näher bezeichneten Kleintransporter, in welchen die Fremden von nicht ausgeforschten Mitgliedern der Schlepperorganisation verbracht worden waren, von Budapest über den Grenzübergang K***** nach H***** zu lenken, während er selbst in einem weiteren Fahrzeug vorausfuhr, wobei die Fremden während der Beförderung längere Zeit hindurch in einen qualvollen Zustand versetzt wurden, indem sie die mehrstündige Fahrt zusammengepfercht in einem für eine derartige Zahl von Personen viel zu kleinen Laderaum bei unzureichender Frischluftzufuhr und ohne Pause, bei der sie das Fahrzeug hätten verlassen können, sowie ohne Versorgung mit Essen oder Getränken und die Möglichkeit, ihre Notdurft zu verrichten, verbringen mussten.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5, 10 und 11 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht im Recht.

Gegenstand der Mängelrüge sind nur Feststellungen zu (für die Schuld‑ oder die Subsumtionsfrage) entscheidenden Tatsachen (RIS‑Justiz RS0117499). Eine solche spricht der Einwand (der Sache nach Z 5 zweiter Fall) unterbliebener Erörterung der Aussage des Zeugen Dan‑Ioan B***** zum genauen Ort der – ohnehin ausreichend individualisierten (vgl auch § 114 Abs 7 FPG) – Tat nicht an (RIS‑Justiz RS0098557 [T3]). Deshalb scheitert dieses Vorbringen auch, soweit damit ein diesbezüglicher Widerspruch (Z 5 dritter Fall) in den Entscheidungsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) und deren zusammenfassender Darstellung im Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) releviert werden soll (RIS‑Justiz RS0117402). Im Übrigen hat das Erstgericht die Annahme einer Tatbegehung (auch) im Inland aktenkonform auf die Aussage dieses Zeugen gestützt (US 10 iVm ON 62 S 9 und 16 sowie ON 4 S 29).

Der Kritik offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) zuwider haben die Tatrichter die Feststellungen zur Begehung als Mitglied einer kriminellen Vereinigung im Einklang mit Denkgesetzen und grundlegenden Erfahrungssätzen (RIS‑Justiz RS0118317) auf eine Reihe vom Zeugen Dan‑Ioan B***** geschilderter Begleitumstände der Schlepperfahrt (mehrere Telefonate des Beschwerdeführers mit unbekannt gebliebenen Auftraggebern, welche ihm vor dem Transport Fahrzeugdokumente und Geld ausgehändigt hätten sowie die Mitfahrt einer weiteren unbekannten Person im Begleitfahrzeug) gestützt (US 13 f).

Die Konstatierungen zur Qualifikation nach § 114 Abs 3 Z 3 FPG, beruhen ebenfalls auf der Aussage des genannten Zeugen, demzufolge der Beschwerdeführer in Kenntnis der Länge der Fahrt Anweisung gegeben habe, nicht stehen zu bleiben, und telefonisch über den Zustand der Geschleppten informiert worden sei (US 7 und 14 f). Indem die Rüge bloß die – für sich keine notwendige Bedingung der Feststellung entscheidender Tatsachen bildende – sachverhaltsmäßige Bejahung während der Fahrt geführter Telefonate als unvollständig (Z 5 zweiter Fall) bekämpft, verfehlt sie den Bezugspunkt zulässiger Anfechtung (RIS‑Justiz RS0116737). Im Übrigen hat sich das Erstgericht mit der ins Treffen geführten, abweichenden Aussage des Dan‑Ioan B***** im gegen ihn geführten Verfahren (ON 24 S 8 im Beiakt 25 Hv 56/16h des Landesgerichts Eisenstadt) ohnehin beweiswürdigend auseinandergesetzt und (mängelfrei) dargelegt, weshalb es seinen Depositionen als Zeuge im gegenständlichen Verfahren Glauben schenkte und dabei – entgegen weiterer Beschwerdekritik – auch behauptete Motive für eine Falschbelastung erörtert (US 12 f).

Der weiteren Mängelrüge zuwider waren die Tatrichter, welche der leugnenden Verantwortung des Beschwerdeführers insgesamt Glaubhaftigkeit absprachen (US 9), unter dem Aspekt der Urteilsvollständigkeit nicht verhalten, im Urteil auf sämtliche Details seiner Aussage einzugehen (RIS‑Justiz RS0098642).

Die gegen die Annahme der Qualifikation nach § 114 Abs 3 Z 3 FPG vorgetragene Subsumtionsrüge (Z 10), der Vorsatz des Beschwerdeführers sei bloß auf einen Transport von „etwas weniger als 2 Stunden“ gerichtet gewesen, setzt sich über die gegenteiligen Feststellungen hinweg (RIS‑Justiz RS0099810). Nach diesen hätten die Fremden tatplangemäß – ohne Unterbrechung – von Budapest nach Deutschland transportiert werden sollen, was lediglich durch Anhaltung des Schlepperfahrzeugs durch die Polizei nach dem ungarisch‑österreichischen Grenzübergang verhindert worden sei. Zudem sei der Beschwerdeführer während der Tat (der Beschwerdekritik zuwider also keineswegs erst danach) vom Zeugen Dan‑Ioan B***** telefonisch über den qualvollen Zustand der Fremden informiert worden (US 6 ff und 15).

Die (hier die Strafdrohung nicht bestimmende) „mehrfache Deliktsqualifikation“ (vgl US 17) hat das Erstgericht entgegen der Sanktionsrüge (Z 11 zweiter Fall) ohne Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot (§ 32 Abs 2 erster Satz StGB) erschwerend gewertet (RIS‑Justiz RS0100027).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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