OGH 13Os98/90 (13Os99/90)

OGH13Os98/90 (13Os99/90)28.8.1990

Der Oberste Gerichtshof hat am 28.August 1990 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hörburger, Dr. Kuch, Dr. Rzeszut und Dr. Markel als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Ungerank als Schriftführer, in der Strafsache gegen Günther E*** wegen des Verbrechens der versuchten Vergewaltigung nach den §§ 15, 201 Abs. 1 StGB über den Wiedereinsetzungsantrag des Angeklagten sowie dessen Berufung und jene der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 31.Mai 1990, GZ 35 Vr 3250/89-15, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird verweigert. Die Berufung des Angeklagten wird zurückgewiesen.

Über die Berufung der Staatsanwaltschaft hat gemäß § 285 i StPO das Oberlandesgericht Innsbruck zu entscheiden.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte Günther E*** des Verbrechens der versuchten Vergewaltigung nach den §§ 15, 201 Abs. 1 StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Nach Verkündung des Urteils am 31.Mai 1990 ersuchte der Angeklagte um drei Tage Bedenkzeit (S 131). Die Frist zur Anmeldung eines Rechtsmittels endete somit am 5.Juni 1990; die Rechtsmittelanmeldung wurde aber erst am 6.Juni 1990 zur Post gegeben (ON 17) und die Nichtigkeitsbeschwerde vom Erstgericht als verspätet angemeldet zurückgewiesen (§ 285 a Z 1 StPO). Mit dem am 6.Juli 1990 bei Gericht eingelangten Schriftsatz (ON 20) beantragte der Angeklagte die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wider die Versäumung der Frist zur Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung, die er damit begründete, daß der bei seinem Verteidiger in Verwendung stehende Rechtsanwaltsanwärter Dr. Alfred S*** in der Hauptverhandlung verteidigt und - bedingt durch eine während dieser Zeit erfolgte Übersiedlung der Kanzlei - die Frist zur Rechtsmittelanmeldung im Fristenvormerkkalender unrichtig eingetragen habe. Bis dahin habe der Genannte diese ihm übertragene Aufgabe stets gewissenhaft und richtig erfüllt. Am 24.Juli 1990 wurde vom Verteidiger eine Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung beim Gerichtshof erster Instanz erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Nach der Judikatur zum § 364 StPO ist das Versehen einer sonst verläßlichen Kanzleikraft des Verteidigers ein tauglicher Wiedereinsetzungsgrund (EvBl 1968 Nr 54 uva). Diese Rechtsprechung geht von der Voraussetzung aus, daß die Fehlleistung seiner Angestellten dem Verteidiger die Kenntnisnahme einer einzuhaltenden Frist überhaupt unmöglich gemacht hat; mit anderen Worten: daß gewissermaßen zwischen der Person des Rechtskundigen und der Wahrnehmbarkeit der Frist das fehlerhafte Verhalten der Kanzleikraft lag (13 Os 71/80).

Aus der dem Antrag beigelegten eidesstattlichen Erklärung des Dr. Alfred S*** ergibt sich, daß die Eintragung in den Fristenvormerkkalender am Tage nach der Hauptverhandlung, somit am 1. Juni 1990 erfolgte (vgl auch S 163); dies war nach dem Inhalt dieser Erklärung und dem Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag Ursache für die falsche Berechnung der Rechtsmittelfrist sowie für die verspätete Verfassung und Postaufgabe der Rechtsmittelanmeldung. Wie schon die Staatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme (S 168) mit Recht aufzeigt, wäre - ausgehend von dieser Eintragung am 1. Juni 1990 - die Anmeldefrist auch am 5.Juni 1990 (einem Dienstag) abgelaufen. Damit kann aber diese unrichtige Eintragung nicht Ursache für die unrichtige Berechnung der Frist und verspätete Postaufgabe der Rechtsmittelanmeldung sein.

Selbst wenn man nun davon ausgeht, daß dem Vertreter des Angeklagten - als solcher ist der von ihm gewählte oder der für ihn bestellte Verteidiger anzusehen (EvBl 1980, Nr 97) - die Rechtsmittelanmeldung ON 17 einen Tag verspätet vorbereitet zur Unterfertigung vorgelegt worden ist, ist der Wiedereinsetzungsantrag nicht gerechtfertigt. Denn Voraussetzung für die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist (unter anderem), daß um diese innerhalb von vierzehn Tagen nach dem Aufhören des Hindernisses, das zur Fristversäumung geführt hat, angesucht wird (§ 364 Abs. 1 Z 2 StPO). In der Rechtsmittelanmeldungsschrift (ON 17) wird als Tag der Urteilsverkündung ausdrücklich der 31. Mai 1990 angeführt (S 154); die Rechtsmittelanmeldung ist mit 6. Juni 1990 datiert (S 154), an welchem Tag sie auch offensichtlich geschrieben und vom Verteidiger Dr. H*** unterschrieben wurde. Daraus folgt aber, daß der Verteidiger des Angeklagten anläßlich der Unterfertigung der Rechtsmittelschrift (am 6.Juni 1990) davon Kenntnis erlangt haben mußte, daß die Anmeldungsfrist einen Tag zuvor abgelaufen war, zumal Gegenteiliges auch im Wiedereinsetzungsantrag nicht behauptet wird und auch sonst kein Anhaltspunkt dafür aktenkundig ist, daß Rechtsanwalt Dr. H*** die Rechtsmittelschrift (entgegen der Sorgfaltspflicht eines Rechtsanwalts) ungelesen unterfertigt habe. Damit ist aber das Hindernis, auf das § 364 Abs. 1 Z 2 StPO abstellt, nämlich die bei der Vormerkung der Rechtsmittelausführungsfrist unterlaufene Fehlleistung in der Kanzlei des Verteidigers am 6.Juni 1990 weggefallen, sodaß an diesem Tag die 14-tägige Frist zur Stellung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu laufen begonnen hat. Innerhalb dieser Frist wurde aber der vorliegende Antrag nicht gestellt; er wurde erst am 5.Juli 1990 zur Post gegeben, weshalb er verspätet ist.

Schon aus diesem Grund mußte daher die begehrte Wiedereinsetzung verweigert werden.

Da die Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerde bereits - rechtsrichtig, weil noch vor Einbringung des Wiedereinsetzungsantrags (vgl hiezu EvBl 1961/285) - durch das Erstgericht erfolgt ist, war vom Obersten Gerichtshof nur mehr die Berufung des Angeklagten als zu spät angemeldet (§ 294 Abs. 4 StPO) zurückzuweisen (15 Os 60,61/88, 12 Os 36/88).

Die Staatsanwaltschaft hat rechtzeitig Berufung angemeldet (S 151) und rechtzeitig ausgeführt (S 159), die Verhandlung und Entscheidung über dieses Rechtsmittel fallen gemäß § 285 i StPO in die Zuständigkeit des Gerichtshofes zweiter Instanz.

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