OGH 14Os110/21i

OGH14Os110/21i16.11.2021

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. November 2021 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Nordmeyer, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz‑Hummel LL.M. sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Vizthum im Verfahren zur Unterbringung des ***** G***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 28. Juni 2021, GZ 16 Hv 47/21s‑43, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0140OS00110.21I.1116.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde die Unterbringung des ***** G***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB angeordnet.

[2] Danach hat er am 7. Februar 2021 in G***** unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad, nämlich einer bipolar affektiven Störung („gegenwärtig manische Episode mit psychotischen Symptomen“) und einer kombinierten Persönlichkeitsstörung, beruht,

1/ die Polizeibeamten ***** T***** und ***** W***** durch gefährliche Drohung und mit Gewalt an einer Amtshandlung, nämlich der Gefahrenerforschung nach § 16 Abs 4 SPG, der Ermittlung des Sachverhalts nach Anzeigeerstattung wegen des Vergehens der Nötigung und seiner Anhaltung, zu hindern versucht, und zwar durch die an T***** gerichtete Äußerung, „wenn du jetzt wen anrufst, steche ich dich ab“, sowie indem er mit einem zu dieser Zeit nicht näher erkennbaren spitzen Gegenstand in der Hand auf W***** zulief und sich in weiterer Folge durch „beidseitige Armbewegungen und wiederholtes Wegdrücken der Arme und Schultern“ der Fixierung durch die Beamten zu entziehen versuchte;

2/ T***** und W***** durch die zu 1/ angeführten Handlungen während oder wegen der Vollziehung ihrer Aufgaben oder der Erfüllung ihrer Pflichten vorsätzlich in Form von Hautabschürfungen an beiden Knien bei T***** sowie von Hautabschürfungen am rechten Unterarm und einer Zerrung im Bereich der rechten Leiste bei W***** am Körper verletzt,

somit Taten begangen, die als Vergehen des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 StGB und der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 StGB mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht sind.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 4 und 5 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen ist nicht im Recht.

[4] Die Verfahrensrüge (Z 4) kritisiert die Abweisung des Antrags auf „Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens aus dem Fachbereich der Psychiatrie zum Beweis dafür, dass beim Betroffenen keine seelische oder geistige Abartigkeit vorliegt und daher auch die Voraussetzungen des § 21 Abs 1 StGB nicht vorliegen“ (ON 42 S 15 f). Soweit das Begehren darauf gerichtet war, Zurechnungsfähigkeit des Betroffenen im Tatzeitpunkt unter Beweis zu stellen, ist die gegen seine Abweisung gerichtete Rüge unzulässig (§ 433 Abs 1 iVm § 282 Abs 1 StPO), weil nicht zu seinem Vorteil ausgeführt (RIS‑Justiz RS0126727). In einem allenfalls die sonstigen Einweisungsvoraussetzungen (insbesondere die Gefährlichkeitsprognose) betreffenden Umfang war der Antrag nicht darauf gerichtet, eine (für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage oder die Einweisungsbefugnis) erhebliche Tatsache unter Beweis zu stellen, weshalb die abschlägige Entscheidung auch insoweit nicht aus Z 4 oder Z 11 erster Fall iVm Z 4 bekämpft werden kann (RIS‑Justiz RS0118319, RS0114964).

[5] Das in der Nichtigkeitsbeschwerde zur Antragsfundierung Nachgetragene unterliegt dem Neuerungsverbot (RIS‑Justiz RS0099618) und ist daher einer inhaltlichen Erwiderung nicht zugänglich.

[6] Die Mängelrüge nimmt mit ihrem Einwand, die Feststellungen zur Kausalität des inkriminierten Verhaltens für die Verletzungen der Beamten T***** und W***** (US 5) seien offenbar unzureichend begründet (Z 5 vierter Fall), nicht Maß an der Gesamtheit der tatrichterlichen Erwägungen (vgl aber RIS-Justiz RS0119370). Diese verweisen nämlich – vom Beschwerdeführer übergangen – auf die für glaubwürdig befundenen Angaben der beiden Opfer „in Zusammenschau mit den vorgelegten Lichtbildern und polizeiamtsärztlichen Befunden“ (US 7). Dass eine andere Ursache dieser Verletzungen denkbar ist, stellt den behaupteten Begründungsmangel nicht her (RIS‑Justiz RS0099455).

[7] Die Kritik am Unterbleiben weiterer Beweisaufnahme zu diesem Thema (der Sache nach Z 5a) scheitert schon daran, dass der Beschwerdeführer nicht darlegt, wodurch er an darauf abzielender Antragstellung gehindert gewesen sei (RIS‑Justiz RS0115823).

[8] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Auf das vom Beschwerdeführer selbst verfasste, am 21. Oktober 2021 eingebrachte Schreiben war hier nicht einzugehen (RIS‑Justiz RS0100175).

[9] Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).

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