OGH 14Os103/07i

OGH14Os103/07i2.10.2007

Der Oberste Gerichtshof hat am 2. Oktober 2007 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Holzweber als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Philipp und Hon. Prof. Dr. Schroll und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Mag. Hetlinger und Mag. Fuchs in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Maschler als Schriftführerin in der Strafsache gegen Bernhard H***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter und dritter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Florian T***** sowie über die Berufungen dieses Angeklagten und des Angeklagten Bernhard H***** gegen das Urteil des Jugendgeschworenengerichtes beim Landesgericht Innsbruck vom 27. April 2007, GZ 36 Hv 36/07g-152, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten Florian T***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden (unangefochten gebliebene Schuldsprüche der Angeklagten Bernhard H***** und Andreas F***** enthaltenden) Urteil wurde Florian T***** des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter und dritter Fall StGB (I.) sowie der Vergehen der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB (II.) und der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (III.) schuldig erkannt.

Danach hat er am 27. Juni 2006 gemeinsam mit Bernhard H*****, Andreas F***** und einer gemäß § 4 JGG außer Verfolgung gestellten Person dem Burkhard L***** mit Gewalt gegen seine Person und unter Verwendung einer Waffe, nämlich durch Niederschlagen mit einer Bierflasche, Festhalten am Boden, Verdrehen eines Armes auf den Rücken und durch Versetzen von Faustschlägen, eine Geldtasche mit ca 300 Euro Inhalt mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen, wobei Burkhard L***** eine an sich schwere Verletzung, nämlich eine Nasenbeintrümmerfraktur, Quetsch-/Rissverletzungen des Schädels, großflächige Blutunterlaufungen bei den Augen, Schürfwunden über dem Ellbogen und vielfache Prellungen erlitten hat;

II. gemeinsam mit Andreas F***** am 2. Juli 2006 Hermann R***** mit Gewalt, nämlich durch Festhalten und Drücken gegen eine Mauer und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben, nämlich durch Ansetzen eines Messers am Hals 50 Euro Bargeld wegzunehmen versucht;

III. am 2. Juli 2006 Hermann R***** durch einen Schnitt mit einem Messer im Halsbereich, der eine etwa fünf cm lange oberflächliche Schnittwunde zur Folge hatte, vorsätzlich am Körper verletzt. Der dagegen von Florian T***** aus § 345 Abs 1 Z 5, 6, 10a sowie 11 lit a und b StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Die Verfahrensrüge (Z 5) zeigt keine Verletzung von Verteidigungsrechten auf.

Denn der Antrag auf Einholung eines psychiatrischen und medizinischen Gutachtens zum Beweis dafür, dass der Angeklagte anlässlich der Taten wegen jahrelangem schweren Alkohol- und Drogenmissbrauch und tataktuellem „vollem Alkohol- und Drogeneinfluss" zurechnungsunfähig war und „bei ihm eine tiefgreifende Bewusstseinsstörung und sonstige andere gleichwertige schwere seelische Störungen vorlag oder vorliegt, die geeignet sind, das Unrecht seiner ihm vorgeworfenen Taten nicht einzusehen", verfiel zu Recht der Ablehnung (S 173 f/III), weil der Antragsteller die nach Lage des Falles gebotene Begründung unterlassen hat, auf Grund welcher im Verfahren hervorgekommener Umstände konkrete - für einen Sachverständigen verwertbare - Anhaltspunkte für die Annahme vorliegen sollen, der (selbst eine etwa mittelgradige Beeinträchtigung schildernde; S 71, 77 f/III) Angeklagte wäre zu den Tatzeiten nicht diskretions- oder dispositionsfähig gewesen (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 347). Auf die im Rechtsmittel vorgebrachten, eigene Beweiserwägungen anstellenden Begründungsansätze ist nicht einzugehen, weil die Berechtigung von in der Hauptverhandlung gestellten Anträgen stets bezogen auf den Antragszeitpunkt zu prüfen ist (vgl Ratz aaO § 281 Rz 325).

