OGH 14Os112/13x

OGH14Os112/13x27.8.2013

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. August 2013 durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek als Vorsitzende, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski und Mag. Fürnkranz in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Bandarra als Schriftführer in der Strafsache gegen Johanna E***** wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 12. April 2013, GZ 053 Hv 199/12i‑18, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil aufgehoben, eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.

Mit ihrer Berufung wird die Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Johanna E***** des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat sie am 26. November 2012 in Wien Aloisia P***** mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz eine Handtasche im Wert von 50 Euro mit 200 Euro Bargeld mit Gewalt weggenommen, indem sie sie gegen eine Türe stieß, ihr eine das Sehvermögen beeinträchtigende und Augenbrennen hervorrufende Flüssigkeit ins Gesicht sprühte, ihr die Arme hochhob und ihr die Tasche über den Kopf zog.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten ist schon aus dem erstgenannten Nichtigkeitsgrund berechtigt:

Vorauszuschicken ist, dass der zur Überzeugung der Tatrichter von der Glaubwürdigkeit eines Zeugen aufgrund des von diesem in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks führende kritisch-psychologische Vorgang als solcher zwar der Anfechtung mit Mängelrüge entzogen ist (RIS-Justiz RS0106588). Die Beurteilung der Überzeugungskraft von Aussagen kann jedoch unter dem Gesichtspunkt einer Unvollständigkeit mangelhaft erscheinen, wenn sich das Gericht mit gegen die Glaubwürdigkeit sprechenden Beweisergebnissen nicht auseinandergesetzt hat. Der Bezugspunkt einer solchen Kritik besteht nicht in der Sachverhaltsannahme der Glaubwürdigkeit, sondern ausschließlich in den Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 432). Schon wegen der solcherart eingeschränkten Anfechtungsmöglichkeit im kollegialgerichtlichen Verfahren verdienen zudem gerade in jenen Fällen, in denen ‑ wie hier ‑ Aussage gegen Aussage steht, objektive Verfahrensergebnisse für die Beurteilung, welche Version glaubwürdiger ist, fehlen und die Aufnahme von Kontrollbeweisen (vgl etwa ON 12 S 7) nicht beantragt wurde, auch nicht unmittelbar das Tatgeschehen betreffende Umstände, die gegen die Überzeugungskraft der belastenden Zeugenaussage sprechen, erhöhte Beachtung (vgl dazu im Zusammenhang mit Kontrollbeweisen RIS-Justiz RS0098429, RS0096368).

Davon ausgehend zeigt die Mängelrüge mit dem Hinweis auf die Aussage des Tatopfers anlässlich der Konfrontation mit der ‑ die Tat auch mit der Behauptung zur Tatzeit in ihrer Wohnung im Internet „gepostet“ zu haben (ON 2 S 7) ‑ leugnenden Beschwerdeführerin in der Hauptverhandlung (ON 17 S 11: „Vorsitzende: Haben sie die Angeklagte schon einmal gesehen? Zeugin: Nein. Das ist die Angeklagte? ...“) ein gegen die Annahme der Tragfähigkeit der Angaben dieser Belastungszeugin sprechendes Beweisergebnis auf, dass das Erstgericht unter dem Aspekt der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) hätte erörtern müssen. Indem die Tatrichter nämlich ihre Überzeugung von der Täterschaft der Beschwerdeführerin hauptsächlich darauf stützten, dass Aloisia P***** die Angeklagte ‑ übrigens trotz der Beeinträchtigung ihres Sehvermögens durch die sofortige Attacke mit einem Spray (US 2) und ihres Eingeständnisses, aufgrund der Kopfbedeckung der Täterin (deren Gesicht mit einer großen schwarzen Sonnenbrille bedeckt war; vgl US 2), der Schnelligkeit des Angriffs und ihres „wahnsinnigen Schreckens“ weder deren Gesichtszüge noch sonstige Details wahrgenommen zu haben (US 7) ‑ bei der Gegenüberstellung unmittelbar nach der Tat „sowohl anhand ihrer dunklen Kleidung als auch an ihrem Gesicht“ erkannte (US 6), eine Auseinandersetzung mit der von der Beschwerde hervorgehobenen Aussagepassage aber unterließen, haben sie zur Begründung des Ausspruchs nur einen Teil der Depositionen der Zeugin berücksichtigt (vgl dazu erneut Ratz, WK-StPO § 281 Rz 433).

Dem Urteil haftet damit insoweit ein Begründungsmangel im Sinn der Z 5 zweiter Fall des § 281 Abs 1 StPO an, der ‑ in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur ‑ die Aufhebung des Urteils schon bei der nichtöffentlichen Beratung zur Folge hat (§ 285e StPO), ohne dass es eines Eingehens auf die weiteren Argumente der Nichtigkeitsbeschwerde bedürfte.

Hierauf war die Angeklagte mit ihrer Berufung zu verweisen.

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