Gesetzeskonformes Ausführen einer Fragenrüge (Z 6) erfordert eine Substantiierung dahin, durch welche in der Hauptverhandlung konkret vorgebrachten Tatsachen (§ 314 Abs 1 StPO) die begehrte weitere Fragestellung indiziert gewesen sein soll (vgl Schindler, aaO § 314 Rz 12 f; Ratz, aaO § 345 Rz 23, 42). Die bloße - im Übrigen unzutreffende (vgl fld Zl 18 bis 21) - Behauptung es fehle eine Fragestellung an die Geschworenen „ob sich der Angeklagte im Sinne des § 287 StGB am 2. Juli 2006 wenn auch nur fahrlässig durch den Gebrauch berauschender Mittel (Alkohol und Tabletten) in einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rausch versetzte und hierbei gegen Hermann R***** vorging", genügt nicht.

Ebensowenig bewegt sich der Einwand, wonach die zur Hauptfrage 3 (fld Zl 3) nach schwerem Raub gestellte Eventualfrage nach Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung (fld Zl 16) als Hauptfrage zu stellen gewesen, weil nach Bejahen der Hauptfrage und Verneinen der Zusatzfrage nach Zurechnungsunfähigkeit (fld Zl 15) die Eventualfrage nicht zu beantworten war, diese jedoch unabhängig von der Fragestellung beantwortet hätte werden müssen, innerhalb der Anfechtungskategorien des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes.

Denn es wird nicht erklärt, weshalb es dem Schwurgerichtshof entgegen der Vorschrift des § 314 StPO hier verwehrt gewesen sein soll, eine Eventualfrage nach dem - gegenüber dem in der Anklageschrift angelasteten Verbrechen - weitaus milder bestraften Vergehen einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung zur anklagekonformen Hauptfrage nach schwerem Raub zu stellen und zudem nicht dargetan, weshalb die Geschworenen bei geänderter Fragestellung von einer für die Tatbegehung nach § 287 Abs 1 StGB essentiellen Zurechnungsunfähigkeit des Angeklagten ausgehen hätten sollen, wiewohl sie die Annahme eines solchen Zustandes durch Verneinen der Zusatzfrage nach § 11 StGB abgelehnt haben.

Im Übrigen ist das Vorgehen des Schwurgerichtshofes, bei indizierter voller Berauschung für den Fall der Bejahung der anklagekonformen Hauptfrage eine Zusatzfrage in Richtung § 11 StGB und sodann für den Fall der Bejahung der Zusatzfrage eine Eventualfrage nach § 287 StGB zu stellen, fehlerfrei (Schindler, aaO § 317 Rz 32). In der Tatsachenrüge (Z 10a) stellt der Angeklagte unter Hinweis auf seine leugnende Verantwortung und bei beweiswürdigender Betrachtung ihm günstig erscheinender Verfahrensergebnisse die Begehung der Raubtat am 27. Juni 2006 in Abrede. Mit dieser Argumentation vermag er schon angesichts der ihn erheblich belastenden Angaben der Mitangeklagten (S 43 f, 51 ff, 61/III) keine sich aus den Akten ergebenden erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen konstatierten Tatsachen zu erwecken. Die Anfechtung des Urteils eines Geschworenengerichtes mittels Rechts- oder Subsumtionsrüge (§ 345 Abs 1 Z 11 und 12 StPO) setzt einen Vergleich der im Wahrspruch der Geschworenen enthaltenen und damit festgestellten Tatsachen mit dem darauf angewendeten Strafgesetz voraus. Dabei muss an den durch den Wahrspruch festgestellten Tatsachen festgehalten und aus dem Wahrspruch selbst ein Rechtsirrtum nachgewiesen werden, wobei ein Rückgriff auf im Wahrspruch nicht festgestellte (angebliche) Ergebnisse des Beweisverfahrens ausgeschlossen ist (RIS-Justiz RS0101089, RS0101485, RS0101527; Ratz, aaO § 281 Rz 613).

Diesen gesetzlichen Anforderungen wird die nominell auf § 345 Abs 1 Z 11 lit a und b StPO gestützte Rechtsrüge, in welcher der Angeklagte erneut eine Tatbegehung und Gewaltanwendung zum Nachteil des Burkhard L***** bestreitet und behauptet, er wäre zurechnungsunfähig gewesen und habe zufolge dieses Zustandes nach § 11 StGB keine Erinnerung an den Vorfall, nicht gerecht.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO, woraus die Kompetenz des Gerichtshofes zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§§ 285i, 344 StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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